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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Knecht fragte den Schulzen eines Tages, ob das
Korn droben am Stuhl nicht angeschnitten werden
solle, da es vollkommen reif sei? erhielt aber von
seinem Herrn den Bescheid, daß es bis nach der
Hochzeit stehen bleiben müsse. Diese Worte wür-
den dem Jäger nicht weiter aufgefallen seyn, wenn
er damit nicht unwillkührlich den Inhalt eines
Gesprächs in Verbindung gesetzt hätte, dessen unbe-
merkter Ohrenzeuge er kurz zuvor geworden war.

Zwei benachbarte Hofbesitzer, welche seinen
Wirth besuchten, hatten ihn nämlich, so daß der
Jäger es hörte, befragt: Wann das Geding seyn
solle? und zur Antwort erhalten: Am zweiten
Tage nach der Hochzeit, mit dem Hinzufügen, daß
dann zugleich der Schwiegersohn die Loosung empfan-
gen werde. Der junge Mann brachte diese Reden
mit der Schonung des reifen Korns am Freistuhl
in Zusammenhang, ohne gleichwohl die eigentliche
Bedeutung sich klar machen zu können.

Seinerseits sagte der Hofschulze einmal zum
Jäger, als dieser wieder mit leerem Pulverhorn
und leerer Waidtasche in den Hof zurückkehrte:
Wie ist das, junger Herr? Sie treffen ja nie-
malen was?


Knecht fragte den Schulzen eines Tages, ob das
Korn droben am Stuhl nicht angeſchnitten werden
ſolle, da es vollkommen reif ſei? erhielt aber von
ſeinem Herrn den Beſcheid, daß es bis nach der
Hochzeit ſtehen bleiben müſſe. Dieſe Worte wür-
den dem Jäger nicht weiter aufgefallen ſeyn, wenn
er damit nicht unwillkührlich den Inhalt eines
Geſprächs in Verbindung geſetzt hätte, deſſen unbe-
merkter Ohrenzeuge er kurz zuvor geworden war.

Zwei benachbarte Hofbeſitzer, welche ſeinen
Wirth beſuchten, hatten ihn nämlich, ſo daß der
Jäger es hörte, befragt: Wann das Geding ſeyn
ſolle? und zur Antwort erhalten: Am zweiten
Tage nach der Hochzeit, mit dem Hinzufügen, daß
dann zugleich der Schwiegerſohn die Looſung empfan-
gen werde. Der junge Mann brachte dieſe Reden
mit der Schonung des reifen Korns am Freiſtuhl
in Zuſammenhang, ohne gleichwohl die eigentliche
Bedeutung ſich klar machen zu können.

Seinerſeits ſagte der Hofſchulze einmal zum
Jäger, als dieſer wieder mit leerem Pulverhorn
und leerer Waidtaſche in den Hof zurückkehrte:
Wie iſt das, junger Herr? Sie treffen ja nie-
malen was?


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[350/0358] Knecht fragte den Schulzen eines Tages, ob das Korn droben am Stuhl nicht angeſchnitten werden ſolle, da es vollkommen reif ſei? erhielt aber von ſeinem Herrn den Beſcheid, daß es bis nach der Hochzeit ſtehen bleiben müſſe. Dieſe Worte wür- den dem Jäger nicht weiter aufgefallen ſeyn, wenn er damit nicht unwillkührlich den Inhalt eines Geſprächs in Verbindung geſetzt hätte, deſſen unbe- merkter Ohrenzeuge er kurz zuvor geworden war. Zwei benachbarte Hofbeſitzer, welche ſeinen Wirth beſuchten, hatten ihn nämlich, ſo daß der Jäger es hörte, befragt: Wann das Geding ſeyn ſolle? und zur Antwort erhalten: Am zweiten Tage nach der Hochzeit, mit dem Hinzufügen, daß dann zugleich der Schwiegerſohn die Looſung empfan- gen werde. Der junge Mann brachte dieſe Reden mit der Schonung des reifen Korns am Freiſtuhl in Zuſammenhang, ohne gleichwohl die eigentliche Bedeutung ſich klar machen zu können. Seinerſeits ſagte der Hofſchulze einmal zum Jäger, als dieſer wieder mit leerem Pulverhorn und leerer Waidtaſche in den Hof zurückkehrte: Wie iſt das, junger Herr? Sie treffen ja nie- malen was?

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/358>, abgerufen am 25.11.2024.