lungen, und übergab während ihrer Abwesenheit einem Kinde die Aufsicht, welches durch zu starkes Heizen des eisernen Ofens nicht nur die Fieberhitze der W. bis zu einem uner¬ träglichen Grade steigerte, sondern ihr auch eine große Furcht vor Feuersbrunst einflößte. Bei zunehmender Entkräftung stand sie daher eine große Angst aus; die Vorstellung des nahen Todes, welchen sie bis dahin nicht erwartet hatte, trat ihr immer lebendiger vor die Seele, indeß suchte sie sich darüber mit dem Gedanken zu trösten, daß sie mit dem Le¬ ben nicht viel verliere. Das vorherrschende Gefühl blieb aber der Widerwille gegen die Wiedertäufer, von denen sie sich auf eine pflichtvergessene Weise verlassen glaubte. Allmählig fing ihr die deutliche Besinnung an zu schwinden, und es kam ihr vor, als ob sie in einer dunklen Höhle liege, und dabei war ihr so gräßlich zu Muthe, daß es sich gar nicht beschreiben ließ. Nur zuweilen schreckte sie aus ihrer Betäubung auf, und sie glaubte dann Zwiegespräche von mehreren Personen in ihrem Zimmer zu hören, von denen sie indeß so wenig verstand, daß ihre Gedankenverwirrung dadurch noch vermehrt wurde. Dabei wurde ihr Schaamgefühl durch die Anwesen¬ heit eines Mannes verletzt, und ein fortwährendes Getöse im Hause, wie wenn Thüren heftig zugeworfen würden, ver¬ muthlich eine Sinnestäuschung, erhielt sie in steter Unruhe. In wiefern es gegründet sein mag, daß ein Anwesender sie für eine Abtrünnige von Gott erklärt und zur Buße aufge¬ fordert habe, muß auf sich beruhen, wenn es auch viel wahr¬ scheinlicher ist, daß eine solche noch dunkel vor ihrer Seele schwebende Scene eine leere Ausgeburt ihrer Phantasie war, deren Schreckbilder aus dem finsteren Hintergrunde ihres Be¬ wußtseins hervortraten. Die Anwesenden erschienen ihr als zwei einander feindlich gesinnte Partheien, deren Unversöhn¬ lichkeit sie im innersten Herzen beklagte, und damit die Vor¬ stellung verband, wenn die Menschen nicht auf Erden in Frie¬ den zusammen lebten, so könnten sie noch weniger in der Ewigkeit mit Gott versöhnt sein. Ja sie sah hierin eine wahre Versuchungsgeschichte, als ob der böse Feind mit ihr sein Spiel triebe, und ihre Schwächen mißbrauchen wolle, und brach zuletzt in die Worte aus: der Teufel muß doch
lungen, und uͤbergab waͤhrend ihrer Abweſenheit einem Kinde die Aufſicht, welches durch zu ſtarkes Heizen des eiſernen Ofens nicht nur die Fieberhitze der W. bis zu einem uner¬ traͤglichen Grade ſteigerte, ſondern ihr auch eine große Furcht vor Feuersbrunſt einfloͤßte. Bei zunehmender Entkraͤftung ſtand ſie daher eine große Angſt aus; die Vorſtellung des nahen Todes, welchen ſie bis dahin nicht erwartet hatte, trat ihr immer lebendiger vor die Seele, indeß ſuchte ſie ſich daruͤber mit dem Gedanken zu troͤſten, daß ſie mit dem Le¬ ben nicht viel verliere. Das vorherrſchende Gefuͤhl blieb aber der Widerwille gegen die Wiedertaͤufer, von denen ſie ſich auf eine pflichtvergeſſene Weiſe verlaſſen glaubte. Allmaͤhlig fing ihr die deutliche Beſinnung an zu ſchwinden, und es kam ihr vor, als ob ſie in einer dunklen Hoͤhle liege, und dabei war ihr ſo graͤßlich zu Muthe, daß es ſich gar nicht beſchreiben ließ. Nur zuweilen ſchreckte ſie aus ihrer Betaͤubung auf, und ſie glaubte dann Zwiegeſpraͤche von mehreren Perſonen in ihrem Zimmer zu hoͤren, von denen ſie indeß ſo wenig verſtand, daß ihre Gedankenverwirrung dadurch noch vermehrt wurde. Dabei wurde ihr Schaamgefuͤhl durch die Anweſen¬ heit eines Mannes verletzt, und ein fortwaͤhrendes Getoͤſe im Hauſe, wie