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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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ihn bei seinem Namen begrüßend. Der Geistliche
stutzte, fuhr mit der Hand über die Augen, erkannte
jedoch auch den Andern sogleich wieder und freute
sich nicht weniger, ihn zu sehen. Aber -- fügte
er den ersten Grußworten hinzu -- jetzt und hier
ist keine Zeit zur Unterhaltung, kommen Sie nach-
her mit, wenn ich vom Hofe abfahre, dann wollen
wir zusammen plaudern; hier bin ich ein öffentli-
cher Charakter und stehe unter dem Banne des
gebietendsten Ceremoniells. Wir dürfen von ein-
ander keine Notiz nehmen, fügen auch Sie sich
passiv dem Ritual; vor allen Dingen, lachen Sie
über nichts, was Sie sehen, das würde die guten
Leute auf das höchste beleidigen. Und diese alten,
festen Sitten, so seltsam sie aussehen mögen, haben
doch auch immer ihr Ehrwürdiges. -- Sorgen Sie
nicht, versetzte der Jäger, aber ich möchte doch
wissen ... Alles nachher! flüsterte der Geistliche,
nach der Thüre blickend, durch welche so eben der
Hofschulze wieder hereinkam. Er trat vor dem
Jäger, wie vor einem Fremden, zurück.

Der Hofschulze und seine Tochter trugen die
Speisen auf dem Tische, welcher in dieser Stube
gedeckt stand, selbst auf. Da kam eine Hühner-

ihn bei ſeinem Namen begrüßend. Der Geiſtliche
ſtutzte, fuhr mit der Hand über die Augen, erkannte
jedoch auch den Andern ſogleich wieder und freute
ſich nicht weniger, ihn zu ſehen. Aber — fügte
er den erſten Grußworten hinzu — jetzt und hier
iſt keine Zeit zur Unterhaltung, kommen Sie nach-
her mit, wenn ich vom Hofe abfahre, dann wollen
wir zuſammen plaudern; hier bin ich ein öffentli-
cher Charakter und ſtehe unter dem Banne des
gebietendſten Ceremoniells. Wir dürfen von ein-
ander keine Notiz nehmen, fügen auch Sie ſich
paſſiv dem Ritual; vor allen Dingen, lachen Sie
über nichts, was Sie ſehen, das würde die guten
Leute auf das höchſte beleidigen. Und dieſe alten,
feſten Sitten, ſo ſeltſam ſie ausſehen mögen, haben
doch auch immer ihr Ehrwürdiges. — Sorgen Sie
nicht, verſetzte der Jäger, aber ich möchte doch
wiſſen … Alles nachher! flüſterte der Geiſtliche,
nach der Thüre blickend, durch welche ſo eben der
Hofſchulze wieder hereinkam. Er trat vor dem
Jäger, wie vor einem Fremden, zurück.

Der Hofſchulze und ſeine Tochter trugen die
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[379/0387] ihn bei ſeinem Namen begrüßend. Der Geiſtliche ſtutzte, fuhr mit der Hand über die Augen, erkannte jedoch auch den Andern ſogleich wieder und freute ſich nicht weniger, ihn zu ſehen. Aber — fügte er den erſten Grußworten hinzu — jetzt und hier iſt keine Zeit zur Unterhaltung, kommen Sie nach- her mit, wenn ich vom Hofe abfahre, dann wollen wir zuſammen plaudern; hier bin ich ein öffentli- cher Charakter und ſtehe unter dem Banne des gebietendſten Ceremoniells. Wir dürfen von ein- ander keine Notiz nehmen, fügen auch Sie ſich paſſiv dem Ritual; vor allen Dingen, lachen Sie über nichts, was Sie ſehen, das würde die guten Leute auf das höchſte beleidigen. Und dieſe alten, feſten Sitten, ſo ſeltſam ſie ausſehen mögen, haben doch auch immer ihr Ehrwürdiges. — Sorgen Sie nicht, verſetzte der Jäger, aber ich möchte doch wiſſen … Alles nachher! flüſterte der Geiſtliche, nach der Thüre blickend, durch welche ſo eben der Hofſchulze wieder hereinkam. Er trat vor dem Jäger, wie vor einem Fremden, zurück. Der Hofſchulze und ſeine Tochter trugen die Speiſen auf dem Tiſche, welcher in dieſer Stube gedeckt ſtand, ſelbſt auf. Da kam eine Hühner-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/387>, abgerufen am 22.11.2024.