reichte. Auf meine Frage, wie er sich einen Weg zum Sul¬ tan habe bahnen wollen, erzählte er mir, daß er demselben einen Finanzplan zu überreichen willens gewesen sei, welcher aller Noth und Bedrängniß der hohen Pforte ein Ende habe machen können. In Constantinopel gelangte nun sein Wahn zur völligen Reife; denn aus Pera sind alle Aufforderungen an die Herrscher und Völker Europas datirt, welche er, nach Deutschland zurückgekehrt, nebst mancherlei Betrachtungen über Freiheit, Religion, Glaube, Liebe, Gottesdienst, Buße, Bes¬ serung, Gebet, unter dem Titel drucken ließ: Der Mensch als Bürger im Reiche Gottes, sieben Sendschreiben von Zion, nebst einigen Noten aus einem diplomatischen Actenstücke, das Reich Gottes betreffend. Von Siegfried Justus I., König von Israel und Hoherpriester von Jerusalem. Mainz, bei C. G. Kunze. 1832. -- Einige charakteristische Bruchstücke aus dieser Schrift werden es am besten bezeichnen, bis zu welchem Umfange sein Wahn gediehen war, und wie er dem¬ selben eine innere Uebereinstimmung zu geben suchte:
"Denen Kaiserl. Königl. Herzogl. Gesandtschaften der Hohen Mächte Europa's zu Constantinopel theilen Wir hier¬ durch mit, daß die unruhigen Begebenheiten und zeitigen Ereignisse in der Welt als Zeichen dem Reiche Gottes ange¬ hören, welches, indem es im Jahre 1830 nach christlicher Rechnung seinen Anfang genommen hat, in voller Freude und Gerechtigkeit zum Heile aller Könige und Völker einbricht, damit sie hinfort in einer reinen, unumwölkten Atmosphäre den ewigen Frieden genießen. Das Reich Gottes besteht in der moralischen Vereinigung aller Machthaber, von, durch und in Gott, Allerhöchstwelcher sie deshalb um seinen Thron be¬ rufen hat, um sie in seiner absoluten Integrität zu vereini¬ gen. Diese Aufforderung Gottes mit den näheren Verfügun¬ gen ist bereits schon im vorigen Jahre erlassen, und nebst Unsrer Legitimation den Königl. Händen eines frommen und gerechten Regenten übergeben worden. Der Herr Herr will bis ans Ende der Welt seinen allmächtigen Arm offenbaren, mit Israel die Völker frei, und mit der Freiheit der Völker die Macht der Könige vollkommen machen. Der Herr Herr will wiederum kund thun, daß alles Heil von Osten und
reichte. Auf meine Frage, wie er ſich einen Weg zum Sul¬ tan habe bahnen wollen, erzaͤhlte er mir, daß er demſelben einen Finanzplan zu uͤberreichen willens geweſen ſei, welcher aller Noth und Bedraͤngniß der hohen Pforte ein Ende habe machen koͤnnen. In Conſtantinopel gelangte nun ſein Wahn zur voͤlligen Reife; denn aus Pera ſind alle Aufforderungen an die Herrſcher und Voͤlker Europas datirt, welche er, nach Deutſchland zuruͤckgekehrt, nebſt mancherlei Betrachtungen uͤber Freiheit, Religion, Glaube, Liebe, Gottesdienſt, Buße, Beſ¬ ſerung, Gebet, unter dem Titel drucken ließ: Der Menſch als Buͤrger im Reiche Gottes, ſieben Sendſchreiben von Zion, nebſt einigen Noten aus einem diplomatiſchen Actenſtuͤcke, das Reich Gottes betreffend. Von Siegfried Juſtus I., Koͤnig von Israel und Hoherprieſter von Jeruſalem. Mainz, bei C. G. Kunze. 1832. — Einige charakteriſtiſche Bruchſtuͤcke aus dieſer Schrift werden es am beſten bezeichnen, bis zu welchem Umfange ſein Wahn gediehen war, und wie er dem¬ ſelben eine innere Uebereinſtimmung zu geben ſuchte:
