Diese Stelle aus Kindlinger's Münsterischen Beiträgen führt uns auf den Schauplatz der Hand- lung. Sie verdeutlicht uns den Helden der Letz- teren, den Hofschulzen. Er war der Besitzer eines der größten und reichsten Haupt- oder Oberhöfe, welche in den dortigen Gegenden, freilich jetzt bis zu geringer Anzahl zusammengeschmolzen, liegen.
Ueber diese uralten Wehren freier Männer ist der Athem der Zeiten Markenverrückend und Rech- tetilgend hingefahren. Die anfängliche germanische Genossenschaft, in welche Jeder nur eintrat, Leibes und Lebens sicher zu werden, nicht, Leib und Leben zu verlieren, ist längst zerstört; der Vasallendienst hat an der Freiheit gerüttelt, die Ministerialität hat daran gerüttelt, und endlich sind die Trümmer eigenartiger Selbstständigkeit in den großen Noth- und Bergehafen des modernen Staats getrieben worden. In diesem schwimmen sie, (um dem Gleichnisse treu zu bleiben,) stoßen und prallen an einander an, oder sind auch wohl, seitwärts auf das Trockne geworfen. Dort verwittern sie, mit Tang, Flechten und Schneckenhäusern besetzt, nach und nach, während jener Ueberzug den Schein eines neuen Gebildes fortsetzt.
Dieſe Stelle aus Kindlinger’s Münſteriſchen Beiträgen führt uns auf den Schauplatz der Hand- lung. Sie verdeutlicht uns den Helden der Letz- teren, den Hofſchulzen. Er war der Beſitzer eines der größten und reichſten Haupt- oder Oberhöfe, welche in den dortigen Gegenden, freilich jetzt bis zu geringer Anzahl zuſammengeſchmolzen, liegen.
Ueber dieſe uralten Wehren freier Männer iſt der Athem der Zeiten Markenverrückend und Rech- tetilgend hingefahren. Die anfängliche germaniſche Genoſſenſchaft, in welche Jeder nur eintrat, Leibes und Lebens ſicher zu werden, nicht, Leib und Leben zu verlieren, iſt längſt zerſtört; der Vaſallendienſt hat an der Freiheit gerüttelt, die Miniſterialität hat daran gerüttelt, und endlich ſind die Trümmer eigenartiger Selbſtſtändigkeit in den großen Noth- und Bergehafen des modernen Staats getrieben worden. In dieſem ſchwimmen ſie, (um dem Gleichniſſe treu zu bleiben,) ſtoßen und prallen an einander an, oder ſind auch wohl, ſeitwärts auf das Trockne geworfen. Dort verwittern ſie, mit Tang, Flechten und Schneckenhäuſern beſetzt, nach und nach, während jener Ueberzug den Schein eines neuen Gebildes fortſetzt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0300"n="292"/><p>Dieſe Stelle aus Kindlinger’s Münſteriſchen<lb/>
Beiträgen führt uns auf den Schauplatz der Hand-<lb/>
lung. Sie verdeutlicht uns den Helden der Letz-<lb/>
teren, den Hofſchulzen. Er war der Beſitzer eines<lb/>
der größten und reichſten Haupt- oder Oberhöfe,<lb/>
welche in den dortigen Gegenden, freilich jetzt bis<lb/>
zu geringer Anzahl zuſammengeſchmolzen, liegen.</p><lb/><p>Ueber dieſe uralten Wehren freier Männer iſt<lb/>
der Athem der Zeiten Markenverrückend und Rech-<lb/>
tetilgend hingefahren. Die anfängliche germaniſche<lb/>
Genoſſenſchaft, in welche Jeder nur eintrat, Leibes<lb/>
und Lebens ſicher zu werden, nicht, Leib und Leben<lb/>
zu verlieren, iſt längſt zerſtört; der Vaſallendienſt<lb/>
hat an der Freiheit gerüttelt, die Miniſterialität<lb/>
hat daran gerüttelt, und endlich ſind die Trümmer<lb/>
eigenartiger Selbſtſtändigkeit in den großen Noth-<lb/>
und Bergehafen des modernen Staats getrieben<lb/>
worden. In dieſem ſchwimmen ſie, (um dem<lb/>
Gleichniſſe treu zu bleiben,) ſtoßen und prallen an<lb/>
einander an, oder ſind auch wohl, ſeitwärts auf<lb/>
das Trockne geworfen. Dort verwittern ſie, mit<lb/>
Tang, Flechten und Schneckenhäuſern beſetzt, nach<lb/>
und nach, während jener Ueberzug den Schein eines<lb/>
neuen Gebildes fortſetzt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[292/0300]
Dieſe Stelle aus Kindlinger’s Münſteriſchen
Beiträgen führt uns auf den Schauplatz der Hand-
lung. Sie verdeutlicht uns den Helden der Letz-
teren, den Hofſchulzen. Er war der Beſitzer eines
der größten und reichſten Haupt- oder Oberhöfe,
welche in den dortigen Gegenden, freilich jetzt bis
zu geringer Anzahl zuſammengeſchmolzen, liegen.
Ueber dieſe uralten Wehren freier Männer iſt
der Athem der Zeiten Markenverrückend und Rech-
tetilgend hingefahren. Die anfängliche germaniſche
Genoſſenſchaft, in welche Jeder nur eintrat, Leibes
und Lebens ſicher zu werden, nicht, Leib und Leben
zu verlieren, iſt längſt zerſtört; der Vaſallendienſt
hat an der Freiheit gerüttelt, die Miniſterialität
hat daran gerüttelt, und endlich ſind die Trümmer
eigenartiger Selbſtſtändigkeit in den großen Noth-
und Bergehafen des modernen Staats getrieben
worden. In dieſem ſchwimmen ſie, (um dem
Gleichniſſe treu zu bleiben,) ſtoßen und prallen an
einander an, oder ſind auch wohl, ſeitwärts auf
das Trockne geworfen. Dort verwittern ſie, mit
Tang, Flechten und Schneckenhäuſern beſetzt, nach
und nach, während jener Ueberzug den Schein eines
neuen Gebildes fortſetzt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/300>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.