wenn Thuͤren heftig zugeworfen wuͤrden, ver¬ muthlich eine Sinnestaͤuſchung, erhielt ſie in ſteter Unruhe. In wiefern es gegruͤndet ſein mag, daß ein Anweſender ſie fuͤr eine Abtruͤnnige von Gott erklaͤrt und zur Buße aufge¬ fordert habe, muß auf ſich beruhen, wenn es auch viel wahr¬ ſcheinlicher iſt, daß eine ſolche noch dunkel vor ihrer Seele ſchwebende Scene eine leere Ausgeburt ihrer Phantaſie war, deren Schreckbilder aus dem finſteren Hintergrunde ihres Be¬ wußtſeins hervortraten. Die Anweſenden erſchienen ihr als zwei einander feindlich geſinnte Partheien, deren Unverſoͤhn¬ lichkeit ſie im innerſten Herzen beklagte, und damit die Vor¬ ſtellung verband, wenn die Menſchen nicht auf Erden in Frie¬ den zuſammen lebten, ſo koͤnnten ſie noch weniger in der Ewigkeit mit Gott verſoͤhnt ſein. Ja ſie ſah hierin eine wahre Verſuchungsgeſchichte, als ob der boͤſe Feind mit ihr ſein Spiel triebe, und ihre Schwaͤchen mißbrauchen wolle, und brach zuletzt in die Worte aus: der Teufel muß doch
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lungen, und uͤbergab waͤhrend ihrer Abweſenheit einem Kinde
die Aufſicht, welches durch zu ſtarkes Heizen des eiſernen
Ofens nicht nur die Fieberhitze der W. bis zu einem uner¬
traͤglichen Grade ſteigerte, ſondern ihr auch eine große Furcht
vor Feuersbrunſt einfloͤßte. Bei zunehmender Entkraͤftung
ſtand ſie daher eine große Angſt aus; die Vorſtellung des
nahen Todes, welchen ſie bis dahin nicht erwartet hatte,
trat ihr immer lebendiger vor die Seele, indeß ſuchte ſie ſich
daruͤber mit dem Gedanken zu troͤſten, daß ſie mit dem Le¬
ben nicht viel verliere. Das vorherrſchende Gefuͤhl blieb aber
der Widerwille gegen die Wiedertaͤufer, von denen ſie ſich auf
eine pflichtvergeſſene Weiſe verlaſſen glaubte. Allmaͤhlig fing
ihr die deutliche Beſinnung an zu ſchwinden, und es kam ihr
vor, als ob ſie in einer dunklen Hoͤhle liege, und dabei war
ihr ſo graͤßlich zu Muthe, daß es ſich gar nicht beſchreiben
ließ. Nur zuweilen ſchreckte ſie aus ihrer Betaͤubung auf,
und ſie glaubte dann Zwiegeſpraͤche von mehreren Perſonen
in ihrem Zimmer zu hoͤren, von denen ſie indeß ſo wenig
verſtand, daß ihre Gedankenverwirrung dadurch noch vermehrt
wurde. Dabei wurde ihr Schaamgefuͤhl durch die Anweſen¬
heit eines Mannes verletzt, und ein fortwaͤhrendes Getoͤſe im
Hauſe, wie wenn Thuͤren heftig zugeworfen wuͤrden, ver¬
muthlich eine Sinnestaͤuſchung, erhielt ſie in ſteter Unruhe.
In wiefern es gegruͤndet ſein mag, daß ein Anweſender ſie
fuͤr eine Abtruͤnnige von Gott erklaͤrt und zur Buße aufge¬
fordert habe, muß auf ſich beruhen, wenn es auch viel wahr¬
ſcheinlicher iſt, daß eine ſolche noch dunkel vor ihrer Seele
ſchwebende Scene eine leere Ausgeburt ihrer Phantaſie war,
deren Schreckbilder aus dem finſteren Hintergrunde ihres Be¬
wußtſeins hervortraten. Die Anweſenden erſchienen ihr als
zwei einander feindlich geſinnte Partheien, deren Unverſoͤhn¬
lichkeit ſie im innerſten Herzen beklagte, und damit die Vor¬
ſtellung verband, wenn die Menſchen nicht auf Erden in Frie¬
den zuſammen lebten, ſo koͤnnten ſie noch weniger in der
Ewigkeit mit Gott verſoͤhnt ſein. Ja ſie ſah hierin eine
wahre Verſuchungsgeſchichte, als ob der boͤſe Feind mit ihr
ſein Spiel triebe, und ihre Schwaͤchen mißbrauchen wolle,
und brach zuletzt in die Worte aus: der Teufel muß doch
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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/83>, abgerufen am 05.07.2024.
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