in der Stille aber errichtete er zu seiner Tröstung, um seinem Triebe zum Compacten zu folgen, um sich durch das zerstreute Haar, durch die charakter- schwache Pomade, durch den gesinnungslosen Puder dem Zähen, Ledernen wenigstens anzunähern, jene wunderbaren Haargebilde, welche die Welt längst über Schwedenkopf und Naturscheitel vergessen zu haben schien.
Ich will kurz seyn. So wie der alte Hessen- fürst zurückgekeyrt war, entstand über seinen Wunsch, oder vielmehr Befehl, die größte Verlegenheit. Die Novella I. de capillis pudrandis zopfi- ficandisque war erlassen, aber es ging mit dieser, wie mit so mancher Institution, sie hatte ihr Da- seyn vorläufig nur auf dem Papiere, und das war die Hauptfrage: Konnte der Zopf eine Wahr- heit werden? Denn man wußte Niemand, der jene Haarformationen der Urwelt noch zu bereiten verstand. Der alte Herr besaß zwar seinen in diesen Dingen ergrauten Künstler, allein es wider- sprach der Rangordnung und Etiquette durch- aus, daß dieselbe Hand, welche um die Majestät beschäftigt war, sich gemeinen Köpfen widmen solle.
in der Stille aber errichtete er zu ſeiner Tröſtung, um ſeinem Triebe zum Compacten zu folgen, um ſich durch das zerſtreute Haar, durch die charakter- ſchwache Pomade, durch den geſinnungsloſen Puder dem Zaͤhen, Ledernen wenigſtens anzunähern, jene wunderbaren Haargebilde, welche die Welt längſt über Schwedenkopf und Naturſcheitel vergeſſen zu haben ſchien.
Ich will kurz ſeyn. So wie der alte Heſſen- fürſt zurückgekeyrt war, entſtand über ſeinen Wunſch, oder vielmehr Befehl, die größte Verlegenheit. Die Novella I. de capillis pudrandis zopfi- ficandisque war erlaſſen, aber es ging mit dieſer, wie mit ſo mancher Inſtitution, ſie hatte ihr Da- ſeyn vorläufig nur auf dem Papiere, und das war die Hauptfrage: Konnte der Zopf eine Wahr- heit werden? Denn man wußte Niemand, der jene Haarformationen der Urwelt noch zu bereiten verſtand. Der alte Herr beſaß zwar ſeinen in dieſen Dingen ergrauten Künſtler, allein es wider- ſprach der Rangordnung und Etiquette durch- aus, daß dieſelbe Hand, welche um die Majeſtät beſchäftigt war, ſich gemeinen Köpfen widmen ſolle.
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in der Stille aber errichtete er zu ſeiner Tröſtung,
um ſeinem Triebe zum Compacten zu folgen, um
ſich durch das zerſtreute Haar, durch die charakter-
ſchwache Pomade, durch den geſinnungsloſen Puder
dem Zaͤhen, Ledernen wenigſtens anzunähern, jene
wunderbaren Haargebilde, welche die Welt längſt
über Schwedenkopf und Naturſcheitel vergeſſen zu
haben ſchien.
Ich will kurz ſeyn. So wie der alte Heſſen-
fürſt zurückgekeyrt war, entſtand über ſeinen Wunſch,
oder vielmehr Befehl, die größte Verlegenheit.
Die Novella I. de capillis pudrandis zopfi-
ficandisque war erlaſſen, aber es ging mit dieſer,
wie mit ſo mancher Inſtitution, ſie hatte ihr Da-
ſeyn vorläufig nur auf dem Papiere, und das
war die Hauptfrage: Konnte der Zopf eine Wahr-
heit werden? Denn man wußte Niemand, der
jene Haarformationen der Urwelt noch zu bereiten
verſtand. Der alte Herr beſaß zwar ſeinen in
dieſen Dingen ergrauten Künſtler, allein es wider-
ſprach der Rangordnung und Etiquette durch-
aus, daß dieſelbe Hand, welche um die Majeſtät
beſchäftigt war, ſich gemeinen Köpfen widmen
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/55>, abgerufen am 27.11.2024.
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