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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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vor wenigen Monaten zu vernichten sich bestrebt
hatte. Auch unter diesen Fahnen war seine
Tapferkeit belobt, namentlich soll er späterhin in
den mörderischen niederländischen Schlachten wie
ein Löwe gestritten haben. Er empfing zu dem Kreuze
der Ehrenlegion das eiserne, jenem so feindlich
gewordene.

Nach dem Frieden blieb er nur noch kurze Zeit
im Heere; seine Strapazen und Wunden hatten
ihn mürbe gemacht. Hieher zog er sich mit seiner
Pension zurück, welche ihm ein anständiges Aus-
kommen gewährte. Indem nun Jedermann um
ihn her in den wiedererworbenen westlichen Theilen
des Vaterlandes sich mit seinen Gefühlen einzu-
richten wußte, die Sympathien des gestürzten Reichs
und der neuen Deutschheit amalgamirte, oder we-
nigstens zusammenschweißte und löthete, wollte es
unserem armen störrigen Hauptmann nicht so wohl
gelingen. Den Degen in der Faust hatte er ohne
Reflexion darauf losgeschlagen, für oder wider;
aber in der Muße und im Nachdenken des Frie-
dens überfiel ihn eine Spaltung und Verwirrung,
welche ihn fast toll machte. Er konnte es nicht
in sich beherbergen, daß er binnen Jahresfrist ein

vor wenigen Monaten zu vernichten ſich beſtrebt
hatte. Auch unter dieſen Fahnen war ſeine
Tapferkeit belobt, namentlich ſoll er ſpäterhin in
den mörderiſchen niederländiſchen Schlachten wie
ein Löwe geſtritten haben. Er empfing zu dem Kreuze
der Ehrenlegion das eiſerne, jenem ſo feindlich
gewordene.

Nach dem Frieden blieb er nur noch kurze Zeit
im Heere; ſeine Strapazen und Wunden hatten
ihn mürbe gemacht. Hieher zog er ſich mit ſeiner
Penſion zurück, welche ihm ein anſtändiges Aus-
kommen gewährte. Indem nun Jedermann um
ihn her in den wiedererworbenen weſtlichen Theilen
des Vaterlandes ſich mit ſeinen Gefühlen einzu-
richten wußte, die Sympathien des geſtürzten Reichs
und der neuen Deutſchheit amalgamirte, oder we-
nigſtens zuſammenſchweißte und löthete, wollte es
unſerem armen ſtörrigen Hauptmann nicht ſo wohl
gelingen. Den Degen in der Fauſt hatte er ohne
Reflexion darauf losgeſchlagen, für oder wider;
aber in der Muße und im Nachdenken des Frie-
dens überfiel ihn eine Spaltung und Verwirrung,
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[424/0432] vor wenigen Monaten zu vernichten ſich beſtrebt hatte. Auch unter dieſen Fahnen war ſeine Tapferkeit belobt, namentlich ſoll er ſpäterhin in den mörderiſchen niederländiſchen Schlachten wie ein Löwe geſtritten haben. Er empfing zu dem Kreuze der Ehrenlegion das eiſerne, jenem ſo feindlich gewordene. Nach dem Frieden blieb er nur noch kurze Zeit im Heere; ſeine Strapazen und Wunden hatten ihn mürbe gemacht. Hieher zog er ſich mit ſeiner Penſion zurück, welche ihm ein anſtändiges Aus- kommen gewährte. Indem nun Jedermann um ihn her in den wiedererworbenen weſtlichen Theilen des Vaterlandes ſich mit ſeinen Gefühlen einzu- richten wußte, die Sympathien des geſtürzten Reichs und der neuen Deutſchheit amalgamirte, oder we- nigſtens zuſammenſchweißte und löthete, wollte es unſerem armen ſtörrigen Hauptmann nicht ſo wohl gelingen. Den Degen in der Fauſt hatte er ohne Reflexion darauf losgeſchlagen, für oder wider; aber in der Muße und im Nachdenken des Frie- dens überfiel ihn eine Spaltung und Verwirrung, welche ihn faſt toll machte. Er konnte es nicht in ſich beherbergen, daß er binnen Jahresfriſt ein

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/432>, abgerufen am 22.11.2024.