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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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jungen Biber, dessen Schwanz in Wasser hing. Es
wäre mir interessant gewesen, mit Vögeln, Amphi-
bien und amphibienartigen Geschöpfen auch einmal
meine Ideen auszutauschen, aber dazu wollte sich
hier keine Gelegenheit finden. Diese Particuliers
waren von dem geistigen Drucke, der über Welge-
legen lastete, so gebeugt, daß alle meine Versuche,
ihnen näher zu treten, mein herzliches Meckern und
so mancher treugemeinte Bockssprung keinen Anklang
fanden. Die Fasanen lagen meistens, den Kopf
unter die Flügel gesteckt, dumpf hinbrütend da, die
Schildkröten zogen sich, sobald sie sich an ihrem
Kohle satt geknabbert hatten, unter ihr Schild zu-
rück, der Biber hatte für nichts Sinn als für das
kalte Wasser um seinen Schweif.

Meine Pein zu schärfen diente die berufene
holländische Reinlichkeit. Es wurde nämlich auf
uns Thiere eine besondere Kehrmagd gehalten,
welche bei ihrem Mitgesinde Dreck-Griete hieß,
weil ihr anbefohlen war, die äußerste Sauberkeit
unserer Wohnstätten in Obacht zu nehmen. Sie
brachte den Tag über in einer Art von Portier-
häuschen am Eingange des Haupthauses zu und
lugte beständig auf die Menagerie hinaus. Ließ

jungen Biber, deſſen Schwanz in Waſſer hing. Es
wäre mir intereſſant geweſen, mit Vögeln, Amphi-
bien und amphibienartigen Geſchöpfen auch einmal
meine Ideen auszutauſchen, aber dazu wollte ſich
hier keine Gelegenheit finden. Dieſe Particuliers
waren von dem geiſtigen Drucke, der über Welge-
legen laſtete, ſo gebeugt, daß alle meine Verſuche,
ihnen näher zu treten, mein herzliches Meckern und
ſo mancher treugemeinte Bocksſprung keinen Anklang
fanden. Die Faſanen lagen meiſtens, den Kopf
unter die Flügel geſteckt, dumpf hinbrütend da, die
Schildkröten zogen ſich, ſobald ſie ſich an ihrem
Kohle ſatt geknabbert hatten, unter ihr Schild zu-
rück, der Biber hatte für nichts Sinn als für das
kalte Waſſer um ſeinen Schweif.

Meine Pein zu ſchärfen diente die berufene
holländiſche Reinlichkeit. Es wurde nämlich auf
uns Thiere eine beſondere Kehrmagd gehalten,
welche bei ihrem Mitgeſinde Dreck-Griete hieß,
weil ihr anbefohlen war, die äußerſte Sauberkeit
unſerer Wohnſtätten in Obacht zu nehmen. Sie
brachte den Tag über in einer Art von Portier-
häuschen am Eingange des Haupthauſes zu und
lugte beſtändig auf die Menagerie hinaus. Ließ

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[196/0214] jungen Biber, deſſen Schwanz in Waſſer hing. Es wäre mir intereſſant geweſen, mit Vögeln, Amphi- bien und amphibienartigen Geſchöpfen auch einmal meine Ideen auszutauſchen, aber dazu wollte ſich hier keine Gelegenheit finden. Dieſe Particuliers waren von dem geiſtigen Drucke, der über Welge- legen laſtete, ſo gebeugt, daß alle meine Verſuche, ihnen näher zu treten, mein herzliches Meckern und ſo mancher treugemeinte Bocksſprung keinen Anklang fanden. Die Faſanen lagen meiſtens, den Kopf unter die Flügel geſteckt, dumpf hinbrütend da, die Schildkröten zogen ſich, ſobald ſie ſich an ihrem Kohle ſatt geknabbert hatten, unter ihr Schild zu- rück, der Biber hatte für nichts Sinn als für das kalte Waſſer um ſeinen Schweif. Meine Pein zu ſchärfen diente die berufene holländiſche Reinlichkeit. Es wurde nämlich auf uns Thiere eine beſondere Kehrmagd gehalten, welche bei ihrem Mitgeſinde Dreck-Griete hieß, weil ihr anbefohlen war, die äußerſte Sauberkeit unſerer Wohnſtätten in Obacht zu nehmen. Sie brachte den Tag über in einer Art von Portier- häuschen am Eingange des Haupthauſes zu und lugte beſtändig auf die Menagerie hinaus. Ließ

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/214>, abgerufen am 29.11.2024.