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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Da werde ich schon Glück haben. Er wollte in
einer Laune, die ihn plötzlich anstieß, sich das Nacht-
häubchen aufsetzen, es war aber viel zu klein für
sein Haupt. Er maaß an der Zerknitterung der
Bänder das Oval des Gesichtes ab und fand dieses
ohne Tadel. Das Röckchen deutete auf den zier-
lichsten Leib und das Tüchlein ließ nach den Fal-
ten und nach der Beugung, die es behalten, ver-
muthen, daß unter ihm ein junger, runder Busen
geschlagen habe. Plötzlich aber erröthete er unter
diesen Spielereien bis hoch hinauf zu den Schläfen,
er schämte sich ihrer, die ihn freventlich bedünken
wollten, er stellte den Stuhl mit den Kleidungs-
stücken hinter einen Schirm, um sie nicht ferner
zu sehen, und setzte sich zum Schreiben nieder, die
schweifenden Gedanken in Ordnung zu bringen.

Als er Abends in den Flur hinunter zum
Essen gerufen wurde, fand er die Knechte und
Mägde, die ihr Abendbrod schon früher genossen
hatten, im vollen Erzählen um den Hofschulzen.

Dieser hatte auch bereits seinen Sallat verzehrt,
hörte zu, und bestätigte oder bestritt, was seine
Moralschüler vorbrachten. Der rothhaarige Knecht,
welcher die Warnung vor dem Zanken erhalten

Da werde ich ſchon Glück haben. Er wollte in
einer Laune, die ihn plötzlich anſtieß, ſich das Nacht-
häubchen aufſetzen, es war aber viel zu klein für
ſein Haupt. Er maaß an der Zerknitterung der
Bänder das Oval des Geſichtes ab und fand dieſes
ohne Tadel. Das Röckchen deutete auf den zier-
lichſten Leib und das Tüchlein ließ nach den Fal-
ten und nach der Beugung, die es behalten, ver-
muthen, daß unter ihm ein junger, runder Buſen
geſchlagen habe. Plötzlich aber erröthete er unter
dieſen Spielereien bis hoch hinauf zu den Schläfen,
er ſchämte ſich ihrer, die ihn freventlich bedünken
wollten, er ſtellte den Stuhl mit den Kleidungs-
ſtücken hinter einen Schirm, um ſie nicht ferner
zu ſehen, und ſetzte ſich zum Schreiben nieder, die
ſchweifenden Gedanken in Ordnung zu bringen.

Als er Abends in den Flur hinunter zum
Eſſen gerufen wurde, fand er die Knechte und
Mägde, die ihr Abendbrod ſchon früher genoſſen
hatten, im vollen Erzählen um den Hofſchulzen.

Dieſer hatte auch bereits ſeinen Sallat verzehrt,
hörte zu, und beſtätigte oder beſtritt, was ſeine
Moralſchüler vorbrachten. Der rothhaarige Knecht,
welcher die Warnung vor dem Zanken erhalten

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[316/0324] Da werde ich ſchon Glück haben. Er wollte in einer Laune, die ihn plötzlich anſtieß, ſich das Nacht- häubchen aufſetzen, es war aber viel zu klein für ſein Haupt. Er maaß an der Zerknitterung der Bänder das Oval des Geſichtes ab und fand dieſes ohne Tadel. Das Röckchen deutete auf den zier- lichſten Leib und das Tüchlein ließ nach den Fal- ten und nach der Beugung, die es behalten, ver- muthen, daß unter ihm ein junger, runder Buſen geſchlagen habe. Plötzlich aber erröthete er unter dieſen Spielereien bis hoch hinauf zu den Schläfen, er ſchämte ſich ihrer, die ihn freventlich bedünken wollten, er ſtellte den Stuhl mit den Kleidungs- ſtücken hinter einen Schirm, um ſie nicht ferner zu ſehen, und ſetzte ſich zum Schreiben nieder, die ſchweifenden Gedanken in Ordnung zu bringen. Als er Abends in den Flur hinunter zum Eſſen gerufen wurde, fand er die Knechte und Mägde, die ihr Abendbrod ſchon früher genoſſen hatten, im vollen Erzählen um den Hofſchulzen. Dieſer hatte auch bereits ſeinen Sallat verzehrt, hörte zu, und beſtätigte oder beſtritt, was ſeine Moralſchüler vorbrachten. Der rothhaarige Knecht, welcher die Warnung vor dem Zanken erhalten

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/324>, abgerufen am 25.11.2024.