mit solcher Würde und Klugheit benommen, daß ich ihn jedem bevollmächtigten Minister, welcher eine verwickelte Angelegenheit seines Hofes zu schlichten hat, als Muster empfehlen möchte.
Ja, sagte der Geistliche, das ist heute sein Eh- rentag, auf den er sich schon sechs Wochen vorher freut. Ueberhaupt giebt es unter den Küstern noch viele komische Figuren, welche sonst so sehr jetzt abnehmen. Das beständige Anhören hoher und erbaulicher Worte von ihrem Standpuncte der Dienstbarkeit dabei, das Läuten, das Ansagen der Geburten und Sterbfälle giebt ihrem Wesen einen wundersamen Schwung, mit welchem nun wieder ihr glücklicher Appetit, oder besser zu sagen, ihre maaßlose Freßgier seltsam contrastirt. Denn da sie zu Hause nicht viel zu beißen und zu brechen haben, so versorgen sie sich auf Kindtaufen, Hochzeiten und Leichenschmäusen für ganze Wochen, und ver- schlingen die außerordentlichsten Portionen, aber immer mit einem Anstriche von Salbung, und nicht selten die hellen Thränen der Mitfreude oder Mit- trauer in den Augen. Der meinige hat nun zu allen diesen Standeseigenschaften noch den Privat- charakter der Feigheit; er ist ein ausgemachter
mit ſolcher Würde und Klugheit benommen, daß ich ihn jedem bevollmächtigten Miniſter, welcher eine verwickelte Angelegenheit ſeines Hofes zu ſchlichten hat, als Muſter empfehlen möchte.
Ja, ſagte der Geiſtliche, das iſt heute ſein Eh- rentag, auf den er ſich ſchon ſechs Wochen vorher freut. Ueberhaupt giebt es unter den Küſtern noch viele komiſche Figuren, welche ſonſt ſo ſehr jetzt abnehmen. Das beſtändige Anhören hoher und erbaulicher Worte von ihrem Standpuncte der Dienſtbarkeit dabei, das Läuten, das Anſagen der Geburten und Sterbfälle giebt ihrem Weſen einen wunderſamen Schwung, mit welchem nun wieder ihr glücklicher Appetit, oder beſſer zu ſagen, ihre maaßloſe Freßgier ſeltſam contraſtirt. Denn da ſie zu Hauſe nicht viel zu beißen und zu brechen haben, ſo verſorgen ſie ſich auf Kindtaufen, Hochzeiten und Leichenſchmäuſen für ganze Wochen, und ver- ſchlingen die außerordentlichſten Portionen, aber immer mit einem Anſtriche von Salbung, und nicht ſelten die hellen Thränen der Mitfreude oder Mit- trauer in den Augen. Der meinige hat nun zu allen dieſen Standeseigenſchaften noch den Privat- charakter der Feigheit; er iſt ein ausgemachter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0399"n="391"/>
mit ſolcher Würde und Klugheit benommen, daß<lb/>
ich ihn jedem bevollmächtigten Miniſter, welcher<lb/>
eine verwickelte Angelegenheit ſeines Hofes zu<lb/>ſchlichten hat, als Muſter empfehlen möchte.</p><lb/><p>Ja, ſagte der Geiſtliche, das iſt heute ſein Eh-<lb/>
rentag, auf den er ſich ſchon ſechs Wochen vorher<lb/>
freut. Ueberhaupt giebt es unter den Küſtern noch<lb/>
viele komiſche Figuren, welche ſonſt ſo ſehr jetzt<lb/>
abnehmen. Das beſtändige Anhören hoher und<lb/>
erbaulicher Worte von ihrem Standpuncte der<lb/>
Dienſtbarkeit dabei, das Läuten, das Anſagen der<lb/>
Geburten und Sterbfälle giebt ihrem Weſen einen<lb/>
wunderſamen Schwung, mit welchem nun wieder<lb/>
ihr glücklicher Appetit, oder beſſer zu ſagen, ihre<lb/>
maaßloſe Freßgier ſeltſam contraſtirt. Denn da ſie<lb/>
zu Hauſe nicht viel zu beißen und zu brechen haben,<lb/>ſo verſorgen ſie ſich auf Kindtaufen, Hochzeiten<lb/>
und Leichenſchmäuſen für ganze Wochen, und ver-<lb/>ſchlingen die außerordentlichſten Portionen, aber<lb/>
immer mit einem Anſtriche von Salbung, und nicht<lb/>ſelten die hellen Thränen der Mitfreude oder Mit-<lb/>
trauer in den Augen. Der meinige hat nun zu<lb/>
allen dieſen Standeseigenſchaften noch den Privat-<lb/>
charakter der Feigheit; er iſt ein ausgemachter<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[391/0399]
mit ſolcher Würde und Klugheit benommen, daß
ich ihn jedem bevollmächtigten Miniſter, welcher
eine verwickelte Angelegenheit ſeines Hofes zu
ſchlichten hat, als Muſter empfehlen möchte.
Ja, ſagte der Geiſtliche, das iſt heute ſein Eh-
rentag, auf den er ſich ſchon ſechs Wochen vorher
freut. Ueberhaupt giebt es unter den Küſtern noch
viele komiſche Figuren, welche ſonſt ſo ſehr jetzt
abnehmen. Das beſtändige Anhören hoher und
erbaulicher Worte von ihrem Standpuncte der
Dienſtbarkeit dabei, das Läuten, das Anſagen der
Geburten und Sterbfälle giebt ihrem Weſen einen
wunderſamen Schwung, mit welchem nun wieder
ihr glücklicher Appetit, oder beſſer zu ſagen, ihre
maaßloſe Freßgier ſeltſam contraſtirt. Denn da ſie
zu Hauſe nicht viel zu beißen und zu brechen haben,
ſo verſorgen ſie ſich auf Kindtaufen, Hochzeiten
und Leichenſchmäuſen für ganze Wochen, und ver-
ſchlingen die außerordentlichſten Portionen, aber
immer mit einem Anſtriche von Salbung, und nicht
ſelten die hellen Thränen der Mitfreude oder Mit-
trauer in den Augen. Der meinige hat nun zu
allen dieſen Standeseigenſchaften noch den Privat-
charakter der Feigheit; er iſt ein ausgemachter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/399>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.