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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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In der erleuchteten Weinstube trat mir der Besitzer entgegen, eine breite, untersetzte Figur mit vergnügten Froschaugen int rothen glänzenden Gesichte. Guten Abend, mein Herr -- schnarrte er pustend, nun es freut mich doch, daß es noch mehr vernünftige Leute giebt, die den Saus und Braus nicht lieben und ein solides Gläschen Wein dem dummen Zeuge vorziehn. Ich sage immer, Kinder, sage ich, stellt euch nur nicht an, als müßtet ihr mit Gewalt in den paar Tagen närrisch werden. Es geht auch ohne dieses, ihr macht das ganze Jahr durch quatsche Streiche, grade so viel, als ein Jeder aufbringen kann. Die ganze Welt ist ein Orchester, wir sind die Instrumente drin! Ja, ja, nichts Neues unter der Sonne! o mein Herr, ein Speisewirth lernt die Menschen kennen.

Ich unterbrach den Strom seiner Rede und forderte lebhaft und dringend ein einsames Stübchen, Austern und Champagner. Der Frosch sah mich lächelnd listig an, gab einem dienstbaren Geiste seine Befehle und sagte, mich vom Kopf bis zum Fuß überschauend: Aha! einsames Stübchen -- Austern -- Champagner -- Sie gehören also in die vierte Classe.

Vierte Classe? fragte ich zerstreut, nach der Thür blickend, durch welche noch nichts kommen wollte. -- Ja, mein Herr, fuhr der Wirth in seiner Peroration fort; bei mir wird Alles nach Classen bedient, nach Uebersichten; ich bin kein Routinier, ich habe ein System, ich werde die nächste Versammlung der Naturforscher besuchen, denn ein Weingast ist doch auch ein Naturprodukt! -- Er

In der erleuchteten Weinstube trat mir der Besitzer entgegen, eine breite, untersetzte Figur mit vergnügten Froschaugen int rothen glänzenden Gesichte. Guten Abend, mein Herr — schnarrte er pustend, nun es freut mich doch, daß es noch mehr vernünftige Leute giebt, die den Saus und Braus nicht lieben und ein solides Gläschen Wein dem dummen Zeuge vorziehn. Ich sage immer, Kinder, sage ich, stellt euch nur nicht an, als müßtet ihr mit Gewalt in den paar Tagen närrisch werden. Es geht auch ohne dieses, ihr macht das ganze Jahr durch quatsche Streiche, grade so viel, als ein Jeder aufbringen kann. Die ganze Welt ist ein Orchester, wir sind die Instrumente drin! Ja, ja, nichts Neues unter der Sonne! o mein Herr, ein Speisewirth lernt die Menschen kennen.

Ich unterbrach den Strom seiner Rede und forderte lebhaft und dringend ein einsames Stübchen, Austern und Champagner. Der Frosch sah mich lächelnd listig an, gab einem dienstbaren Geiste seine Befehle und sagte, mich vom Kopf bis zum Fuß überschauend: Aha! einsames Stübchen — Austern — Champagner — Sie gehören also in die vierte Classe.

Vierte Classe? fragte ich zerstreut, nach der Thür blickend, durch welche noch nichts kommen wollte. — Ja, mein Herr, fuhr der Wirth in seiner Peroration fort; bei mir wird Alles nach Classen bedient, nach Uebersichten; ich bin kein Routinier, ich habe ein System, ich werde die nächste Versammlung der Naturforscher besuchen, denn ein Weingast ist doch auch ein Naturprodukt! — Er

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[0071] In der erleuchteten Weinstube trat mir der Besitzer entgegen, eine breite, untersetzte Figur mit vergnügten Froschaugen int rothen glänzenden Gesichte. Guten Abend, mein Herr — schnarrte er pustend, nun es freut mich doch, daß es noch mehr vernünftige Leute giebt, die den Saus und Braus nicht lieben und ein solides Gläschen Wein dem dummen Zeuge vorziehn. Ich sage immer, Kinder, sage ich, stellt euch nur nicht an, als müßtet ihr mit Gewalt in den paar Tagen närrisch werden. Es geht auch ohne dieses, ihr macht das ganze Jahr durch quatsche Streiche, grade so viel, als ein Jeder aufbringen kann. Die ganze Welt ist ein Orchester, wir sind die Instrumente drin! Ja, ja, nichts Neues unter der Sonne! o mein Herr, ein Speisewirth lernt die Menschen kennen. Ich unterbrach den Strom seiner Rede und forderte lebhaft und dringend ein einsames Stübchen, Austern und Champagner. Der Frosch sah mich lächelnd listig an, gab einem dienstbaren Geiste seine Befehle und sagte, mich vom Kopf bis zum Fuß überschauend: Aha! einsames Stübchen — Austern — Champagner — Sie gehören also in die vierte Classe. Vierte Classe? fragte ich zerstreut, nach der Thür blickend, durch welche noch nichts kommen wollte. — Ja, mein Herr, fuhr der Wirth in seiner Peroration fort; bei mir wird Alles nach Classen bedient, nach Uebersichten; ich bin kein Routinier, ich habe ein System, ich werde die nächste Versammlung der Naturforscher besuchen, denn ein Weingast ist doch auch ein Naturprodukt! — Er

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/71>, abgerufen am 25.11.2024.