ihrer Atmosphäre so nahe bringen sollte. Indessen standen ganz andere Dinge in den Sternen geschrieben.
Der Hufschlag des Pferdes näherte sich, und es kam ein ältlicher, dicker Mann, dem ein Dün- ner folgte, nach der Stelle zu geritten, wo ich stand. Der Mann trug einen gelben Hut, einen gelben Rock, eine gelbe Hose und eine gelbe Weste, sah sehr blaß und aufgedunsen und äußerst verdrießlich aus. Schon sein Ansehen und der völlig gleich- gültige Blick, mit dem er die Gegend überschaute, würde mich gelehrt haben, von welchem Volke die- ser Fremdling sei, wenn ich ihn auch nicht so- bald hätte reden hören. Der Diener half sei- nem Herrn vom Pferde, führte ihn zu dem Steine, auf welchem das Brautpaar gestanden hatte, ließ ihn niedersitzen, gab ihm ein spanisches Rohr in die Hand, schob dessen Knopf unter sein Kinn, und richtete auf diefe Weise gleichsam die Statue eines gefühllosen Naturbeschauers zu. Der Herr ließ nämlich Alles phlegmatisch mit sich vor- nehmen und antwortete nur spärlich auf die Reden des Dieners, welcher ziemlich gesprächig war.
Aus ihrer Unterhaltung erfuhr ich, daß der gelbe Dicke ein reicher, vom Geschäfte zurückgezo-
ihrer Atmosphäre ſo nahe bringen ſollte. Indeſſen ſtanden ganz andere Dinge in den Sternen geſchrieben.
Der Hufſchlag des Pferdes näherte ſich, und es kam ein ältlicher, dicker Mann, dem ein Dün- ner folgte, nach der Stelle zu geritten, wo ich ſtand. Der Mann trug einen gelben Hut, einen gelben Rock, eine gelbe Hoſe und eine gelbe Weſte, ſah ſehr blaß und aufgedunſen und äußerſt verdrießlich aus. Schon ſein Anſehen und der völlig gleich- gültige Blick, mit dem er die Gegend überſchaute, würde mich gelehrt haben, von welchem Volke die- ſer Fremdling ſei, wenn ich ihn auch nicht ſo- bald hätte reden hören. Der Diener half ſei- nem Herrn vom Pferde, führte ihn zu dem Steine, auf welchem das Brautpaar geſtanden hatte, ließ ihn niederſitzen, gab ihm ein ſpaniſches Rohr in die Hand, ſchob deſſen Knopf unter ſein Kinn, und richtete auf diefe Weiſe gleichſam die Statue eines gefühlloſen Naturbeſchauers zu. Der Herr ließ nämlich Alles phlegmatiſch mit ſich vor- nehmen und antwortete nur ſpärlich auf die Reden des Dieners, welcher ziemlich geſprächig war.
Aus ihrer Unterhaltung erfuhr ich, daß der gelbe Dicke ein reicher, vom Geſchäfte zurückgezo-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0193"n="175"/>
ihrer Atmosphäre ſo nahe bringen ſollte. Indeſſen<lb/>ſtanden ganz andere Dinge in den Sternen geſchrieben.</p><lb/><p>Der Hufſchlag des Pferdes näherte ſich, und<lb/>
es kam ein ältlicher, dicker Mann, dem ein Dün-<lb/>
ner folgte, nach der Stelle zu geritten, wo ich ſtand.<lb/>
Der Mann trug einen gelben Hut, einen gelben<lb/>
Rock, eine gelbe Hoſe und eine gelbe Weſte, ſah<lb/>ſehr blaß und aufgedunſen und äußerſt verdrießlich<lb/>
aus. Schon ſein Anſehen und der völlig gleich-<lb/>
gültige Blick, mit dem er die Gegend überſchaute,<lb/>
würde mich gelehrt haben, von welchem Volke die-<lb/>ſer Fremdling ſei, wenn ich ihn auch nicht ſo-<lb/>
bald hätte reden hören. Der Diener half ſei-<lb/>
nem Herrn vom Pferde, führte ihn zu dem<lb/>
Steine, auf welchem das Brautpaar geſtanden<lb/>
hatte, ließ ihn niederſitzen, gab ihm ein ſpaniſches<lb/>
Rohr in die Hand, ſchob deſſen Knopf unter ſein<lb/>
Kinn, und richtete auf diefe Weiſe gleichſam die<lb/>
Statue eines gefühlloſen Naturbeſchauers zu. Der<lb/>
Herr ließ nämlich Alles phlegmatiſch mit ſich vor-<lb/>
nehmen und antwortete nur ſpärlich auf die Reden<lb/>
des Dieners, welcher ziemlich geſprächig war.</p><lb/><p>Aus ihrer Unterhaltung erfuhr ich, daß der<lb/>
gelbe Dicke ein reicher, vom Geſchäfte zurückgezo-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[175/0193]
ihrer Atmosphäre ſo nahe bringen ſollte. Indeſſen
ſtanden ganz andere Dinge in den Sternen geſchrieben.
Der Hufſchlag des Pferdes näherte ſich, und
es kam ein ältlicher, dicker Mann, dem ein Dün-
ner folgte, nach der Stelle zu geritten, wo ich ſtand.
Der Mann trug einen gelben Hut, einen gelben
Rock, eine gelbe Hoſe und eine gelbe Weſte, ſah
ſehr blaß und aufgedunſen und äußerſt verdrießlich
aus. Schon ſein Anſehen und der völlig gleich-
gültige Blick, mit dem er die Gegend überſchaute,
würde mich gelehrt haben, von welchem Volke die-
ſer Fremdling ſei, wenn ich ihn auch nicht ſo-
bald hätte reden hören. Der Diener half ſei-
nem Herrn vom Pferde, führte ihn zu dem
Steine, auf welchem das Brautpaar geſtanden
hatte, ließ ihn niederſitzen, gab ihm ein ſpaniſches
Rohr in die Hand, ſchob deſſen Knopf unter ſein
Kinn, und richtete auf diefe Weiſe gleichſam die
Statue eines gefühlloſen Naturbeſchauers zu. Der
Herr ließ nämlich Alles phlegmatiſch mit ſich vor-
nehmen und antwortete nur ſpärlich auf die Reden
des Dieners, welcher ziemlich geſprächig war.
Aus ihrer Unterhaltung erfuhr ich, daß der
gelbe Dicke ein reicher, vom Geſchäfte zurückgezo-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/193>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.