Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

stark lahmte. Er entschloß sich kurz, ließ das
Fuhrwerk heimgehen und machte den übrigen Weg
zu Fuß. Freilich konnte er nun nicht, wie er
gewollt, am nämlichen Tage zur Stadt zurückkehren,
mußte sich vielmehr bequemen, die Nacht auf dem
Lande zuzubringen.

Er fand den Hofschulzen an einem Scheuren-
thore zimmern. Als dieser von seiner Arbeit die
blitzenden Augen unter den weißen Brauen gegen
ihn emporhob, kam er ihm nach den erhaltenen
Aufschlüssen wie der Alte vom Berge vor. Der
Jäger meldete ihm seinen bevorstehenden Abzug.
Jener erwiederte: Das ist mir lieb, das Frauen-
zimmerchen, welches vor Ihnen die Stube hatte,
ließ mir sagen, sie würde heute oder morgen zurück-
kommen; der müßten Sie doch weichen, und ich
könnte Sie nur unbequem logieren.

Der ganze Hof schwamm in dem beginnenden
rothen Abendlichte. Eine reine Sommerwärme
durchdrang die von keinem Dunste beschwerten
Lüfte. Es war ganz einsam zwischen den Gebäu-
den; alle Knechte und Mägde mußten wohl noch
auf dem Felde zu thun haben. Auch im Hause
sah er Niemand, als er nach seinem Zimmer ging.

ſtark lahmte. Er entſchloß ſich kurz, ließ das
Fuhrwerk heimgehen und machte den übrigen Weg
zu Fuß. Freilich konnte er nun nicht, wie er
gewollt, am nämlichen Tage zur Stadt zurückkehren,
mußte ſich vielmehr bequemen, die Nacht auf dem
Lande zuzubringen.

Er fand den Hofſchulzen an einem Scheuren-
thore zimmern. Als dieſer von ſeiner Arbeit die
blitzenden Augen unter den weißen Brauen gegen
ihn emporhob, kam er ihm nach den erhaltenen
Aufſchlüſſen wie der Alte vom Berge vor. Der
Jäger meldete ihm ſeinen bevorſtehenden Abzug.
Jener erwiederte: Das iſt mir lieb, das Frauen-
zimmerchen, welches vor Ihnen die Stube hatte,
ließ mir ſagen, ſie würde heute oder morgen zurück-
kommen; der müßten Sie doch weichen, und ich
könnte Sie nur unbequem logieren.

Der ganze Hof ſchwamm in dem beginnenden
rothen Abendlichte. Eine reine Sommerwärme
durchdrang die von keinem Dunſte beſchwerten
Lüfte. Es war ganz einſam zwiſchen den Gebäu-
den; alle Knechte und Mägde mußten wohl noch
auf dem Felde zu thun haben. Auch im Hauſe
ſah er Niemand, als er nach ſeinem Zimmer ging.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0458" n="450"/>
&#x017F;tark lahmte. Er ent&#x017F;chloß &#x017F;ich kurz, ließ das<lb/>
Fuhrwerk heimgehen und machte den übrigen Weg<lb/>
zu Fuß. Freilich konnte er nun nicht, wie er<lb/>
gewollt, am nämlichen Tage zur Stadt zurückkehren,<lb/>
mußte &#x017F;ich vielmehr bequemen, die Nacht auf dem<lb/>
Lande zuzubringen.</p><lb/>
          <p>Er fand den Hof&#x017F;chulzen an einem Scheuren-<lb/>
thore zimmern. Als die&#x017F;er von &#x017F;einer Arbeit die<lb/>
blitzenden Augen unter den weißen Brauen gegen<lb/>
ihn emporhob, kam er ihm nach den erhaltenen<lb/>
Auf&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en wie der Alte vom Berge vor. Der<lb/>
Jäger meldete ihm &#x017F;einen bevor&#x017F;tehenden Abzug.<lb/>
Jener erwiederte: Das i&#x017F;t mir lieb, das Frauen-<lb/>
zimmerchen, welches vor Ihnen die Stube hatte,<lb/>
ließ mir &#x017F;agen, &#x017F;ie würde heute oder morgen zurück-<lb/>
kommen; der müßten Sie doch weichen, und ich<lb/>
könnte Sie nur unbequem logieren.</p><lb/>
          <p>Der ganze Hof &#x017F;chwamm in dem beginnenden<lb/>
rothen Abendlichte. Eine reine Sommerwärme<lb/>
durchdrang die von keinem Dun&#x017F;te be&#x017F;chwerten<lb/>
Lüfte. Es war ganz ein&#x017F;am zwi&#x017F;chen den Gebäu-<lb/>
den; alle Knechte und Mägde mußten wohl noch<lb/>
auf dem Felde zu thun haben. Auch im Hau&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ah er Niemand, als er nach &#x017F;einem Zimmer ging.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0458] ſtark lahmte. Er entſchloß ſich kurz, ließ das Fuhrwerk heimgehen und machte den übrigen Weg zu Fuß. Freilich konnte er nun nicht, wie er gewollt, am nämlichen Tage zur Stadt zurückkehren, mußte ſich vielmehr bequemen, die Nacht auf dem Lande zuzubringen. Er fand den Hofſchulzen an einem Scheuren- thore zimmern. Als dieſer von ſeiner Arbeit die blitzenden Augen unter den weißen Brauen gegen ihn emporhob, kam er ihm nach den erhaltenen Aufſchlüſſen wie der Alte vom Berge vor. Der Jäger meldete ihm ſeinen bevorſtehenden Abzug. Jener erwiederte: Das iſt mir lieb, das Frauen- zimmerchen, welches vor Ihnen die Stube hatte, ließ mir ſagen, ſie würde heute oder morgen zurück- kommen; der müßten Sie doch weichen, und ich könnte Sie nur unbequem logieren. Der ganze Hof ſchwamm in dem beginnenden rothen Abendlichte. Eine reine Sommerwärme durchdrang die von keinem Dunſte beſchwerten Lüfte. Es war ganz einſam zwiſchen den Gebäu- den; alle Knechte und Mägde mußten wohl noch auf dem Felde zu thun haben. Auch im Hauſe ſah er Niemand, als er nach ſeinem Zimmer ging.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/458
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/458>, abgerufen am 23.11.2024.