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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.

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die Wiedertaufe als ein Werkzeug Gottes, um dessen vor neun
Jahren an sie ergangenen Ruf, sich taufen zu lassen, in Er¬
füllung zu bringen. Am 26. Juni in den Morgenstunden
wurde sie vor einem Thore an das Spreeufer geführt, woselbst
die Taufe auf ähnliche Weise wie im vorigen Falle an ihr
vollzogen wurde. Sie befand sich dabei in einer ekstatischen
Stimmung, welche selbst ein leibliches Wohlbehagen hervor¬
brachte, als ob sie auf das Schönste gesalbt in einem weichen
Bette sich befinde. Eine innere Stimme rief ihr zu, sie sei
nun vom bösen Gewissen befreit; und mit dem weißen Tauf¬
zeuge bekleidet, war es ihr, als ob sie Christus gleich einem
heiligen Gewande angelegt habe.

Ihre freudig erregte religiöse Stimmung machte indeß
bald ganz anderen Gefühlen Platz, da sie in fortwährende
Händel mit ihren neuen Glaubensgenossen gerieth, von denen
mehrere eine nur allzu unlautere Gesinnung hegten, obgleich
sie sich selbst in hochmüthiger Selbstverblendung bei jeder Ge¬
legenheit eine Gemeinde von Heiligen nannten. Schon in
den nächsten Tagen richteten zwei Wiedertäuferinnen bei einem
Besuche in ihrer Wohnung im Namen der Gemeinde die For¬
derung an sie, daß sie ihr Hausgeräth verkaufen, und zu ei¬
ner von ihnen beiden ziehen sollte, und entgegneten mit übel
verhehlter Heftigkeit auf ihre bestimmte Weigerung, daß ihr
Herz sich noch nicht vom Irdischen losgerissen habe. Offenbar
lag hierbei eine habsüchtige Intrigue zum Grunde, da andere
Mitglieder der W. die bestimmte Versicherung gaben, daß jene
nicht im Auftrage der Gemeinde gehandelt hätten. Da sie,
einmal aus ihrer Täuschung erwacht, sehr bald den hoffährti¬
gen, streitsüchtigen, gebieterischen Sinn Mehrerer bemerkte, so
wurde sie in ihrem sittlich durchgebildeten Gemüthe bald an
ihren neuen Glaubensgenossen irre, welche sie nicht mehr für
wahre Christen halten konnte. Sie nahm sich daher vor, im
Stillen zu beobachten, und vermied es besonders, an den
Klätschereien Theil zu nehmen, in denen sich Mehrere gegen¬
seitig anschwärzten, um nicht in böse Händel verwickelt zu
werden. Man suchte sie vergeblich über ihre Hausgenossen
auszuforschen, da ihr ein solches Spioniren verhaßt war, und
sie zog sich dadurch ein unverkennbares Uebelwollen zu. Mit

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die Wiedertaufe als ein Werkzeug Gottes, um deſſen vor neun
Jahren an ſie ergangenen Ruf, ſich taufen zu laſſen, in Er¬
fuͤllung zu bringen. Am 26. Juni in den Morgenſtunden
wurde ſie vor einem Thore an das Spreeufer gefuͤhrt, woſelbſt
die Taufe auf aͤhnliche Weiſe wie im vorigen Falle an ihr
vollzogen wurde. Sie befand ſich dabei in einer ekſtatiſchen
Stimmung, welche ſelbſt ein leibliches Wohlbehagen hervor¬
brachte, als ob ſie auf das Schoͤnſte geſalbt in einem weichen
Bette ſich befinde. Eine innere Stimme rief ihr zu, ſie ſei
nun vom boͤſen Gewiſſen befreit; und mit dem weißen Tauf¬
zeuge bekleidet, war es ihr, als ob ſie Chriſtus gleich einem
heiligen Gewande angelegt habe.

Ihre freudig erregte religioͤſe Stimmung machte indeß
bald ganz anderen Gefuͤhlen Platz, da ſie in fortwaͤhrende
Haͤndel mit ihren neuen Glaubensgenoſſen gerieth, von denen
mehrere eine nur allzu unlautere Geſinnung hegten, obgleich
ſie ſich ſelbſt in hochmuͤthiger Selbſtverblendung bei jeder Ge¬
legenheit eine Gemeinde von Heiligen nannten. Schon in
den naͤchſten Tagen richteten zwei Wiedertaͤuferinnen bei einem
Beſuche in ihrer Wohnung im Namen der Gemeinde die For¬
derung an ſie, daß ſie ihr Hausgeraͤth verkaufen, und zu ei¬
ner von ihnen beiden ziehen ſollte, und entgegneten mit uͤbel
verhehlter Heftigkeit auf ihre beſtimmte Weigerung, daß ihr
Herz ſich noch nicht vom Irdiſchen losgeriſſen habe. Offenbar
lag hierbei eine habſuͤchtige Intrigue zum Grunde, da andere
Mitglieder der W. die beſtimmte Verſicherung gaben, daß jene
nicht im Auftrage der Gemeinde gehandelt haͤtten. Da ſie,
einmal aus ihrer Taͤuſchung erwacht, ſehr bald den hoffaͤhrti¬
gen, ſtreitſuͤchtigen, gebieteriſchen Sinn Mehrerer bemerkte, ſo
wurde ſie in ihrem ſittlich durchgebildeten Gemuͤthe bald an
ihren neuen Glaubensgenoſſen irre, welche ſie nicht mehr fuͤr
wahre Chriſten halten konnte. Sie nahm ſich daher vor, im
Stillen zu beobachten, und vermied es beſonders, an den
Klaͤtſchereien Theil zu nehmen, in denen ſich Mehrere gegen¬
ſeitig anſchwaͤrzten, um nicht in boͤſe Haͤndel verwickelt zu
werden. Man ſuchte ſie vergeblich uͤber ihre Hausgenoſſen
auszuforſchen, da ihr ein ſolches Spioniren verhaßt war, und
ſie zog ſich dadurch ein unverkennbares Uebelwollen zu. Mit

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Zitationshilfe: Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/75>, abgerufen am 26.11.2024.