Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

behrliche Getränk bereitet war, reichte er seinem
Herrn eine Tasse.

Myn Heer van Streef führte sie so langsam
und mürrisch zum Munde, wie er in allen seinen
Bewegungen bisher gewesen war. Er kostete und
kostete, die schlaffen Lippen zogen sich ein wenig
zusammen, dann schluckte er bedächtig den Inhalt
der Tasse hinunter, und sagte: Sebulon noch eine.
-- Sebulon sah seinen Herrn bedenklich an und
schüttelte den Kopf. Die zweite Tasse trank Myn
Heer van Streef, ohne zu kosten, aus. Seine
Augen bekamen während des Trinkens eine Art
von Glanz und er sagte: Sebulon noch eine. --
Sebulon reichte ihm zitternd und eine große Un-
ruhe in seinen Zügen die dritte Tasse. Diese
stürzte Myn Heer van Streef beinahe hastig hin-
unter und darauf sah er fast gen Himmel.

Ach, Myn Heer! rief der Diener besorgt, was
ist Euch wiederfahren? Sonst braucht Ihr ja auf
drei Tassen Thee drei Viertelstunden, und hier geht
es wie mit Extrapost in den Magen.

Der alte Holländer sah sehr nachdenklich aus
und sagte endlich nach langem Schweigen: Sebulon,
dieser Thee hier schmeckt mir besser als der auf meinem
Landhause Welgelegen eine Stunde von Amsterdam.


behrliche Getränk bereitet war, reichte er ſeinem
Herrn eine Taſſe.

Myn Heer van Streef führte ſie ſo langſam
und mürriſch zum Munde, wie er in allen ſeinen
Bewegungen bisher geweſen war. Er koſtete und
koſtete, die ſchlaffen Lippen zogen ſich ein wenig
zuſammen, dann ſchluckte er bedächtig den Inhalt
der Taſſe hinunter, und ſagte: Sebulon noch eine.
— Sebulon ſah ſeinen Herrn bedenklich an und
ſchüttelte den Kopf. Die zweite Taſſe trank Myn
Heer van Streef, ohne zu koſten, aus. Seine
Augen bekamen während des Trinkens eine Art
von Glanz und er ſagte: Sebulon noch eine. —
Sebulon reichte ihm zitternd und eine große Un-
ruhe in ſeinen Zügen die dritte Taſſe. Dieſe
ſtürzte Myn Heer van Streef beinahe haſtig hin-
unter und darauf ſah er faſt gen Himmel.

Ach, Myn Heer! rief der Diener beſorgt, was
iſt Euch wiederfahren? Sonſt braucht Ihr ja auf
drei Taſſen Thee drei Viertelſtunden, und hier geht
es wie mit Extrapoſt in den Magen.

Der alte Holländer ſah ſehr nachdenklich aus
und ſagte endlich nach langem Schweigen: Sebulon,
dieſer Thee hier ſchmeckt mir beſſer als der auf meinem
Landhauſe Welgelegen eine Stunde von Amſterdam.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0199" n="181"/>
behrliche Getränk bereitet war, reichte er &#x017F;einem<lb/>
Herrn eine Ta&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Myn Heer van Streef führte &#x017F;ie &#x017F;o lang&#x017F;am<lb/>
und mürri&#x017F;ch zum Munde, wie er in allen &#x017F;einen<lb/>
Bewegungen bisher gewe&#x017F;en war. Er ko&#x017F;tete und<lb/>
ko&#x017F;tete, die &#x017F;chlaffen Lippen zogen &#x017F;ich ein wenig<lb/>
zu&#x017F;ammen, dann &#x017F;chluckte er bedächtig den Inhalt<lb/>
der Ta&#x017F;&#x017F;e hinunter, und &#x017F;agte: Sebulon noch eine.<lb/>
&#x2014; Sebulon &#x017F;ah &#x017F;einen Herrn bedenklich an und<lb/>
&#x017F;chüttelte den Kopf. Die zweite Ta&#x017F;&#x017F;e trank Myn<lb/>
Heer van Streef, ohne zu ko&#x017F;ten, aus. Seine<lb/>
Augen bekamen während des Trinkens eine Art<lb/>
von Glanz und er &#x017F;agte: Sebulon noch eine. &#x2014;<lb/>
Sebulon reichte ihm zitternd und eine große Un-<lb/>
ruhe in &#x017F;einen Zügen die dritte Ta&#x017F;&#x017F;e. Die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;türzte Myn Heer van Streef beinahe ha&#x017F;tig hin-<lb/>
unter und darauf &#x017F;ah er fa&#x017F;t gen Himmel.</p><lb/>
          <p>Ach, Myn Heer! rief der Diener be&#x017F;orgt, was<lb/>
i&#x017F;t Euch wiederfahren? Son&#x017F;t braucht Ihr ja auf<lb/>
drei Ta&#x017F;&#x017F;en Thee drei Viertel&#x017F;tunden, und hier geht<lb/>
es wie mit Extrapo&#x017F;t in den Magen.</p><lb/>
          <p>Der alte Holländer &#x017F;ah &#x017F;ehr nachdenklich aus<lb/>
und &#x017F;agte endlich nach langem Schweigen: Sebulon,<lb/>
die&#x017F;er Thee hier &#x017F;chmeckt mir be&#x017F;&#x017F;er als der auf meinem<lb/>
Landhau&#x017F;e Welgelegen eine Stunde von Am&#x017F;terdam.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0199] behrliche Getränk bereitet war, reichte er ſeinem Herrn eine Taſſe. Myn Heer van Streef führte ſie ſo langſam und mürriſch zum Munde, wie er in allen ſeinen Bewegungen bisher geweſen war. Er koſtete und koſtete, die ſchlaffen Lippen zogen ſich ein wenig zuſammen, dann ſchluckte er bedächtig den Inhalt der Taſſe hinunter, und ſagte: Sebulon noch eine. — Sebulon ſah ſeinen Herrn bedenklich an und ſchüttelte den Kopf. Die zweite Taſſe trank Myn Heer van Streef, ohne zu koſten, aus. Seine Augen bekamen während des Trinkens eine Art von Glanz und er ſagte: Sebulon noch eine. — Sebulon reichte ihm zitternd und eine große Un- ruhe in ſeinen Zügen die dritte Taſſe. Dieſe ſtürzte Myn Heer van Streef beinahe haſtig hin- unter und darauf ſah er faſt gen Himmel. Ach, Myn Heer! rief der Diener beſorgt, was iſt Euch wiederfahren? Sonſt braucht Ihr ja auf drei Taſſen Thee drei Viertelſtunden, und hier geht es wie mit Extrapoſt in den Magen. Der alte Holländer ſah ſehr nachdenklich aus und ſagte endlich nach langem Schweigen: Sebulon, dieſer Thee hier ſchmeckt mir beſſer als der auf meinem Landhauſe Welgelegen eine Stunde von Amſterdam.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/199
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/199>, abgerufen am 23.12.2024.