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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zu denken, aber alle meine Vorstellungen rannen in ein gestaltenloses Chaos zusammen. Die Glocke zur Frühmette ertönte, der Morgenwind schüttelte den Reif von den Bäumen über mir, ich saß noch auf der Bank vor dem Crucifixe. Als es Tag war, erkundigte ich mich überall nach der polnischen Gräfin *. Niemand kannte sie. Im Fremdenzettel las ich den Namen meines Schwagers nebst Frau. -- Frau? -- Mein Schwager war unverheiratet. Im Gasthofe sagte man mir, er sei nebst seiner Gemahlin abgereiset. Mich trieb es nach Hause. Ein tiefer Widerwille durchdrang mich, dachte ich jener fratzenhaft lustigen Gestalt, welche mir Sidonien vorgespielt hatte, während die Arme, dem Tode Geweihte vor dem Erlöser ihre Reue und ihr blutendes Herz opferte. Voll Erwartung, Bangigkeit, mit geheimem Schrecken reifte ich von Köln ab.

Tröste dich, sagte meine Frau, die mich den ganzen Abend über schon mit ihren Neckereien verfolgt hatte. Du hast den Maskenzug nicht gesehen, du hast auf dem Gürzenich nicht getanzt, aber nach dem, was du mir erzähltest, kannst du doch sagen: ich bin auf dem Karneval gewesen und habe ein Stück vom großen Narrentage mit durchgelebt. -- Es ist wahr, versetzte ich. Ich sah Masken der Zeit, ich war auf dem Mummenschanz der Wirklichkeit. Und an einer Person, die gefoppt wurde,

zu denken, aber alle meine Vorstellungen rannen in ein gestaltenloses Chaos zusammen. Die Glocke zur Frühmette ertönte, der Morgenwind schüttelte den Reif von den Bäumen über mir, ich saß noch auf der Bank vor dem Crucifixe. Als es Tag war, erkundigte ich mich überall nach der polnischen Gräfin *. Niemand kannte sie. Im Fremdenzettel las ich den Namen meines Schwagers nebst Frau. — Frau? — Mein Schwager war unverheiratet. Im Gasthofe sagte man mir, er sei nebst seiner Gemahlin abgereiset. Mich trieb es nach Hause. Ein tiefer Widerwille durchdrang mich, dachte ich jener fratzenhaft lustigen Gestalt, welche mir Sidonien vorgespielt hatte, während die Arme, dem Tode Geweihte vor dem Erlöser ihre Reue und ihr blutendes Herz opferte. Voll Erwartung, Bangigkeit, mit geheimem Schrecken reifte ich von Köln ab.

Tröste dich, sagte meine Frau, die mich den ganzen Abend über schon mit ihren Neckereien verfolgt hatte. Du hast den Maskenzug nicht gesehen, du hast auf dem Gürzenich nicht getanzt, aber nach dem, was du mir erzähltest, kannst du doch sagen: ich bin auf dem Karneval gewesen und habe ein Stück vom großen Narrentage mit durchgelebt. — Es ist wahr, versetzte ich. Ich sah Masken der Zeit, ich war auf dem Mummenschanz der Wirklichkeit. Und an einer Person, die gefoppt wurde,

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[0091] zu denken, aber alle meine Vorstellungen rannen in ein gestaltenloses Chaos zusammen. Die Glocke zur Frühmette ertönte, der Morgenwind schüttelte den Reif von den Bäumen über mir, ich saß noch auf der Bank vor dem Crucifixe. Als es Tag war, erkundigte ich mich überall nach der polnischen Gräfin *. Niemand kannte sie. Im Fremdenzettel las ich den Namen meines Schwagers nebst Frau. — Frau? — Mein Schwager war unverheiratet. Im Gasthofe sagte man mir, er sei nebst seiner Gemahlin abgereiset. Mich trieb es nach Hause. Ein tiefer Widerwille durchdrang mich, dachte ich jener fratzenhaft lustigen Gestalt, welche mir Sidonien vorgespielt hatte, während die Arme, dem Tode Geweihte vor dem Erlöser ihre Reue und ihr blutendes Herz opferte. Voll Erwartung, Bangigkeit, mit geheimem Schrecken reifte ich von Köln ab. Tröste dich, sagte meine Frau, die mich den ganzen Abend über schon mit ihren Neckereien verfolgt hatte. Du hast den Maskenzug nicht gesehen, du hast auf dem Gürzenich nicht getanzt, aber nach dem, was du mir erzähltest, kannst du doch sagen: ich bin auf dem Karneval gewesen und habe ein Stück vom großen Narrentage mit durchgelebt. — Es ist wahr, versetzte ich. Ich sah Masken der Zeit, ich war auf dem Mummenschanz der Wirklichkeit. Und an einer Person, die gefoppt wurde,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/91>, abgerufen am 24.11.2024.