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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Nachdem ich so das Interessante und den Spleen
weg hatte, glückte es mir überall recht sehr. Ich
trug mich bald als Engländer, bald als Neugrieche,
zuweilen lag ich als Dame auf dem Sopha und
hatte Migraine; dabei redete ich ein Kauderwälsch
von Französisch und Deutsch, wie es zu Anfang
des Achtzehnten Jahrhunderts während der großen
Sprachverderbniß Mode war. In jenen wechselnden
Costümen, und in diesem Deutsch, gorge -- de --
pigeon,
bestand das Interessante; was aber den
Spleen angeht, so führte ich immer Kampher bei mir,
um das Geheimniß frisch zu erhalten. Davon bekommt
man nämlich eine blasse Couleur; ich sah bald aus, als
hätte ich schon zehn Jahre im Grabe gelegen. Als ich
mich eines Tages in meinem Toilettenspiegel, deren ich
damals, wo ich der Eitelkeit fröhnte, stäts mehrere
besaß, zu Gesichte bekam, und meine bleiche Farbe
erblickte, ging mir ein lichter Gedanke im Kopfe auf.
Sehe ich nicht wie eine Leiche aus? sagte ich zu
mir selber. Ich will mich den Verstorbenen nen-
nen. Gesagt, gethan! Dieser Einfall hat Wun-
der gewirkt. Einen Verstorbenen hatten die Deut-
schen noch nicht gehabt. Und nun gar ein Ver-
storbener, der so traulich mit ihnen zu plaudern

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Nachdem ich ſo das Intereſſante und den Spleen
weg hatte, glückte es mir überall recht ſehr. Ich
trug mich bald als Engländer, bald als Neugrieche,
zuweilen lag ich als Dame auf dem Sopha und
hatte Migraine; dabei redete ich ein Kauderwälſch
von Franzöſiſch und Deutſch, wie es zu Anfang
des Achtzehnten Jahrhunderts während der großen
Sprachverderbniß Mode war. In jenen wechſelnden
Coſtümen, und in dieſem Deutſch, gorge — de —
pigeon,
beſtand das Intereſſante; was aber den
Spleen angeht, ſo führte ich immer Kampher bei mir,
um das Geheimniß friſch zu erhalten. Davon bekommt
man nämlich eine blaſſe Couleur; ich ſah bald aus, als
hätte ich ſchon zehn Jahre im Grabe gelegen. Als ich
mich eines Tages in meinem Toilettenſpiegel, deren ich
damals, wo ich der Eitelkeit fröhnte, ſtäts mehrere
beſaß, zu Geſichte bekam, und meine bleiche Farbe
erblickte, ging mir ein lichter Gedanke im Kopfe auf.
Sehe ich nicht wie eine Leiche aus? ſagte ich zu
mir ſelber. Ich will mich den Verſtorbenen nen-
nen. Geſagt, gethan! Dieſer Einfall hat Wun-
der gewirkt. Einen Verſtorbenen hatten die Deut-
ſchen noch nicht gehabt. Und nun gar ein Ver-
ſtorbener, der ſo traulich mit ihnen zu plaudern

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[19/0027] Nachdem ich ſo das Intereſſante und den Spleen weg hatte, glückte es mir überall recht ſehr. Ich trug mich bald als Engländer, bald als Neugrieche, zuweilen lag ich als Dame auf dem Sopha und hatte Migraine; dabei redete ich ein Kauderwälſch von Franzöſiſch und Deutſch, wie es zu Anfang des Achtzehnten Jahrhunderts während der großen Sprachverderbniß Mode war. In jenen wechſelnden Coſtümen, und in dieſem Deutſch, gorge — de — pigeon, beſtand das Intereſſante; was aber den Spleen angeht, ſo führte ich immer Kampher bei mir, um das Geheimniß friſch zu erhalten. Davon bekommt man nämlich eine blaſſe Couleur; ich ſah bald aus, als hätte ich ſchon zehn Jahre im Grabe gelegen. Als ich mich eines Tages in meinem Toilettenſpiegel, deren ich damals, wo ich der Eitelkeit fröhnte, ſtäts mehrere beſaß, zu Geſichte bekam, und meine bleiche Farbe erblickte, ging mir ein lichter Gedanke im Kopfe auf. Sehe ich nicht wie eine Leiche aus? ſagte ich zu mir ſelber. Ich will mich den Verſtorbenen nen- nen. Geſagt, gethan! Dieſer Einfall hat Wun- der gewirkt. Einen Verſtorbenen hatten die Deut- ſchen noch nicht gehabt. Und nun gar ein Ver- ſtorbener, der ſo traulich mit ihnen zu plaudern 2*

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/27>, abgerufen am 26.12.2024.