Eines Abends liege ich in der Höhle neben der Ziege Quiqui. Die Zicklein sind von den Eutern abgegangen und schlafen schon, die Mütter käuen wieder und unterhalten sich von Freiheit und Noth- wendigkeit. Ich schlafe noch nicht. Es geht mir etwas im Kopfe umher, was ich nicht zu nennen weiß, es ist ein formloses Etwas, was sich nach und nach durch die Kehle in die unteren Regionen hinabsenkt und dort ein losgebundenes Leben für sich anfängt. Meine Kinnbacken beginnen sich kreuz und quer übereinander zu schieben, und ein sonder- bares Nach-Schroten ohne Gegenstand auszuführen; bald ergreift die angrenzenden und dann die unteren Theile die Mitleidenschaft, mir wird sehr übel, Dinge, die ich für immer abgethan glaubte, steigen in mir auf, ich weiß nicht, was das bedeuten soll, ich befürchte, einen gefährlichen Magenkrampf zu haben, ich ächze, ich stöhne. Theilnehmend rutscht die Quiqui herzu und fragt, was mir fehle? So gut ich unter dem unaufhaltsamen Schieben und Schro- ten der Kinnbacken es vermag, schildere ich ihr den Zustand; und wer beschreibt meinen Schreck, als die sanfte Quiqui, Thränen vergießend und mich zärtlich an sich drückend, ausruft: Heil dir und
Eines Abends liege ich in der Höhle neben der Ziege Quiqui. Die Zicklein ſind von den Eutern abgegangen und ſchlafen ſchon, die Mütter käuen wieder und unterhalten ſich von Freiheit und Noth- wendigkeit. Ich ſchlafe noch nicht. Es geht mir etwas im Kopfe umher, was ich nicht zu nennen weiß, es iſt ein formloſes Etwas, was ſich nach und nach durch die Kehle in die unteren Regionen hinabſenkt und dort ein losgebundenes Leben für ſich anfängt. Meine Kinnbacken beginnen ſich kreuz und quer übereinander zu ſchieben, und ein ſonder- bares Nach-Schroten ohne Gegenſtand auszuführen; bald ergreift die angrenzenden und dann die unteren Theile die Mitleidenſchaft, mir wird ſehr übel, Dinge, die ich für immer abgethan glaubte, ſteigen in mir auf, ich weiß nicht, was das bedeuten ſoll, ich befürchte, einen gefährlichen Magenkrampf zu haben, ich ächze, ich ſtöhne. Theilnehmend rutſcht die Quiqui herzu und fragt, was mir fehle? So gut ich unter dem unaufhaltſamen Schieben und Schro- ten der Kinnbacken es vermag, ſchildere ich ihr den Zuſtand; und wer beſchreibt meinen Schreck, als die ſanfte Quiqui, Thränen vergießend und mich zärtlich an ſich drückend, ausruft: Heil dir und
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Eines Abends liege ich in der Höhle neben der
Ziege Quiqui. Die Zicklein ſind von den Eutern
abgegangen und ſchlafen ſchon, die Mütter käuen
wieder und unterhalten ſich von Freiheit und Noth-
wendigkeit. Ich ſchlafe noch nicht. Es geht mir
etwas im Kopfe umher, was ich nicht zu nennen
weiß, es iſt ein formloſes Etwas, was ſich nach
und nach durch die Kehle in die unteren Regionen
hinabſenkt und dort ein losgebundenes Leben für
ſich anfängt. Meine Kinnbacken beginnen ſich kreuz
und quer übereinander zu ſchieben, und ein ſonder-
bares Nach-Schroten ohne Gegenſtand auszuführen;
bald ergreift die angrenzenden und dann die unteren
Theile die Mitleidenſchaft, mir wird ſehr übel, Dinge,
die ich für immer abgethan glaubte, ſteigen in mir
auf, ich weiß nicht, was das bedeuten ſoll, ich
befürchte, einen gefährlichen Magenkrampf zu haben,
ich ächze, ich ſtöhne. Theilnehmend rutſcht die
Quiqui herzu und fragt, was mir fehle? So gut
ich unter dem unaufhaltſamen Schieben und Schro-
ten der Kinnbacken es vermag, ſchildere ich ihr den
Zuſtand; und wer beſchreibt meinen Schreck, als
die ſanfte Quiqui, Thränen vergießend und mich
zärtlich an ſich drückend, ausruft: Heil dir und
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/158>, abgerufen am 23.12.2024.
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