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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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und holte daraus die weißen Pumphöschen, das
rothe Collet, den kleinen blechernen Säbel und
den Turban hervor. Großer Gott! die Janitscha-
rencadettenuniform war auch da! Wo fandest du
sie? fragte ich ihn. Im griechischen Gebirge, wel-
ches ich nach dir verzweiflungsvoll, wie Ceres
Proserpinen suchte, durchrannte, antwortete er. Ich
fand die Stücke auf einem Felsenabhange und
glaubte, daß dich ein Raubthier gefressen habe. --
Aber mein Vater, sagte ich, indem ich die Hosen
anzog, an den Kleidungsstücken war ja kein Blut,
woher also dieser Glaube? -- Konnte dich das
Raubthier nicht rein herausgefressen haben? erwie-
derte er, etwas verstimmt über meine kritischen
Zweifel. -- Er mußte mir nun auch seine Geschichte
erzählen. Sie war einfach. Aus Schmerz über
meinen Verlust hatte er, nachdem er jede Hoffnung
aufgegeben, mich wiederzufinden, sich noch eifriger
den chemischen und physikalischen Studien ergeben,
wie früherhin, und unter anderem auch jenes Far-
benbereitungsgeheimniß entdeckt, welches ihn dem
Holländer van Toll so werth machte. In der
Heimath litt ihn der Kummer nicht, er reiste durch
die Lande Europa's als düsterer, zerrissener Por-

und holte daraus die weißen Pumphöschen, das
rothe Collet, den kleinen blechernen Säbel und
den Turban hervor. Großer Gott! die Janitſcha-
rencadettenuniform war auch da! Wo fandeſt du
ſie? fragte ich ihn. Im griechiſchen Gebirge, wel-
ches ich nach dir verzweiflungsvoll, wie Ceres
Proſerpinen ſuchte, durchrannte, antwortete er. Ich
fand die Stücke auf einem Felſenabhange und
glaubte, daß dich ein Raubthier gefreſſen habe. —
Aber mein Vater, ſagte ich, indem ich die Hoſen
anzog, an den Kleidungsſtücken war ja kein Blut,
woher alſo dieſer Glaube? — Konnte dich das
Raubthier nicht rein herausgefreſſen haben? erwie-
derte er, etwas verſtimmt über meine kritiſchen
Zweifel. — Er mußte mir nun auch ſeine Geſchichte
erzählen. Sie war einfach. Aus Schmerz über
meinen Verluſt hatte er, nachdem er jede Hoffnung
aufgegeben, mich wiederzufinden, ſich noch eifriger
den chemiſchen und phyſikaliſchen Studien ergeben,
wie früherhin, und unter anderem auch jenes Far-
benbereitungsgeheimniß entdeckt, welches ihn dem
Holländer van Toll ſo werth machte. In der
Heimath litt ihn der Kummer nicht, er reiſte durch
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[213/0231] und holte daraus die weißen Pumphöschen, das rothe Collet, den kleinen blechernen Säbel und den Turban hervor. Großer Gott! die Janitſcha- rencadettenuniform war auch da! Wo fandeſt du ſie? fragte ich ihn. Im griechiſchen Gebirge, wel- ches ich nach dir verzweiflungsvoll, wie Ceres Proſerpinen ſuchte, durchrannte, antwortete er. Ich fand die Stücke auf einem Felſenabhange und glaubte, daß dich ein Raubthier gefreſſen habe. — Aber mein Vater, ſagte ich, indem ich die Hoſen anzog, an den Kleidungsſtücken war ja kein Blut, woher alſo dieſer Glaube? — Konnte dich das Raubthier nicht rein herausgefreſſen haben? erwie- derte er, etwas verſtimmt über meine kritiſchen Zweifel. — Er mußte mir nun auch ſeine Geſchichte erzählen. Sie war einfach. Aus Schmerz über meinen Verluſt hatte er, nachdem er jede Hoffnung aufgegeben, mich wiederzufinden, ſich noch eifriger den chemiſchen und phyſikaliſchen Studien ergeben, wie früherhin, und unter anderem auch jenes Far- benbereitungsgeheimniß entdeckt, welches ihn dem Holländer van Toll ſo werth machte. In der Heimath litt ihn der Kummer nicht, er reiſte durch die Lande Europa’s als düſterer, zerriſſener Por-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/231>, abgerufen am 28.11.2024.