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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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kaum einmal die Hand gegeben haben. Dennoch
lernte ich von ihr, was Sinnlichkeit sei, nämlich
der gerade Gegensatz von Allem, was die alte
Zweiflerin von sich sehen und hören ließ. Nachher
hat sie freilich in der Welt ausgebreitet, wir wären
sehr zärtlich gewesen; ich hätte, da mein Taufname
zu prosaisch geklungen, ihr Cäsar geheißen, und
was dergleichen Schnurren noch mehr sind, woran
kein wahres Wort ist.

Die Sinnlichkeit hatte ich also nun theoretisch
kennen gelernt, die Wally kam fort, und Seraphine
wurde Köchin. Sie schimpfte gewaltig auf ihre
Vorgängerin und sagte, in ihr erscheine das wahre
ächte weibliche Wesen, wovon Wally nur ein Zerr-
bild gewesen sei. Sie trug einen graugelben Um-
schlagetuch und befand sich leider auch im ehernen
Zeitalter, obgleich sie aus Jung-Deutschland stammte.
Es war ein sonderbares ächt weibliches Wesen,
dieser Seraph Seraphine! Ich schlug aber mit ihr,
oder mit einer Klappe zwei Fliegen, kriegte näm-
lich bei ihr zugleich den Geist und die Empfindung
in der Liebe weg, hatte sonach großen Profit von
ihr, denn ich sparte durch sie ein Semester. Unser
Bündniß kam folgendermaßen zu Stande. Ich

kaum einmal die Hand gegeben haben. Dennoch
lernte ich von ihr, was Sinnlichkeit ſei, nämlich
der gerade Gegenſatz von Allem, was die alte
Zweiflerin von ſich ſehen und hören ließ. Nachher
hat ſie freilich in der Welt ausgebreitet, wir wären
ſehr zärtlich geweſen; ich hätte, da mein Taufname
zu proſaiſch geklungen, ihr Cäſar geheißen, und
was dergleichen Schnurren noch mehr ſind, woran
kein wahres Wort iſt.

Die Sinnlichkeit hatte ich alſo nun theoretiſch
kennen gelernt, die Wally kam fort, und Seraphine
wurde Köchin. Sie ſchimpfte gewaltig auf ihre
Vorgängerin und ſagte, in ihr erſcheine das wahre
ächte weibliche Weſen, wovon Wally nur ein Zerr-
bild geweſen ſei. Sie trug einen graugelben Um-
ſchlagetuch und befand ſich leider auch im ehernen
Zeitalter, obgleich ſie aus Jung-Deutſchland ſtammte.
Es war ein ſonderbares ächt weibliches Weſen,
dieſer Seraph Seraphine! Ich ſchlug aber mit ihr,
oder mit einer Klappe zwei Fliegen, kriegte näm-
lich bei ihr zugleich den Geiſt und die Empfindung
in der Liebe weg, hatte ſonach großen Profit von
ihr, denn ich ſparte durch ſie ein Semeſter. Unſer
Bündniß kam folgendermaßen zu Stande. Ich

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[223/0231] kaum einmal die Hand gegeben haben. Dennoch lernte ich von ihr, was Sinnlichkeit ſei, nämlich der gerade Gegenſatz von Allem, was die alte Zweiflerin von ſich ſehen und hören ließ. Nachher hat ſie freilich in der Welt ausgebreitet, wir wären ſehr zärtlich geweſen; ich hätte, da mein Taufname zu proſaiſch geklungen, ihr Cäſar geheißen, und was dergleichen Schnurren noch mehr ſind, woran kein wahres Wort iſt. Die Sinnlichkeit hatte ich alſo nun theoretiſch kennen gelernt, die Wally kam fort, und Seraphine wurde Köchin. Sie ſchimpfte gewaltig auf ihre Vorgängerin und ſagte, in ihr erſcheine das wahre ächte weibliche Weſen, wovon Wally nur ein Zerr- bild geweſen ſei. Sie trug einen graugelben Um- ſchlagetuch und befand ſich leider auch im ehernen Zeitalter, obgleich ſie aus Jung-Deutſchland ſtammte. Es war ein ſonderbares ächt weibliches Weſen, dieſer Seraph Seraphine! Ich ſchlug aber mit ihr, oder mit einer Klappe zwei Fliegen, kriegte näm- lich bei ihr zugleich den Geiſt und die Empfindung in der Liebe weg, hatte ſonach großen Profit von ihr, denn ich ſparte durch ſie ein Semeſter. Unſer Bündniß kam folgendermaßen zu Stande. Ich

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/231>, abgerufen am 27.11.2024.