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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Bewegungen erläuternd, feierlich, wie ein Prophet, an: Was sehen wir über uns? den Himmel. Was sehen wir unter uns? die Erde. Eine Darstellung von Himmel und Erde ist der Mensch im Kleinen, der Staat im Großen. Was ist die Tugend der Erde? die Festigkeit, das Unwandelbare. Was macht den Himmel zum Himmel? daß er Alles überschaut, mit den Pfeilen seines Lichts und den Blicken seiner Sonne die starren Formationen unter ihm erleuchtend und erwärmend durchdringt. Abbild der Erde, der Masse, sind im Staate die Regierten, Sinnbild des Himmels ist der Monarch. So war es, so muß es wieder werden. Einen Damm müssen wir bauen, den unruhig vorwärtsrauschenden Wogen entgegen, da soll die Wuth der aufgeregten bösen Elemente ihr Ziel finden. Von Gott entspringt alles Regiment, in jedem Gesetze, in jedem urkundlichen Rechte, in der letzten gesellschaftlichen Einrichtung ist Gott sichtbar geworden. Höchste Achtung, unbedingte Verehrung allem Bestehenden! Nicht das soll gelten, was jeder heiße Kopf sich Recht benennt, sondern das Geltende soll Recht sein. Diese krummen Straßen Kölns -- auch sie sind geoffenbarte Wege; Gott hat sie nun einmal nicht anders als krumm gewollt, es kommt der Tag, der die Allweisheit auch darin kund thun wird. Und folgendergestalt erbaue ich den Staat. -- Erstlich von unten heraufwachsend alle Gebilde, fest, abgerundet, unveränderlich. Geschlossene Bauerngüter, erbend vom Vater zum Sohn auf den Aeltesten, nicht zu zerstückeln, nicht zu

Bewegungen erläuternd, feierlich, wie ein Prophet, an: Was sehen wir über uns? den Himmel. Was sehen wir unter uns? die Erde. Eine Darstellung von Himmel und Erde ist der Mensch im Kleinen, der Staat im Großen. Was ist die Tugend der Erde? die Festigkeit, das Unwandelbare. Was macht den Himmel zum Himmel? daß er Alles überschaut, mit den Pfeilen seines Lichts und den Blicken seiner Sonne die starren Formationen unter ihm erleuchtend und erwärmend durchdringt. Abbild der Erde, der Masse, sind im Staate die Regierten, Sinnbild des Himmels ist der Monarch. So war es, so muß es wieder werden. Einen Damm müssen wir bauen, den unruhig vorwärtsrauschenden Wogen entgegen, da soll die Wuth der aufgeregten bösen Elemente ihr Ziel finden. Von Gott entspringt alles Regiment, in jedem Gesetze, in jedem urkundlichen Rechte, in der letzten gesellschaftlichen Einrichtung ist Gott sichtbar geworden. Höchste Achtung, unbedingte Verehrung allem Bestehenden! Nicht das soll gelten, was jeder heiße Kopf sich Recht benennt, sondern das Geltende soll Recht sein. Diese krummen Straßen Kölns — auch sie sind geoffenbarte Wege; Gott hat sie nun einmal nicht anders als krumm gewollt, es kommt der Tag, der die Allweisheit auch darin kund thun wird. Und folgendergestalt erbaue ich den Staat. — Erstlich von unten heraufwachsend alle Gebilde, fest, abgerundet, unveränderlich. Geschlossene Bauerngüter, erbend vom Vater zum Sohn auf den Aeltesten, nicht zu zerstückeln, nicht zu

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[0062] Bewegungen erläuternd, feierlich, wie ein Prophet, an: Was sehen wir über uns? den Himmel. Was sehen wir unter uns? die Erde. Eine Darstellung von Himmel und Erde ist der Mensch im Kleinen, der Staat im Großen. Was ist die Tugend der Erde? die Festigkeit, das Unwandelbare. Was macht den Himmel zum Himmel? daß er Alles überschaut, mit den Pfeilen seines Lichts und den Blicken seiner Sonne die starren Formationen unter ihm erleuchtend und erwärmend durchdringt. Abbild der Erde, der Masse, sind im Staate die Regierten, Sinnbild des Himmels ist der Monarch. So war es, so muß es wieder werden. Einen Damm müssen wir bauen, den unruhig vorwärtsrauschenden Wogen entgegen, da soll die Wuth der aufgeregten bösen Elemente ihr Ziel finden. Von Gott entspringt alles Regiment, in jedem Gesetze, in jedem urkundlichen Rechte, in der letzten gesellschaftlichen Einrichtung ist Gott sichtbar geworden. Höchste Achtung, unbedingte Verehrung allem Bestehenden! Nicht das soll gelten, was jeder heiße Kopf sich Recht benennt, sondern das Geltende soll Recht sein. Diese krummen Straßen Kölns — auch sie sind geoffenbarte Wege; Gott hat sie nun einmal nicht anders als krumm gewollt, es kommt der Tag, der die Allweisheit auch darin kund thun wird. Und folgendergestalt erbaue ich den Staat. — Erstlich von unten heraufwachsend alle Gebilde, fest, abgerundet, unveränderlich. Geschlossene Bauerngüter, erbend vom Vater zum Sohn auf den Aeltesten, nicht zu zerstückeln, nicht zu

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/62>, abgerufen am 22.11.2024.