Nicht Alle werden als Genies, aber dazu wird Jeder geboren, sich sein Schicksal zu machen. Selbst die willkührlichscheinenden Grillen sind zuweilen feste Wegweiser zum Glück. Erinnerst du dich noch des armen Tagelöhners in Ludwigsburg, wel- cher, sonst verständig und fleißig, sich steif und fest einbildete, im Park lägen Granaten, und der zu jeder Freistunde in den Alleen danach suchte, Kiesel und Quarz aufhob und betrachtete? Die Leute hielten ihn für verrückt, und eines Abends fand er in einem der dunkelsten Gänge, eifrigst auf Gra- naten erpicht, eine vollgespickte Brieftasche, die er ehrlich genug war, dem Verlierer einzuhändigen. Dieser belohnte ihn mit einem Geschenke, welches seine Umstände auf Lebenszeit verbesserte. Das Sonderbarste war, daß, sobald jener Fund gethan war, sein Suchetrieb in ihm versiegte.
Ich habe nun auch in mir ganz bestimmte Instincte, denn ich will sie nur geradezu so bei mir nennen. Meine Jagdlust mag ich nicht anführen, denn es bleibt mit der abentheuerlichen Seite der Region, welche ich dir bezeichnete, allerdings immer etwas Mißliches, obgleich ich nicht berge, daß ich des Gedankens nicht Meister werden kann, mein
Nicht Alle werden als Genies, aber dazu wird Jeder geboren, ſich ſein Schickſal zu machen. Selbſt die willkührlichſcheinenden Grillen ſind zuweilen feſte Wegweiſer zum Glück. Erinnerſt du dich noch des armen Tagelöhners in Ludwigsburg, wel- cher, ſonſt verſtändig und fleißig, ſich ſteif und feſt einbildete, im Park lägen Granaten, und der zu jeder Freiſtunde in den Alleen danach ſuchte, Kieſel und Quarz aufhob und betrachtete? Die Leute hielten ihn für verrückt, und eines Abends fand er in einem der dunkelſten Gänge, eifrigſt auf Gra- naten erpicht, eine vollgeſpickte Brieftaſche, die er ehrlich genug war, dem Verlierer einzuhändigen. Dieſer belohnte ihn mit einem Geſchenke, welches ſeine Umſtände auf Lebenszeit verbeſſerte. Das Sonderbarſte war, daß, ſobald jener Fund gethan war, ſein Suchetrieb in ihm verſiegte.
Ich habe nun auch in mir ganz beſtimmte Inſtincte, denn ich will ſie nur geradezu ſo bei mir nennen. Meine Jagdluſt mag ich nicht anführen, denn es bleibt mit der abentheuerlichen Seite der Region, welche ich dir bezeichnete, allerdings immer etwas Mißliches, obgleich ich nicht berge, daß ich des Gedankens nicht Meiſter werden kann, mein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0335"n="327"/>
Nicht Alle werden als Genies, aber dazu wird<lb/>
Jeder geboren, ſich ſein Schickſal zu machen. Selbſt<lb/>
die willkührlichſcheinenden Grillen ſind zuweilen<lb/>
feſte Wegweiſer zum Glück. Erinnerſt du dich<lb/>
noch des armen Tagelöhners in Ludwigsburg, wel-<lb/>
cher, ſonſt verſtändig und fleißig, ſich ſteif und feſt<lb/>
einbildete, im Park lägen Granaten, und der zu<lb/>
jeder Freiſtunde in den Alleen danach ſuchte, Kieſel<lb/>
und Quarz aufhob und betrachtete? Die Leute<lb/>
hielten ihn für verrückt, und eines Abends fand<lb/>
er in einem der dunkelſten Gänge, eifrigſt auf Gra-<lb/>
naten erpicht, eine vollgeſpickte Brieftaſche, die er<lb/>
ehrlich genug war, dem Verlierer einzuhändigen.<lb/>
Dieſer belohnte ihn mit einem Geſchenke, welches<lb/>ſeine Umſtände auf Lebenszeit verbeſſerte. Das<lb/>
Sonderbarſte war, daß, ſobald jener Fund gethan<lb/>
war, ſein Suchetrieb in ihm verſiegte.</p><lb/><p>Ich habe nun auch in mir ganz beſtimmte<lb/>
Inſtincte, denn ich will ſie nur geradezu ſo bei mir<lb/>
nennen. Meine Jagdluſt mag ich nicht anführen,<lb/>
denn es bleibt mit der abentheuerlichen Seite der<lb/>
Region, welche ich dir bezeichnete, allerdings immer<lb/>
etwas Mißliches, obgleich ich nicht berge, daß ich<lb/>
des Gedankens nicht Meiſter werden kann, mein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[327/0335]
Nicht Alle werden als Genies, aber dazu wird
Jeder geboren, ſich ſein Schickſal zu machen. Selbſt
die willkührlichſcheinenden Grillen ſind zuweilen
feſte Wegweiſer zum Glück. Erinnerſt du dich
noch des armen Tagelöhners in Ludwigsburg, wel-
cher, ſonſt verſtändig und fleißig, ſich ſteif und feſt
einbildete, im Park lägen Granaten, und der zu
jeder Freiſtunde in den Alleen danach ſuchte, Kieſel
und Quarz aufhob und betrachtete? Die Leute
hielten ihn für verrückt, und eines Abends fand
er in einem der dunkelſten Gänge, eifrigſt auf Gra-
naten erpicht, eine vollgeſpickte Brieftaſche, die er
ehrlich genug war, dem Verlierer einzuhändigen.
Dieſer belohnte ihn mit einem Geſchenke, welches
ſeine Umſtände auf Lebenszeit verbeſſerte. Das
Sonderbarſte war, daß, ſobald jener Fund gethan
war, ſein Suchetrieb in ihm verſiegte.
Ich habe nun auch in mir ganz beſtimmte
Inſtincte, denn ich will ſie nur geradezu ſo bei mir
nennen. Meine Jagdluſt mag ich nicht anführen,
denn es bleibt mit der abentheuerlichen Seite der
Region, welche ich dir bezeichnete, allerdings immer
etwas Mißliches, obgleich ich nicht berge, daß ich
des Gedankens nicht Meiſter werden kann, mein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/335>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.