plane Existenzen, die aus Sehnsucht und Erfüllung ein reines Facit ziehen? -- Und was denkst du dir bei diesen geschraubten Worten, die da unwill- kührlich meiner Feder entflossen sind?
Ich bin so wenig ein Dichter, als du ein schwarzwälder Uhrmacher bist, aber bisweilen bricht die Poesie aus Jedem, wie die Thräne aus der Rebe im Lenz. Das sind dann schicksals- schwangere Momente, Momente, in denen unsere Sterne sich rühren, und dadurch die Kräfte unsres kleinen Selbstes rühren und regen. Ich schrieb dir von dem Spessarter Mährchen, welches ich da hin- geworfen, und nun ist's sonderbar, daß sich einzelne Elemente dieser Erfindung, z. B. das unvermuthete Treffen eines Freundes, ein curioses Waldaben- theuer, körperlich hinstellen, freilich ganz verschieden von meinem Poem, aber im innersten Sinne doch verwandt, so daß es ist, als wollten mich meine Spessarter Zauberfiguren mit Wirklichkeit necken.
Hiebei mußt du dir gar nichts Besonderes vorstellen; es giebt nur so wunderbare Stimmungen, in denen man mehr seine Gedanken, als sein Leben lebt. So will mir das Waldgefühl nicht aus dem Sinn, es fluthet grün und kühl mit frischem Bor-
plane Exiſtenzen, die aus Sehnſucht und Erfüllung ein reines Facit ziehen? — Und was denkſt du dir bei dieſen geſchraubten Worten, die da unwill- kührlich meiner Feder entfloſſen ſind?
Ich bin ſo wenig ein Dichter, als du ein ſchwarzwälder Uhrmacher biſt, aber bisweilen bricht die Poeſie aus Jedem, wie die Thräne aus der Rebe im Lenz. Das ſind dann ſchickſals- ſchwangere Momente, Momente, in denen unſere Sterne ſich rühren, und dadurch die Kräfte unſres kleinen Selbſtes rühren und regen. Ich ſchrieb dir von dem Speſſarter Mährchen, welches ich da hin- geworfen, und nun iſt’s ſonderbar, daß ſich einzelne Elemente dieſer Erfindung, z. B. das unvermuthete Treffen eines Freundes, ein curioſes Waldaben- theuer, körperlich hinſtellen, freilich ganz verſchieden von meinem Poem, aber im innerſten Sinne doch verwandt, ſo daß es iſt, als wollten mich meine Speſſarter Zauberfiguren mit Wirklichkeit necken.
Hiebei mußt du dir gar nichts Beſonderes vorſtellen; es giebt nur ſo wunderbare Stimmungen, in denen man mehr ſeine Gedanken, als ſein Leben lebt. So will mir das Waldgefühl nicht aus dem Sinn, es fluthet grün und kühl mit friſchem Bor-
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plane Exiſtenzen, die aus Sehnſucht und Erfüllung
ein reines Facit ziehen? — Und was denkſt du
dir bei dieſen geſchraubten Worten, die da unwill-
kührlich meiner Feder entfloſſen ſind?
Ich bin ſo wenig ein Dichter, als du ein
ſchwarzwälder Uhrmacher biſt, aber bisweilen
bricht die Poeſie aus Jedem, wie die Thräne aus
der Rebe im Lenz. Das ſind dann ſchickſals-
ſchwangere Momente, Momente, in denen unſere
Sterne ſich rühren, und dadurch die Kräfte unſres
kleinen Selbſtes rühren und regen. Ich ſchrieb dir
von dem Speſſarter Mährchen, welches ich da hin-
geworfen, und nun iſt’s ſonderbar, daß ſich einzelne
Elemente dieſer Erfindung, z. B. das unvermuthete
Treffen eines Freundes, ein curioſes Waldaben-
theuer, körperlich hinſtellen, freilich ganz verſchieden
von meinem Poem, aber im innerſten Sinne doch
verwandt, ſo daß es iſt, als wollten mich meine
Speſſarter Zauberfiguren mit Wirklichkeit necken.
Hiebei mußt du dir gar nichts Beſonderes
vorſtellen; es giebt nur ſo wunderbare Stimmungen,
in denen man mehr ſeine Gedanken, als ſein Leben
lebt. So will mir das Waldgefühl nicht aus dem
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/447>, abgerufen am 22.11.2024.
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