schon größere Unwahrscheinlichkeiten begeben müssen, als daß man einen Dieb erst einsteigen und dann wieder herauskommen läßt. -- Du konntest nur ge- rettet werden, wenn diese Unwahrscheinlichkeit vor- fiel, denn machte ich früher Lärmen, so erwachte das Landhaus Welgelegen, die Pforte wurde besetzt, du bliebst mir unsichtbar und in den Händen von Myn Heer van Streef. -- Diese Antwort stellte mich vollkommen zufrieden.
Wir waren unter solchen und ähnlichen Gesprächen vor Brouw Elizabeth angekommen; mein Vater zog die Klingel und weckte dadurch den Portier, der ihm sein Zimmer aufthat. In der Hellig- keit, welche durch Wachskerzen und Alabasterlampen hervorgebracht wurde, umarmten wir uns nun erst bei voller Muße. Vater, wie sehe ich aus? war meine erste Frage.
Abscheulich, mein Sohn, versetzte er. Deine Züge sind in einer wunderbaren Unordnung, es ist, als wären Nase, Mund und Augen bei dir berauscht gewesen und erwachten nun in Winkeln, wohin sie nicht gehören. Die Ohren müssen wir vor allen Dingen stutzen, sie haben sich etwas zu üppig gen Himmel erhoben, an den Extremitäten sind dir
14*
ſchon größere Unwahrſcheinlichkeiten begeben müſſen, als daß man einen Dieb erſt einſteigen und dann wieder herauskommen läßt. — Du konnteſt nur ge- rettet werden, wenn dieſe Unwahrſcheinlichkeit vor- fiel, denn machte ich früher Lärmen, ſo erwachte das Landhaus Welgelegen, die Pforte wurde beſetzt, du bliebſt mir unſichtbar und in den Händen von Myn Heer van Streef. — Dieſe Antwort ſtellte mich vollkommen zufrieden.
Wir waren unter ſolchen und ähnlichen Geſprächen vor Brouw Elizabeth angekommen; mein Vater zog die Klingel und weckte dadurch den Portier, der ihm ſein Zimmer aufthat. In der Hellig- keit, welche durch Wachskerzen und Alabaſterlampen hervorgebracht wurde, umarmten wir uns nun erſt bei voller Muße. Vater, wie ſehe ich aus? war meine erſte Frage.
Abſcheulich, mein Sohn, verſetzte er. Deine Züge ſind in einer wunderbaren Unordnung, es iſt, als wären Naſe, Mund und Augen bei dir berauſcht geweſen und erwachten nun in Winkeln, wohin ſie nicht gehören. Die Ohren müſſen wir vor allen Dingen ſtutzen, ſie haben ſich etwas zu üppig gen Himmel erhoben, an den Extremitäten ſind dir
14*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0229"n="211"/>ſchon größere Unwahrſcheinlichkeiten begeben müſſen,<lb/>
als daß man einen Dieb erſt einſteigen und dann<lb/>
wieder herauskommen läßt. — Du konnteſt nur ge-<lb/>
rettet werden, wenn dieſe Unwahrſcheinlichkeit vor-<lb/>
fiel, denn machte ich früher Lärmen, ſo erwachte<lb/>
das Landhaus Welgelegen, die Pforte wurde beſetzt,<lb/>
du bliebſt mir unſichtbar und in den Händen von<lb/>
Myn Heer van Streef. — Dieſe Antwort ſtellte<lb/>
mich vollkommen zufrieden.</p><lb/><p>Wir waren unter ſolchen und ähnlichen Geſprächen<lb/>
vor Brouw Elizabeth angekommen; mein Vater<lb/>
zog die Klingel und weckte dadurch den Portier,<lb/>
der ihm ſein Zimmer aufthat. In der Hellig-<lb/>
keit, welche durch Wachskerzen und Alabaſterlampen<lb/>
hervorgebracht wurde, umarmten wir uns nun erſt<lb/>
bei voller Muße. Vater, wie ſehe ich aus? war<lb/>
meine erſte Frage.</p><lb/><p>Abſcheulich, mein Sohn, verſetzte er. Deine<lb/>
Züge ſind in einer wunderbaren Unordnung, es iſt,<lb/>
als wären Naſe, Mund und Augen bei dir berauſcht<lb/>
geweſen und erwachten nun in Winkeln, wohin ſie<lb/>
nicht gehören. Die Ohren müſſen wir vor allen<lb/>
Dingen ſtutzen, ſie haben ſich etwas zu üppig gen<lb/>
Himmel erhoben, an den Extremitäten ſind dir<lb/><fwplace="bottom"type="sig">14*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[211/0229]
ſchon größere Unwahrſcheinlichkeiten begeben müſſen,
als daß man einen Dieb erſt einſteigen und dann
wieder herauskommen läßt. — Du konnteſt nur ge-
rettet werden, wenn dieſe Unwahrſcheinlichkeit vor-
fiel, denn machte ich früher Lärmen, ſo erwachte
das Landhaus Welgelegen, die Pforte wurde beſetzt,
du bliebſt mir unſichtbar und in den Händen von
Myn Heer van Streef. — Dieſe Antwort ſtellte
mich vollkommen zufrieden.
Wir waren unter ſolchen und ähnlichen Geſprächen
vor Brouw Elizabeth angekommen; mein Vater
zog die Klingel und weckte dadurch den Portier,
der ihm ſein Zimmer aufthat. In der Hellig-
keit, welche durch Wachskerzen und Alabaſterlampen
hervorgebracht wurde, umarmten wir uns nun erſt
bei voller Muße. Vater, wie ſehe ich aus? war
meine erſte Frage.
Abſcheulich, mein Sohn, verſetzte er. Deine
Züge ſind in einer wunderbaren Unordnung, es iſt,
als wären Naſe, Mund und Augen bei dir berauſcht
geweſen und erwachten nun in Winkeln, wohin ſie
nicht gehören. Die Ohren müſſen wir vor allen
Dingen ſtutzen, ſie haben ſich etwas zu üppig gen
Himmel erhoben, an den Extremitäten ſind dir
14*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/229>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.