Meine Geschichte muß zu Ende, und da Nie- mand sonst mehr hier ist, so will ich sie Ihnen auserzählen, Herr Schulmeister, sagte der Gast des Schlosses Schnick-Schnack-Schnurr. Hinge- bung und Selbstsucht flutheten wie zwei Ströme durch unser Verhältniß. Ich gab ihr mein Herz, mehr werth, als eine Million, und bekam von ihr manchen Louisd'or. Schöne, freundliche Taille des Lebens, in welcher Beide einsetzten, gewinnend zu verlieren! Daß die Phantasie nicht leer ausginge, ersann ich ein freundlich Mährchen, ich stamme von Fürstenblut ab, sagte ich ihr, sagte es ihr so oft, daß ich es endlich selbst glaubte.
Der Schulmeister warf das Haupt in den Nacken, als habe er einen Schlag vor die Stirne bekom- men. Seine Lippen krämpelten sich zu einer Art von Wulst zusammen; er sah sehr verdrießlich aus.
Münchhausen aber achtete in seinem Feuer die- ses Umstandes nicht. Herrlicher Traum! warum mußte ich aus dir erwachen? rief er. Ich hätte ja Alles gern dulden wollen, das Erkalten der Geliebten, die Entdeckung, daß sie schon Andre vor mir geliebt, und was sonst noch Widerwärtiges an und von ihr? Warum aber mußtest du mich so
Meine Geſchichte muß zu Ende, und da Nie- mand ſonſt mehr hier iſt, ſo will ich ſie Ihnen auserzählen, Herr Schulmeiſter, ſagte der Gaſt des Schloſſes Schnick-Schnack-Schnurr. Hinge- bung und Selbſtſucht flutheten wie zwei Ströme durch unſer Verhältniß. Ich gab ihr mein Herz, mehr werth, als eine Million, und bekam von ihr manchen Louisd’or. Schöne, freundliche Taille des Lebens, in welcher Beide einſetzten, gewinnend zu verlieren! Daß die Phantaſie nicht leer ausginge, erſann ich ein freundlich Mährchen, ich ſtamme von Fürſtenblut ab, ſagte ich ihr, ſagte es ihr ſo oft, daß ich es endlich ſelbſt glaubte.
Der Schulmeiſter warf das Haupt in den Nacken, als habe er einen Schlag vor die Stirne bekom- men. Seine Lippen krämpelten ſich zu einer Art von Wulſt zuſammen; er ſah ſehr verdrießlich aus.
Münchhauſen aber achtete in ſeinem Feuer die- ſes Umſtandes nicht. Herrlicher Traum! warum mußte ich aus dir erwachen? rief er. Ich hätte ja Alles gern dulden wollen, das Erkalten der Geliebten, die Entdeckung, daß ſie ſchon Andre vor mir geliebt, und was ſonſt noch Widerwärtiges an und von ihr? Warum aber mußteſt du mich ſo
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Meine Geſchichte muß zu Ende, und da Nie-
mand ſonſt mehr hier iſt, ſo will ich ſie Ihnen
auserzählen, Herr Schulmeiſter, ſagte der Gaſt
des Schloſſes Schnick-Schnack-Schnurr. Hinge-
bung und Selbſtſucht flutheten wie zwei Ströme
durch unſer Verhältniß. Ich gab ihr mein Herz,
mehr werth, als eine Million, und bekam von ihr
manchen Louisd’or. Schöne, freundliche Taille des
Lebens, in welcher Beide einſetzten, gewinnend zu
verlieren! Daß die Phantaſie nicht leer ausginge,
erſann ich ein freundlich Mährchen, ich ſtamme von
Fürſtenblut ab, ſagte ich ihr, ſagte es ihr ſo oft,
daß ich es endlich ſelbſt glaubte.
Der Schulmeiſter warf das Haupt in den Nacken,
als habe er einen Schlag vor die Stirne bekom-
men. Seine Lippen krämpelten ſich zu einer Art
von Wulſt zuſammen; er ſah ſehr verdrießlich aus.
Münchhauſen aber achtete in ſeinem Feuer die-
ſes Umſtandes nicht. Herrlicher Traum! warum
mußte ich aus dir erwachen? rief er. Ich hätte
ja Alles gern dulden wollen, das Erkalten der
Geliebten, die Entdeckung, daß ſie ſchon Andre vor
mir geliebt, und was ſonſt noch Widerwärtiges an
und von ihr? Warum aber mußteſt du mich ſo
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/240>, abgerufen am 26.11.2024.
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