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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sei, diese Erinnerung erinnerte mich an den Carneval und an die Absicht meiner Reise. Hastig zog ich meine Uhr hervor und meinte vor Verdruß zu vergehn, als ich sah, daß es hoch Mittag war. Ich ließ die beiden Disputanten, sie und unser Gespräch verwünschend, stehn, rannte auf die Straße und suchte noch einige Stücke vom großen Geckentage zu erwischen. Aber Alles war vorbei, die Leute trieben ihre Hantierungen, und die alte tolle Stadt Köln sah so grau und vernünftig aus, wie immer. Nur ein armer blasser und müder Harlequin begegnete mir auf meiner Wanderung, ich fragte ihn ob denn der Maskenzug ganz vorüber sei? Ja, versetzte der Mensch Gott sei Dank, die Strapaze hätten wir einmal wieder gehabt. -- Macht Euch denn die Sache kein Vergnügen? -- O ja, erwiderte Harlequin und gähnte, wenn viele Chikanen vorkommen. -- Chikanen? -- Nun ja, wenn sie dem und jenem eine tüchtige Cabale machen. -- Ah so, rief ich, Ihr meint, wenn recht viel persönliche Persiflage vorkommt. -- Ich weiß nicht, was Sie wollen, erwiderte der verdrossene Harlequin, verstehen Sie denn kein Deutsch? Cabale ist, wenn einer hier sein Hab und Gut verspielt, und sie fahren ihn dann in einem Anzuge von Karten und die Hausnummer und die ersten Buchstaben von seinem Namen auf dem Buckel in der Stadt umher, oder sonst dergleichen Sachen. Ich wollte mir von ihm die Hauptfiguren, die heut erschienen seien, nennen lassen, aber der Mensch wünschte mir, obgleich es hoch Mittag war, eine gute

sei, diese Erinnerung erinnerte mich an den Carneval und an die Absicht meiner Reise. Hastig zog ich meine Uhr hervor und meinte vor Verdruß zu vergehn, als ich sah, daß es hoch Mittag war. Ich ließ die beiden Disputanten, sie und unser Gespräch verwünschend, stehn, rannte auf die Straße und suchte noch einige Stücke vom großen Geckentage zu erwischen. Aber Alles war vorbei, die Leute trieben ihre Hantierungen, und die alte tolle Stadt Köln sah so grau und vernünftig aus, wie immer. Nur ein armer blasser und müder Harlequin begegnete mir auf meiner Wanderung, ich fragte ihn ob denn der Maskenzug ganz vorüber sei? Ja, versetzte der Mensch Gott sei Dank, die Strapaze hätten wir einmal wieder gehabt. — Macht Euch denn die Sache kein Vergnügen? — O ja, erwiderte Harlequin und gähnte, wenn viele Chikanen vorkommen. — Chikanen? — Nun ja, wenn sie dem und jenem eine tüchtige Cabale machen. — Ah so, rief ich, Ihr meint, wenn recht viel persönliche Persiflage vorkommt. — Ich weiß nicht, was Sie wollen, erwiderte der verdrossene Harlequin, verstehen Sie denn kein Deutsch? Cabale ist, wenn einer hier sein Hab und Gut verspielt, und sie fahren ihn dann in einem Anzuge von Karten und die Hausnummer und die ersten Buchstaben von seinem Namen auf dem Buckel in der Stadt umher, oder sonst dergleichen Sachen. Ich wollte mir von ihm die Hauptfiguren, die heut erschienen seien, nennen lassen, aber der Mensch wünschte mir, obgleich es hoch Mittag war, eine gute

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[0067] sei, diese Erinnerung erinnerte mich an den Carneval und an die Absicht meiner Reise. Hastig zog ich meine Uhr hervor und meinte vor Verdruß zu vergehn, als ich sah, daß es hoch Mittag war. Ich ließ die beiden Disputanten, sie und unser Gespräch verwünschend, stehn, rannte auf die Straße und suchte noch einige Stücke vom großen Geckentage zu erwischen. Aber Alles war vorbei, die Leute trieben ihre Hantierungen, und die alte tolle Stadt Köln sah so grau und vernünftig aus, wie immer. Nur ein armer blasser und müder Harlequin begegnete mir auf meiner Wanderung, ich fragte ihn ob denn der Maskenzug ganz vorüber sei? Ja, versetzte der Mensch Gott sei Dank, die Strapaze hätten wir einmal wieder gehabt. — Macht Euch denn die Sache kein Vergnügen? — O ja, erwiderte Harlequin und gähnte, wenn viele Chikanen vorkommen. — Chikanen? — Nun ja, wenn sie dem und jenem eine tüchtige Cabale machen. — Ah so, rief ich, Ihr meint, wenn recht viel persönliche Persiflage vorkommt. — Ich weiß nicht, was Sie wollen, erwiderte der verdrossene Harlequin, verstehen Sie denn kein Deutsch? Cabale ist, wenn einer hier sein Hab und Gut verspielt, und sie fahren ihn dann in einem Anzuge von Karten und die Hausnummer und die ersten Buchstaben von seinem Namen auf dem Buckel in der Stadt umher, oder sonst dergleichen Sachen. Ich wollte mir von ihm die Hauptfiguren, die heut erschienen seien, nennen lassen, aber der Mensch wünschte mir, obgleich es hoch Mittag war, eine gute

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/67>, abgerufen am 25.11.2024.