Es war spät Abends und Cassels Bewohner schliefen schon, oder legten sich zu Bett. Auf dem Schlosse aber war es im Cabinett des Für- sten noch hell. Die Soiree war zwar geen- digt, jedoch hielt der alte würdige Herrscher noch einige seiner Auserwählten um sich versammelt. Man hatte sich auf die gewohnte Weise von der Zwischenregierung und von dem wunderbaren Umschwunge der Dinge unterhalten. Der Kurfürst, welcher seine Gardeuniform, Klappenweste und steife Stiefeln trug, stand fest auf das spanische Rohr mit goldnem Knopfe gestützt, und sagte: Es bleibet dabei, Ich agnoscire Nichts von dem, was Mein Verwalter Jerome inzwischen angeordnet hat. Wer darunter leidet, mag sich an Meinen Verwalter halten, dem Wir nicht die Macht gege- ben hatten, auf seinen Kopf neue Sachen einzu- führen, und der mithin bei derartigen Thathandlungen Mandatum excediret hat. Wir wissen wohl, daß Wir dieserwegen der Censur etlicher unruhiger Köpfe unterliegen, aber das läßt Uns völlig unan- gefochten in Unsrem Gewissen, und Wir vertrauen hierinnen gänzlich der göttlichen Providentz, die Uns nach kurzer Ueberwältigung in Unsre Erb-
Es war ſpät Abends und Caſſels Bewohner ſchliefen ſchon, oder legten ſich zu Bett. Auf dem Schloſſe aber war es im Cabinett des Für- ſten noch hell. Die Soirée war zwar geen- digt, jedoch hielt der alte würdige Herrſcher noch einige ſeiner Auserwählten um ſich verſammelt. Man hatte ſich auf die gewohnte Weiſe von der Zwiſchenregierung und von dem wunderbaren Umſchwunge der Dinge unterhalten. Der Kurfürſt, welcher ſeine Gardeuniform, Klappenweſte und ſteife Stiefeln trug, ſtand feſt auf das ſpaniſche Rohr mit goldnem Knopfe geſtützt, und ſagte: Es bleibet dabei, Ich agnoſcire Nichts von dem, was Mein Verwalter Jerome inzwiſchen angeordnet hat. Wer darunter leidet, mag ſich an Meinen Verwalter halten, dem Wir nicht die Macht gege- ben hatten, auf ſeinen Kopf neue Sachen einzu- führen, und der mithin bei derartigen Thathandlungen Mandatum excediret hat. Wir wiſſen wohl, daß Wir dieſerwegen der Cenſur etlicher unruhiger Köpfe unterliegen, aber das läßt Uns völlig unan- gefochten in Unſrem Gewiſſen, und Wir vertrauen hierinnen gänzlich der göttlichen Providentz, die Uns nach kurzer Ueberwältigung in Unſre Erb-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0036"n="28"/><p>Es war ſpät Abends und Caſſels Bewohner<lb/>ſchliefen ſchon, oder legten ſich zu Bett. Auf<lb/>
dem Schloſſe aber war es im Cabinett des Für-<lb/>ſten noch hell. Die Soir<hirendition="#aq">é</hi>e war zwar geen-<lb/>
digt, jedoch hielt der alte würdige Herrſcher noch<lb/>
einige ſeiner Auserwählten um ſich verſammelt.<lb/>
Man hatte ſich auf die gewohnte Weiſe von der<lb/>
Zwiſchenregierung und von dem wunderbaren<lb/>
Umſchwunge der Dinge unterhalten. Der Kurfürſt,<lb/>
welcher ſeine Gardeuniform, Klappenweſte und<lb/>ſteife Stiefeln trug, ſtand feſt auf das ſpaniſche<lb/>
Rohr mit goldnem Knopfe geſtützt, und ſagte:<lb/>
Es bleibet dabei, Ich agnoſcire Nichts von dem,<lb/>
was Mein Verwalter Jerome inzwiſchen angeordnet<lb/>
hat. Wer darunter leidet, mag ſich an Meinen<lb/>
Verwalter halten, dem Wir nicht die Macht gege-<lb/>
ben hatten, auf ſeinen Kopf neue Sachen einzu-<lb/>
führen, und der mithin bei derartigen Thathandlungen<lb/>
Mandatum excediret hat. Wir wiſſen wohl, daß<lb/>
Wir dieſerwegen der Cenſur etlicher unruhiger<lb/>
Köpfe unterliegen, aber das läßt Uns völlig unan-<lb/>
gefochten in Unſrem Gewiſſen, und Wir vertrauen<lb/>
hierinnen gänzlich der göttlichen Providentz, die<lb/>
Uns nach kurzer Ueberwältigung in Unſre Erb-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[28/0036]
Es war ſpät Abends und Caſſels Bewohner
ſchliefen ſchon, oder legten ſich zu Bett. Auf
dem Schloſſe aber war es im Cabinett des Für-
ſten noch hell. Die Soirée war zwar geen-
digt, jedoch hielt der alte würdige Herrſcher noch
einige ſeiner Auserwählten um ſich verſammelt.
Man hatte ſich auf die gewohnte Weiſe von der
Zwiſchenregierung und von dem wunderbaren
Umſchwunge der Dinge unterhalten. Der Kurfürſt,
welcher ſeine Gardeuniform, Klappenweſte und
ſteife Stiefeln trug, ſtand feſt auf das ſpaniſche
Rohr mit goldnem Knopfe geſtützt, und ſagte:
Es bleibet dabei, Ich agnoſcire Nichts von dem,
was Mein Verwalter Jerome inzwiſchen angeordnet
hat. Wer darunter leidet, mag ſich an Meinen
Verwalter halten, dem Wir nicht die Macht gege-
ben hatten, auf ſeinen Kopf neue Sachen einzu-
führen, und der mithin bei derartigen Thathandlungen
Mandatum excediret hat. Wir wiſſen wohl, daß
Wir dieſerwegen der Cenſur etlicher unruhiger
Köpfe unterliegen, aber das läßt Uns völlig unan-
gefochten in Unſrem Gewiſſen, und Wir vertrauen
hierinnen gänzlich der göttlichen Providentz, die
Uns nach kurzer Ueberwältigung in Unſre Erb-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/36>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.