Denn diesem blieben die zarten, dem braunen die starken Gefühle zugewiesen.
Sein Gesicht war, wie ich es schon beschrieben habe, nämlich bleich, mit einem gelblichen Anfluge, etwa von der Farbe des Penthelischen Marmors, oder eines in Wachs gesottnen Meerschaumpfeifen- kopfes, der seinen Raucher noch nicht gefunden hat. Stiegen in ihm Affecte auf, welche bei uns Andern ein Erröthen hervorzubringen pflegen, so lief über seine Gesichtsfläche ein grüner Farbenton. Daher hatte der alte Baron auch sehr richtig den Ausdruck: Ergrünen, gebraucht, und wir werden uns desselben ebenfalls bedienen müssen, wenn Münchhausen im Verlaufe dieser Geschichten in Affect gerathen und die Farben wechseln sollte.
Anfangs hatten die Schloßbewohner diese Phä- nomene mit einem geheimen Schrecken betrachtet. Bald indessen tilgten die großen Eigenschaften des Mannes und seine hinreißenden Darstellungen den Schrecken, und es blieb nur eine starke Neugier nach, was es mit jenem Farbenspiele für eine Bewandniß haben möge? Diese Neugier war begreiflicherweise in dem alten Baron am stärk- sten.
Denn dieſem blieben die zarten, dem braunen die ſtarken Gefühle zugewieſen.
Sein Geſicht war, wie ich es ſchon beſchrieben habe, nämlich bleich, mit einem gelblichen Anfluge, etwa von der Farbe des Pentheliſchen Marmors, oder eines in Wachs geſottnen Meerſchaumpfeifen- kopfes, der ſeinen Raucher noch nicht gefunden hat. Stiegen in ihm Affecte auf, welche bei uns Andern ein Erröthen hervorzubringen pflegen, ſo lief über ſeine Geſichtsfläche ein grüner Farbenton. Daher hatte der alte Baron auch ſehr richtig den Ausdruck: Ergrünen, gebraucht, und wir werden uns deſſelben ebenfalls bedienen müſſen, wenn Münchhauſen im Verlaufe dieſer Geſchichten in Affect gerathen und die Farben wechſeln ſollte.
Anfangs hatten die Schloßbewohner dieſe Phä- nomene mit einem geheimen Schrecken betrachtet. Bald indeſſen tilgten die großen Eigenſchaften des Mannes und ſeine hinreißenden Darſtellungen den Schrecken, und es blieb nur eine ſtarke Neugier nach, was es mit jenem Farbenſpiele für eine Bewandniß haben möge? Dieſe Neugier war begreiflicherweiſe in dem alten Baron am ſtärk- ſten.
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Denn dieſem blieben die zarten, dem braunen die
ſtarken Gefühle zugewieſen.
Sein Geſicht war, wie ich es ſchon beſchrieben
habe, nämlich bleich, mit einem gelblichen Anfluge,
etwa von der Farbe des Pentheliſchen Marmors,
oder eines in Wachs geſottnen Meerſchaumpfeifen-
kopfes, der ſeinen Raucher noch nicht gefunden
hat. Stiegen in ihm Affecte auf, welche bei uns
Andern ein Erröthen hervorzubringen pflegen, ſo
lief über ſeine Geſichtsfläche ein grüner Farbenton.
Daher hatte der alte Baron auch ſehr richtig den
Ausdruck: Ergrünen, gebraucht, und wir werden
uns deſſelben ebenfalls bedienen müſſen, wenn
Münchhauſen im Verlaufe dieſer Geſchichten in
Affect gerathen und die Farben wechſeln ſollte.
Anfangs hatten die Schloßbewohner dieſe Phä-
nomene mit einem geheimen Schrecken betrachtet.
Bald indeſſen tilgten die großen Eigenſchaften des
Mannes und ſeine hinreißenden Darſtellungen den
Schrecken, und es blieb nur eine ſtarke Neugier
nach, was es mit jenem Farbenſpiele für eine
Bewandniß haben möge? Dieſe Neugier war
begreiflicherweiſe in dem alten Baron am ſtärk-
ſten.
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/220>, abgerufen am 22.12.2024.
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