Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Trompeten und Pauken entgegen, helle Fenster sahen wie die Augen des Festes hernieder. Ich drängte mich durch das ab und zuströmende Getümmel die Treppe hinauf, ich gelangte in den Vorsaal, dort war ja der Ort, wohin man mich beschieden hatte. Ich musterte die Gärtnerinnen, die Fischerinnen, die Zigeunermädchen, die an mir durch in den Saal zogen; die ich suchte, war nicht darunter. Unter meiner Maske spähte ich umher, endlich bewegte ich mich auch nach dem Tanzsaale, ungeduldig, mit halber Hoffnung. Plötzlich fühle ich, daß mir in die hinabhängende Hand von hinten rasch etwas Metallisches gedrückt wird. Eben so rasch zieht man es zurück. Ich drehe mich um, eine Fledermaus steht vor mir und hält mir den Ring, den ich Sidonien in Ems gegeben hatte, unter die Augen. Sie war es, ich meinte im Himmel zu sein. Bist du's? flüsterte ich ihr zu. -- Sind Sie's? flüsterte sie zurück. Hier das Zeichen! rief ich und streifte mir Sidoniens Brillantring vom Finger, denn ich hatte dieses Kleinod freilich leider doch mitgenommen. Sie nahm den Ring, besah ihn prüfend, steckte ihn an und sagte: Ja, er ist's. Da ist mein Antlitz, rief ich und demaskirte mich. -- Man soll das Glück nicht fragen, woher kommst du? aber wie kann ich, wie mag ich diesen seligen Augenblick begreifen! Was führt dich her? -- Die Thorheit, versetzte sie lachend. Kommen Sie, mein Herr, es ist Fasching, wir wollen einen fröhlichen Abend zusammen haben. -- Sie nahm meinen Arm; ich konnte mich in dieses freie und

Trompeten und Pauken entgegen, helle Fenster sahen wie die Augen des Festes hernieder. Ich drängte mich durch das ab und zuströmende Getümmel die Treppe hinauf, ich gelangte in den Vorsaal, dort war ja der Ort, wohin man mich beschieden hatte. Ich musterte die Gärtnerinnen, die Fischerinnen, die Zigeunermädchen, die an mir durch in den Saal zogen; die ich suchte, war nicht darunter. Unter meiner Maske spähte ich umher, endlich bewegte ich mich auch nach dem Tanzsaale, ungeduldig, mit halber Hoffnung. Plötzlich fühle ich, daß mir in die hinabhängende Hand von hinten rasch etwas Metallisches gedrückt wird. Eben so rasch zieht man es zurück. Ich drehe mich um, eine Fledermaus steht vor mir und hält mir den Ring, den ich Sidonien in Ems gegeben hatte, unter die Augen. Sie war es, ich meinte im Himmel zu sein. Bist du's? flüsterte ich ihr zu. — Sind Sie's? flüsterte sie zurück. Hier das Zeichen! rief ich und streifte mir Sidoniens Brillantring vom Finger, denn ich hatte dieses Kleinod freilich leider doch mitgenommen. Sie nahm den Ring, besah ihn prüfend, steckte ihn an und sagte: Ja, er ist's. Da ist mein Antlitz, rief ich und demaskirte mich. — Man soll das Glück nicht fragen, woher kommst du? aber wie kann ich, wie mag ich diesen seligen Augenblick begreifen! Was führt dich her? — Die Thorheit, versetzte sie lachend. Kommen Sie, mein Herr, es ist Fasching, wir wollen einen fröhlichen Abend zusammen haben. — Sie nahm meinen Arm; ich konnte mich in dieses freie und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="13">
        <p><pb facs="#f0069"/>
Trompeten und Pauken entgegen, helle Fenster sahen wie die Augen des      Festes hernieder. Ich drängte mich durch das ab und zuströmende Getümmel die Treppe hinauf, ich      gelangte in den Vorsaal, dort war ja der Ort, wohin man mich beschieden hatte. Ich musterte die      Gärtnerinnen, die Fischerinnen, die Zigeunermädchen, die an mir durch in den Saal zogen; die      ich suchte, war nicht darunter. Unter meiner Maske spähte ich umher, endlich bewegte ich mich      auch nach dem Tanzsaale, ungeduldig, mit halber Hoffnung. Plötzlich fühle ich, daß mir in die      hinabhängende Hand von hinten rasch etwas Metallisches gedrückt wird. Eben so rasch zieht man      es zurück. Ich drehe mich um, eine Fledermaus steht vor mir und hält mir den Ring, den ich      Sidonien in Ems gegeben hatte, unter die Augen. Sie war es, ich meinte im Himmel zu sein. Bist      du's? flüsterte ich ihr zu. &#x2014; Sind Sie's? flüsterte sie zurück. Hier das Zeichen! rief ich und      streifte mir Sidoniens Brillantring vom Finger, denn ich hatte dieses Kleinod freilich leider      doch mitgenommen. Sie nahm den Ring, besah ihn prüfend, steckte ihn an und sagte: Ja, er ist's.      Da ist mein Antlitz, rief ich und demaskirte mich. &#x2014; Man soll das Glück nicht fragen, woher      kommst du? aber wie kann ich, wie mag ich diesen seligen Augenblick begreifen! Was führt dich      her? &#x2014; Die Thorheit, versetzte sie lachend. Kommen Sie, mein Herr, es ist Fasching, wir wollen      einen fröhlichen Abend zusammen haben. &#x2014; Sie nahm meinen Arm; ich konnte mich in dieses freie      und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0069] Trompeten und Pauken entgegen, helle Fenster sahen wie die Augen des Festes hernieder. Ich drängte mich durch das ab und zuströmende Getümmel die Treppe hinauf, ich gelangte in den Vorsaal, dort war ja der Ort, wohin man mich beschieden hatte. Ich musterte die Gärtnerinnen, die Fischerinnen, die Zigeunermädchen, die an mir durch in den Saal zogen; die ich suchte, war nicht darunter. Unter meiner Maske spähte ich umher, endlich bewegte ich mich auch nach dem Tanzsaale, ungeduldig, mit halber Hoffnung. Plötzlich fühle ich, daß mir in die hinabhängende Hand von hinten rasch etwas Metallisches gedrückt wird. Eben so rasch zieht man es zurück. Ich drehe mich um, eine Fledermaus steht vor mir und hält mir den Ring, den ich Sidonien in Ems gegeben hatte, unter die Augen. Sie war es, ich meinte im Himmel zu sein. Bist du's? flüsterte ich ihr zu. — Sind Sie's? flüsterte sie zurück. Hier das Zeichen! rief ich und streifte mir Sidoniens Brillantring vom Finger, denn ich hatte dieses Kleinod freilich leider doch mitgenommen. Sie nahm den Ring, besah ihn prüfend, steckte ihn an und sagte: Ja, er ist's. Da ist mein Antlitz, rief ich und demaskirte mich. — Man soll das Glück nicht fragen, woher kommst du? aber wie kann ich, wie mag ich diesen seligen Augenblick begreifen! Was führt dich her? — Die Thorheit, versetzte sie lachend. Kommen Sie, mein Herr, es ist Fasching, wir wollen einen fröhlichen Abend zusammen haben. — Sie nahm meinen Arm; ich konnte mich in dieses freie und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/69
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/69>, abgerufen am 22.11.2024.