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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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der Gesellschaft lithographiren lassen. Jeder theile
es im Vertrauen seinen nächsten Bekannten mit,
und so mache es schon die Runde durch die halbe
Stadt.

Ich las und las, und was mich darin betraf,
hätte ich verschmerzen können, ja ich gestehe, daß
ich über Manches lachen mußte. Aber auch Cle-
lia war natürlich nicht darin verschont.

Und das versetzte mich in einen Zorn, der
mich taub und blind und rasend machte. Ich schwor
dem Schelme die schrecklichste Rache. Nun hätte
ich, um diese zu kühlen, mich in seiner Wohnung
auf Lauer legen sollen. Aber da siehst du den
dummen Streich, der sich immer meinem Han-
deln beizumischen pflegt! Einsiegelte ich das litho-
graphirte Blatt und schrieb dem Urheber, ich
werde dann und dann mich bei ihm melden und
Genugthuung fordern, kurz, eine formliche Kriege-
erklärung. Als ich zur bestimmten Stunde nach
seiner Wohnung ging, fand ich das leere Nest;
Hals über Kopf war er abgereist. Ich hielt es
für eine Finte, stürzte nach dem Hause, worin die
geheimnißvollen Zusammenkünste gefeiert wurden,
weil ich ihn dort vermuthete, aber da saßen die

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der Geſellſchaft lithographiren laſſen. Jeder theile
es im Vertrauen ſeinen nächſten Bekannten mit,
und ſo mache es ſchon die Runde durch die halbe
Stadt.

Ich las und las, und was mich darin betraf,
hätte ich verſchmerzen können, ja ich geſtehe, daß
ich über Manches lachen mußte. Aber auch Cle-
lia war natürlich nicht darin verſchont.

Und das verſetzte mich in einen Zorn, der
mich taub und blind und raſend machte. Ich ſchwor
dem Schelme die ſchrecklichſte Rache. Nun hätte
ich, um dieſe zu kühlen, mich in ſeiner Wohnung
auf Lauer legen ſollen. Aber da ſiehſt du den
dummen Streich, der ſich immer meinem Han-
deln beizumiſchen pflegt! Einſiegelte ich das litho-
graphirte Blatt und ſchrieb dem Urheber, ich
werde dann und dann mich bei ihm melden und
Genugthuung fordern, kurz, eine formliche Kriege-
erklärung. Als ich zur beſtimmten Stunde nach
ſeiner Wohnung ging, fand ich das leere Neſt;
Hals über Kopf war er abgereiſt. Ich hielt es
für eine Finte, ſtürzte nach dem Hauſe, worin die
geheimnißvollen Zuſammenkünſte gefeiert wurden,
weil ich ihn dort vermuthete, aber da ſaßen die

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[339/0347] der Geſellſchaft lithographiren laſſen. Jeder theile es im Vertrauen ſeinen nächſten Bekannten mit, und ſo mache es ſchon die Runde durch die halbe Stadt. Ich las und las, und was mich darin betraf, hätte ich verſchmerzen können, ja ich geſtehe, daß ich über Manches lachen mußte. Aber auch Cle- lia war natürlich nicht darin verſchont. Und das verſetzte mich in einen Zorn, der mich taub und blind und raſend machte. Ich ſchwor dem Schelme die ſchrecklichſte Rache. Nun hätte ich, um dieſe zu kühlen, mich in ſeiner Wohnung auf Lauer legen ſollen. Aber da ſiehſt du den dummen Streich, der ſich immer meinem Han- deln beizumiſchen pflegt! Einſiegelte ich das litho- graphirte Blatt und ſchrieb dem Urheber, ich werde dann und dann mich bei ihm melden und Genugthuung fordern, kurz, eine formliche Kriege- erklärung. Als ich zur beſtimmten Stunde nach ſeiner Wohnung ging, fand ich das leere Neſt; Hals über Kopf war er abgereiſt. Ich hielt es für eine Finte, ſtürzte nach dem Hauſe, worin die geheimnißvollen Zuſammenkünſte gefeiert wurden, weil ich ihn dort vermuthete, aber da ſaßen die 22*

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/347>, abgerufen am 22.11.2024.