Er wurde mein Dutzbruder, und ich mußte ihm tausend Sachen erzählen, die er mir alle geglaubt hat. Weiter oberhalb nach Nubien zu, unfern der großen Katarakte, stieß mir ein hübsches Aben- theuer mit einem Nilpferde auf. Ich sitze am Strom im Schilf, in naturalibus, wie mich der Herr geschaffen hat, denn anders bin ich in Africa nie gegangen; esse mein Mittagsbrod in guter Ruhe, siehe da, schießt eine Bestie von Hippopo- tamos auf mich zu, und hat mich im Rachen, ehe ich noch rufen kann: Qui vive! Ich indessen nehme in der Geschwindigkeit mein Bischen Geistesgegen- wart zusammen, schreie in dem Rachen, als das Vieh mich eben verschlucken will: Monsieur! Mon- sieur! avec permission, je suis son Altesse telle et telle! Was geschieht? Sie mögen es mir glauben oder nicht: Die gute Seele von Nilpferd spuckt mich auf der Stelle aus, wischt sich die Thränen aus den Augen ...
Womit? Womit? rief der Baron.
... mit einem Palmblatte, welches die ehr- liche Haut in die rechte Vorderpfote nimmt; erröthet, und rennt beschämt davon. So weit haben es Vicekönigs schon in Egypten gebracht, daß selbst
Er wurde mein Dutzbruder, und ich mußte ihm tauſend Sachen erzählen, die er mir alle geglaubt hat. Weiter oberhalb nach Nubien zu, unfern der großen Katarakte, ſtieß mir ein hübſches Aben- theuer mit einem Nilpferde auf. Ich ſitze am Strom im Schilf, in naturalibus, wie mich der Herr geſchaffen hat, denn anders bin ich in Africa nie gegangen; eſſe mein Mittagsbrod in guter Ruhe, ſiehe da, ſchießt eine Beſtie von Hippopo- tamos auf mich zu, und hat mich im Rachen, ehe ich noch rufen kann: Qui vive! Ich indeſſen nehme in der Geſchwindigkeit mein Bischen Geiſtesgegen- wart zuſammen, ſchreie in dem Rachen, als das Vieh mich eben verſchlucken will: Monsieur! Mon- sieur! avec permission, je suis son Altesse telle et telle! Was geſchieht? Sie mögen es mir glauben oder nicht: Die gute Seele von Nilpferd ſpuckt mich auf der Stelle aus, wiſcht ſich die Thränen aus den Augen …
Womit? Womit? rief der Baron.
… mit einem Palmblatte, welches die ehr- liche Haut in die rechte Vorderpfote nimmt; erröthet, und rennt beſchämt davon. So weit haben es Vicekönigs ſchon in Egypten gebracht, daß ſelbſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0029"n="21"/>
Er wurde mein Dutzbruder, und ich mußte ihm<lb/>
tauſend Sachen erzählen, die er mir alle geglaubt<lb/>
hat. Weiter oberhalb nach Nubien zu, unfern der<lb/>
großen Katarakte, ſtieß mir ein hübſches Aben-<lb/>
theuer mit einem Nilpferde auf. Ich ſitze am<lb/>
Strom im Schilf, <hirendition="#aq">in naturalibus,</hi> wie mich der<lb/>
Herr geſchaffen hat, denn anders bin ich in Africa<lb/>
nie gegangen; eſſe mein Mittagsbrod in guter<lb/>
Ruhe, ſiehe da, ſchießt eine Beſtie von Hippopo-<lb/>
tamos auf mich zu, und hat mich im Rachen, ehe<lb/>
ich noch rufen kann: <hirendition="#aq">Qui vive</hi>! Ich indeſſen nehme<lb/>
in der Geſchwindigkeit mein Bischen Geiſtesgegen-<lb/>
wart zuſammen, ſchreie in dem Rachen, als das<lb/>
Vieh mich eben verſchlucken will: <hirendition="#aq">Monsieur! Mon-<lb/>
sieur! avec permission, je suis son Altesse<lb/>
telle et telle</hi>! Was geſchieht? Sie mögen es mir<lb/>
glauben oder nicht: Die gute Seele von Nilpferd<lb/>ſpuckt mich auf der Stelle aus, wiſcht ſich die<lb/>
Thränen aus den Augen …</p><lb/><p>Womit? Womit? rief der Baron.</p><lb/><p>… mit einem Palmblatte, welches die ehr-<lb/>
liche Haut in die rechte Vorderpfote nimmt; erröthet,<lb/>
und rennt beſchämt davon. So weit haben es<lb/>
Vicekönigs ſchon in Egypten gebracht, daß ſelbſt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[21/0029]
Er wurde mein Dutzbruder, und ich mußte ihm
tauſend Sachen erzählen, die er mir alle geglaubt
hat. Weiter oberhalb nach Nubien zu, unfern der
großen Katarakte, ſtieß mir ein hübſches Aben-
theuer mit einem Nilpferde auf. Ich ſitze am
Strom im Schilf, in naturalibus, wie mich der
Herr geſchaffen hat, denn anders bin ich in Africa
nie gegangen; eſſe mein Mittagsbrod in guter
Ruhe, ſiehe da, ſchießt eine Beſtie von Hippopo-
tamos auf mich zu, und hat mich im Rachen, ehe
ich noch rufen kann: Qui vive! Ich indeſſen nehme
in der Geſchwindigkeit mein Bischen Geiſtesgegen-
wart zuſammen, ſchreie in dem Rachen, als das
Vieh mich eben verſchlucken will: Monsieur! Mon-
sieur! avec permission, je suis son Altesse
telle et telle! Was geſchieht? Sie mögen es mir
glauben oder nicht: Die gute Seele von Nilpferd
ſpuckt mich auf der Stelle aus, wiſcht ſich die
Thränen aus den Augen …
Womit? Womit? rief der Baron.
… mit einem Palmblatte, welches die ehr-
liche Haut in die rechte Vorderpfote nimmt; erröthet,
und rennt beſchämt davon. So weit haben es
Vicekönigs ſchon in Egypten gebracht, daß ſelbſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/29>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.