„Denen Kaiſerl. Koͤnigl. Herzogl. Geſandtſchaften der Hohen Maͤchte Europa's zu Conſtantinopel theilen Wir hier¬ durch mit, daß die unruhigen Begebenheiten und zeitigen Ereigniſſe in der Welt als Zeichen dem Reiche Gottes ange¬ hoͤren, welches, indem es im Jahre 1830 nach chriſtlicher Rechnung ſeinen Anfang genommen hat, in voller Freude und Gerechtigkeit zum Heile aller Koͤnige und Voͤlker einbricht, damit ſie hinfort in einer reinen, unumwoͤlkten Atmoſphaͤre den ewigen Frieden genießen. Das Reich Gottes beſteht in der moraliſchen Vereinigung aller Machthaber, von, durch und in Gott, Allerhoͤchſtwelcher ſie deshalb um ſeinen Thron be¬ rufen hat, um ſie in ſeiner abſoluten Integritaͤt zu vereini¬ gen. Dieſe Aufforderung Gottes mit den naͤheren Verfuͤgun¬ gen iſt bereits ſchon im vorigen Jahre erlaſſen, und nebſt Unſrer Legitimation den Koͤnigl. Haͤnden eines frommen und gerechten Regenten uͤbergeben worden. Der Herr Herr will bis ans Ende der Welt ſeinen allmaͤchtigen Arm offenbaren, mit Israel die Voͤlker frei, und mit der Freiheit der Voͤlker die Macht der Koͤnige vollkommen machen. Der Herr Herr will wiederum kund thun, daß alles Heil von Oſten und
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reichte. Auf meine Frage, wie er ſich einen Weg zum Sul¬
tan habe bahnen wollen, erzaͤhlte er mir, daß er demſelben
einen Finanzplan zu uͤberreichen willens geweſen ſei, welcher
aller Noth und Bedraͤngniß der hohen Pforte ein Ende habe
machen koͤnnen. In Conſtantinopel gelangte nun ſein Wahn
zur voͤlligen Reife; denn aus Pera ſind alle Aufforderungen
an die Herrſcher und Voͤlker Europas datirt, welche er, nach
Deutſchland zuruͤckgekehrt, nebſt mancherlei Betrachtungen uͤber
Freiheit, Religion, Glaube, Liebe, Gottesdienſt, Buße, Beſ¬
ſerung, Gebet, unter dem Titel drucken ließ: Der Menſch
als Buͤrger im Reiche Gottes, ſieben Sendſchreiben von Zion,
nebſt einigen Noten aus einem diplomatiſchen Actenſtuͤcke, das
Reich Gottes betreffend. Von Siegfried Juſtus I., Koͤnig
von Israel und Hoherprieſter von Jeruſalem. Mainz, bei
C. G. Kunze. 1832. — Einige charakteriſtiſche Bruchſtuͤcke
aus dieſer Schrift werden es am beſten bezeichnen, bis zu
welchem Umfange ſein Wahn gediehen war, und wie er dem¬
ſelben eine innere Uebereinſtimmung zu geben ſuchte:
„Denen Kaiſerl. Koͤnigl. Herzogl. Geſandtſchaften der
Hohen Maͤchte Europa's zu Conſtantinopel theilen Wir hier¬
durch mit, daß die unruhigen Begebenheiten und zeitigen
Ereigniſſe in der Welt als Zeichen dem Reiche Gottes ange¬
hoͤren, welches, indem es im Jahre 1830 nach chriſtlicher
Rechnung ſeinen Anfang genommen hat, in voller Freude und
Gerechtigkeit zum Heile aller Koͤnige und Voͤlker einbricht,
damit ſie hinfort in einer reinen, unumwoͤlkten Atmoſphaͤre
den ewigen Frieden genießen. Das Reich Gottes beſteht in
der moraliſchen Vereinigung aller Machthaber, von, durch und
in Gott, Allerhoͤchſtwelcher ſie deshalb um ſeinen Thron be¬
rufen hat, um ſie in ſeiner abſoluten Integritaͤt zu vereini¬
gen. Dieſe Aufforderung Gottes mit den naͤheren Verfuͤgun¬
gen iſt bereits ſchon im vorigen Jahre erlaſſen, und nebſt
Unſrer Legitimation den Koͤnigl. Haͤnden eines frommen und
gerechten Regenten uͤbergeben worden. Der Herr Herr will
bis ans Ende der Welt ſeinen allmaͤchtigen Arm offenbaren,
mit Israel die Voͤlker frei, und mit der Freiheit der Voͤlker
die Macht der Koͤnige vollkommen machen. Der Herr Herr
will wiederum kund thun, daß alles Heil von Oſten und
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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/229>, abgerufen am 16.02.2025.
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