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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Im Rücken hatte er den Forst, vor sich die
Senkung mit den großen Steinen und Bäumen
des Freistuhls, gegenüber umschlossen die gelben
Kornfelder den einsamen Ort. In den Wipfeln
über ihm gurrten noch einzelne verlorne Töne der
Turteltaube, durch die Aeste der Bäume am
Freistuhle fingen die wilden Lindenschwärmer an
mit den grün-rothen Flügeln zu schwirren. All-
gemach begann es auch im Walde am Boden sich
zu rühren. Ein Igel kroch schläfrig durch das
Laub; ein Wieselchen zog den geschmeidigen Leib
aus einer Steinspalte, nicht breiter, als der Kiel
einer Feder, hervor. Buschhäslein sprangen mit
vorsichtigen Sätzen, zwischen jedem innehaltend,
sich duckend und die Löffel legend, ins Freie,
bis sie, muthiger geworden, auf dem Rain am
Kornfelde sich emporhoben, tänzelten, mit ein-
ander spielten, und die Vorderläufe zu scherzenden
Schlägen brauchten.

Der Jäger hütete sich wohl, dieses Hasenvolk
zu stören. Endlich trat ein schlankes Reh aus dem
Walde. Klug die Nase in den Wind streckend,
links und rechts aus den großen, braunen Augen
umherschauend, schritt das Thier auf den feinen

Im Rücken hatte er den Forſt, vor ſich die
Senkung mit den großen Steinen und Bäumen
des Freiſtuhls, gegenüber umſchloſſen die gelben
Kornfelder den einſamen Ort. In den Wipfeln
über ihm gurrten noch einzelne verlorne Töne der
Turteltaube, durch die Aeſte der Bäume am
Freiſtuhle fingen die wilden Lindenſchwärmer an
mit den grün-rothen Flügeln zu ſchwirren. All-
gemach begann es auch im Walde am Boden ſich
zu rühren. Ein Igel kroch ſchläfrig durch das
Laub; ein Wieſelchen zog den geſchmeidigen Leib
aus einer Steinſpalte, nicht breiter, als der Kiel
einer Feder, hervor. Buſchhäslein ſprangen mit
vorſichtigen Sätzen, zwiſchen jedem innehaltend,
ſich duckend und die Löffel legend, ins Freie,
bis ſie, muthiger geworden, auf dem Rain am
Kornfelde ſich emporhoben, tänzelten, mit ein-
ander ſpielten, und die Vorderläufe zu ſcherzenden
Schlägen brauchten.

Der Jäger hütete ſich wohl, dieſes Haſenvolk
zu ſtören. Endlich trat ein ſchlankes Reh aus dem
Walde. Klug die Naſe in den Wind ſtreckend,
links und rechts aus den großen, braunen Augen
umherſchauend, ſchritt das Thier auf den feinen

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[454/0462] Im Rücken hatte er den Forſt, vor ſich die Senkung mit den großen Steinen und Bäumen des Freiſtuhls, gegenüber umſchloſſen die gelben Kornfelder den einſamen Ort. In den Wipfeln über ihm gurrten noch einzelne verlorne Töne der Turteltaube, durch die Aeſte der Bäume am Freiſtuhle fingen die wilden Lindenſchwärmer an mit den grün-rothen Flügeln zu ſchwirren. All- gemach begann es auch im Walde am Boden ſich zu rühren. Ein Igel kroch ſchläfrig durch das Laub; ein Wieſelchen zog den geſchmeidigen Leib aus einer Steinſpalte, nicht breiter, als der Kiel einer Feder, hervor. Buſchhäslein ſprangen mit vorſichtigen Sätzen, zwiſchen jedem innehaltend, ſich duckend und die Löffel legend, ins Freie, bis ſie, muthiger geworden, auf dem Rain am Kornfelde ſich emporhoben, tänzelten, mit ein- ander ſpielten, und die Vorderläufe zu ſcherzenden Schlägen brauchten. Der Jäger hütete ſich wohl, dieſes Haſenvolk zu ſtören. Endlich trat ein ſchlankes Reh aus dem Walde. Klug die Naſe in den Wind ſtreckend, links und rechts aus den großen, braunen Augen umherſchauend, ſchritt das Thier auf den feinen

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/462>, abgerufen am 27.11.2024.