Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.abziehen, er kann mir Nichts thun, meine Seele gehört Gott Bei ihrer am 24. Februar 1845 erfolgten Aufnahme in abziehen, er kann mir Nichts thun, meine Seele gehoͤrt Gott Bei ihrer am 24. Februar 1845 erfolgten Aufnahme in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0084" n="76"/> abziehen, er kann mir Nichts thun, meine Seele gehoͤrt Gott<lb/> dem Herrn. In dem aͤrztlichen Zeugniſſe, welches ihre Auf¬<lb/> nahme in die Charité bewirkte, wird hieruͤber bemerkt, ſie<lb/> habe geaͤußert, daß ſie von Teufeln umſchwaͤrmt und geſchla¬<lb/> gen werde, und daß ſie nur durch ihr eifriges Gebet Ruhe<lb/> erlangt habe; zugleich ſei ihr der Vorſteher der Wiedertaͤufer<lb/> in einem hellen Punkte erſchienen. Bei zunehmender Angſt<lb/> uͤber die vermeintlich boͤſen Abſichten der Anweſenden und bei<lb/> dem ſehnſuͤchtigen Verlangen nach Befreiung von ihren Lei¬<lb/> den, dem niemals Genuͤge geleiſtet wurde, war es ihr zuletzt,<lb/> als ob ihr der Odem ausgehe. Erſt als Anſtalten zu ihrem<lb/> Transporte nach der Charité getroffen wurden, empfand ſie<lb/> Ruhe, als ob der boͤſe Feind von ihr gewichen ſei; aber na¬<lb/> tuͤrlich konnte bei der Groͤße ihres Seelen- und Koͤrperleidens<lb/> dieſe Erleichterung nicht dauernd ſein.</p><lb/> <p>Bei ihrer am 24. Februar 1845 erfolgten Aufnahme in<lb/> die Irrenabtheilung befand ſie ſich wieder in großer Angſt; ſie<lb/> erklaͤrte ſich fuͤr eine ſchwere Suͤnderin, und glaubte Teufel<lb/> um ſich zu erblicken, welche ſich ihrer bemaͤchtigen wollten.<lb/> Die große Verworrenheit ihres Geiſtes geſtattete kein fortge¬<lb/> ſetztes Geſpraͤch mit ihr, und als ſie ſpaͤter zu groͤßerer Ruhe<lb/> und Beſinnung zuruͤckgekehrt war, blieb nur eine dunkle Er¬<lb/> innerung an jene Wahnvorſtellungen. Noch brachte ſie die<lb/> naͤchſte Nacht in aͤußerſter Unruhe zu, ſprach viel von began¬<lb/> genen ſchweren Suͤnden, forderte Gebetbuͤcher, und war auch<lb/> noch waͤhrend der naͤchſten Tage auf gleiche Weiſe in hohem<lb/> Grade befangen und beklommen. Indeß unter der Anwen¬<lb/> dung von lauwarmen Baͤdern mit kalten Uebergießungen uͤber<lb/> den Kopf und von gelinden Abfuͤhrungen trat bald eine auf¬<lb/> fallende Beſſerung ein; ſie ſchlief in den Naͤchten ſehr feſt,<lb/> wurde mit jedem Tage ruhiger, und ſchon im Verlaufe des<lb/> naͤchſten Monats waren alle koͤrperlichen Beſchwerden gaͤnzlich<lb/> gewichen. Als ſie uͤber ihren Zuſtand ſich naͤher erklaͤren<lb/> konnte, ſprach ſie es beſtimmt aus, daß ſie noch immer un¬<lb/> ter der despotiſchen Macht der Wiedertaͤufer zu ſtehen glaubte,<lb/> wobei ſie erwaͤhnte, daß ſie Gott eifrig um Befreiung von der¬<lb/> ſelben angefleht habe. Es kamen hierbei die meiſten oben<lb/> mitgetheilten Thatſachen zur Sprache, wobei es ſich offenbarte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0084]
abziehen, er kann mir Nichts thun, meine Seele gehoͤrt Gott
dem Herrn. In dem aͤrztlichen Zeugniſſe, welches ihre Auf¬
nahme in die Charité bewirkte, wird hieruͤber bemerkt, ſie
habe geaͤußert, daß ſie von Teufeln umſchwaͤrmt und geſchla¬
gen werde, und daß ſie nur durch ihr eifriges Gebet Ruhe
erlangt habe; zugleich ſei ihr der Vorſteher der Wiedertaͤufer
in einem hellen Punkte erſchienen. Bei zunehmender Angſt
uͤber die vermeintlich boͤſen Abſichten der Anweſenden und bei
dem ſehnſuͤchtigen Verlangen nach Befreiung von ihren Lei¬
den, dem niemals Genuͤge geleiſtet wurde, war es ihr zuletzt,
als ob ihr der Odem ausgehe. Erſt als Anſtalten zu ihrem
Transporte nach der Charité getroffen wurden, empfand ſie
Ruhe, als ob der boͤſe Feind von ihr gewichen ſei; aber na¬
tuͤrlich konnte bei der Groͤße ihres Seelen- und Koͤrperleidens
dieſe Erleichterung nicht dauernd ſein.
Bei ihrer am 24. Februar 1845 erfolgten Aufnahme in
die Irrenabtheilung befand ſie ſich wieder in großer Angſt; ſie
erklaͤrte ſich fuͤr eine ſchwere Suͤnderin, und glaubte Teufel
um ſich zu erblicken, welche ſich ihrer bemaͤchtigen wollten.
Die große Verworrenheit ihres Geiſtes geſtattete kein fortge¬
ſetztes Geſpraͤch mit ihr, und als ſie ſpaͤter zu groͤßerer Ruhe
und Beſinnung zuruͤckgekehrt war, blieb nur eine dunkle Er¬
innerung an jene Wahnvorſtellungen. Noch brachte ſie die
naͤchſte Nacht in aͤußerſter Unruhe zu, ſprach viel von began¬
genen ſchweren Suͤnden, forderte Gebetbuͤcher, und war auch
noch waͤhrend der naͤchſten Tage auf gleiche Weiſe in hohem
Grade befangen und beklommen. Indeß unter der Anwen¬
dung von lauwarmen Baͤdern mit kalten Uebergießungen uͤber
den Kopf und von gelinden Abfuͤhrungen trat bald eine auf¬
fallende Beſſerung ein; ſie ſchlief in den Naͤchten ſehr feſt,
wurde mit jedem Tage ruhiger, und ſchon im Verlaufe des
naͤchſten Monats waren alle koͤrperlichen Beſchwerden gaͤnzlich
gewichen. Als ſie uͤber ihren Zuſtand ſich naͤher erklaͤren
konnte, ſprach ſie es beſtimmt aus, daß ſie noch immer un¬
ter der despotiſchen Macht der Wiedertaͤufer zu ſtehen glaubte,
wobei ſie erwaͤhnte, daß ſie Gott eifrig um Befreiung von der¬
ſelben angefleht habe. Es kamen hierbei die meiſten oben
mitgetheilten Thatſachen zur Sprache, wobei es ſich offenbarte,
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