weiß, das Schicksal, welches unser Leben wendet, will still erwartet seyn, und darum greift kein un- gestümes Verlangen im Busen der Entwickelung der Tage vor, nein, geduldig harrt der gläubige Sinn des liebenden Weibes auf den seligen Augenblick, da der goldlackirte Wagen vor dem Schlosse halten und der Läufer mit Blumenhut und Schurz in die Thüre springen wird, fragend nach Emerentien, die in den Stunden der Andacht zu Nizza Marce- bille hieß. Aber eine feinfühlende zweite Seele, ein sympathetisches Gemüth wünschest du dir, und darfst du dir wünschen, arme Emerentia, die Qual des Harrens zu lindern! Nun, wie steht es um die Befriedigung dieses Verlangens hier? Welche Personen umgeben dich? Wirst du in deinen Seuf- zern von irgend Jemandem, mit dem dich dein Loos verbunden hat, begriffen? Der gute Vater ist gut, sehr gut, aber lacht er nicht, wenn du ihm die Geheimnisse deiner Brust leise und schamhaft enthüllst? O wie verderblich ist die einseitige Ver- standescultur, welche der Mensch von Journalen empfängt! Wie höhlt sie das Herz aus! Und jener spartanische Pöbelnarr -- -- nein, denke ihn nicht zu Ende, diesen Narren, dessen cynische
weiß, das Schickſal, welches unſer Leben wendet, will ſtill erwartet ſeyn, und darum greift kein un- geſtümes Verlangen im Buſen der Entwickelung der Tage vor, nein, geduldig harrt der gläubige Sinn des liebenden Weibes auf den ſeligen Augenblick, da der goldlackirte Wagen vor dem Schloſſe halten und der Läufer mit Blumenhut und Schurz in die Thüre ſpringen wird, fragend nach Emerentien, die in den Stunden der Andacht zu Nizza Marce- bille hieß. Aber eine feinfühlende zweite Seele, ein ſympathetiſches Gemüth wünſcheſt du dir, und darfſt du dir wünſchen, arme Emerentia, die Qual des Harrens zu lindern! Nun, wie ſteht es um die Befriedigung dieſes Verlangens hier? Welche Perſonen umgeben dich? Wirſt du in deinen Seuf- zern von irgend Jemandem, mit dem dich dein Loos verbunden hat, begriffen? Der gute Vater iſt gut, ſehr gut, aber lacht er nicht, wenn du ihm die Geheimniſſe deiner Bruſt leiſe und ſchamhaft enthüllſt? O wie verderblich iſt die einſeitige Ver- ſtandescultur, welche der Menſch von Journalen empfängt! Wie höhlt ſie das Herz aus! Und jener ſpartaniſche Pöbelnarr — — nein, denke ihn nicht zu Ende, dieſen Narren, deſſen cyniſche
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weiß, das Schickſal, welches unſer Leben wendet,
will ſtill erwartet ſeyn, und darum greift kein un-
geſtümes Verlangen im Buſen der Entwickelung der
Tage vor, nein, geduldig harrt der gläubige Sinn
des liebenden Weibes auf den ſeligen Augenblick,
da der goldlackirte Wagen vor dem Schloſſe halten
und der Läufer mit Blumenhut und Schurz in die
Thüre ſpringen wird, fragend nach Emerentien,
die in den Stunden der Andacht zu Nizza Marce-
bille hieß. Aber eine feinfühlende zweite Seele,
ein ſympathetiſches Gemüth wünſcheſt du dir, und
darfſt du dir wünſchen, arme Emerentia, die Qual
des Harrens zu lindern! Nun, wie ſteht es um
die Befriedigung dieſes Verlangens hier? Welche
Perſonen umgeben dich? Wirſt du in deinen Seuf-
zern von irgend Jemandem, mit dem dich dein
Loos verbunden hat, begriffen? Der gute Vater
iſt gut, ſehr gut, aber lacht er nicht, wenn du ihm
die Geheimniſſe deiner Bruſt leiſe und ſchamhaft
enthüllſt? O wie verderblich iſt die einſeitige Ver-
ſtandescultur, welche der Menſch von Journalen
empfängt! Wie höhlt ſie das Herz aus! Und
jener ſpartaniſche Pöbelnarr — — nein, denke
ihn nicht zu Ende, dieſen Narren, deſſen cyniſche
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/178>, abgerufen am 28.11.2024.
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