Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

besseren Natur des Menschen wäre. Auf den Grund dieses
wahren, menschlichen Gefühls wage ich im Namen aller mei¬
ner Landsleute, welche sich rühmen, nicht sowohl im Blute,
als in der Liebe für Wahrheit und Recht mit den Osmanen
verwandt zu sein, Ew. Hoheit durch die Zueignung dieser
Schrift unsere außerordentliche Ehrfurcht zu bezeugen, welche
Sich Allerhöchstdieselben in so schwierigen Umständen des Staats,
des Rechts und der Politik, der Kirche und Philosophie selbst
im Verhängnisse erworben, und klar an den Tag gelegt ha¬
ben, was es heißt, ein würdiger Nachkomme des Propheten
zu sein. Aus dem Inhalte dieser Schrift thut sich mein Glau¬
bensbekenntniß kund, dessen Idealität ein politisches, religiö¬
ses und philosophisches in sich begreift, welches ich mit Ver¬
gnügen zur öffentlichen Beurtheilung darlege. Da Christus
den mosaischen Glauben erfüllte und bestätigte, aber Moha¬
med, verwandt mit den alten Propheten, Christum und Mo¬
sen für wahrhaftige Apostel anerkennt, und nur ihre von den
Menschen verfälschte Lehre verdammt hat; so ist sehr einleuch¬
tend, daß Juden, Christen und Mohamedaner, wenn sie wie
ihre Propheten, den einzigen Allmächtigen im Geist und in
der Wahrheit anbeten, eben so unter einander eines Glaubens
leben und unter einander gleiche Brüder sind, wie Moses,
Christus und Mohamed selbst die Kinder des einzig wahren
Allmächtigen sind, und in königlich-göttlich-brüderlicher
Liebe ewig vereinigt sein werden. Wer wollte sich zum Rich¬
ter des Allerhöchsten, welcher in seinem ewigen Lichte war,
ist und sein wird, aufwerfen, welchen von diesen drei mächti¬
gen Fürsten und Erdensöhnen, die das Menschengeschlecht als
ein dreiseitiges Ganzes beschreiben, er lieber haben wollte?
Obgleich nun Juden, Christen und Mohamedaner Eins wä¬
ren, wenn ihre Propheten nicht zu verschiedenen Zeiten gelebt
hätten, so giebt es doch unter ihnen Menschen, welche durch
den Fanatismus nur Eiferer ihres Glaubens der Aeußerlichkeit
wegen, in der Wahrheit aber nur Götzendiener sind. Nach
ihnen soll man der Verehrung des einen oder anderen Pro¬
pheten und ihres gestifteten Glaubens entsagen, wenn man
sich der Ordnung und des Eingeborenen und Hergebrachten
wegen zu dem Andern bekennt. Solche Leute wissen nicht

beſſeren Natur des Menſchen waͤre. Auf den Grund dieſes
wahren, menſchlichen Gefuͤhls wage ich im Namen aller mei¬
ner Landsleute, welche ſich ruͤhmen, nicht ſowohl im Blute,
als in der Liebe fuͤr Wahrheit und Recht mit den Osmanen
verwandt zu ſein, Ew. Hoheit durch die Zueignung dieſer
Schrift unſere außerordentliche Ehrfurcht zu bezeugen, welche
Sich Allerhoͤchſtdieſelben in ſo ſchwierigen Umſtaͤnden des Staats,
des Rechts und der Politik, der Kirche und Philoſophie ſelbſt
im Verhaͤngniſſe erworben, und klar an den Tag gelegt ha¬
ben, was es heißt, ein wuͤrdiger Nachkomme des Propheten
zu ſein. Aus dem Inhalte dieſer Schrift thut ſich mein Glau¬
bensbekenntniß kund, deſſen Idealitaͤt ein politiſches, religioͤ¬
ſes und philoſophiſches in ſich begreift, welches ich mit Ver¬
gnuͤgen zur oͤffentlichen Beurtheilung darlege. Da Chriſtus
den moſaiſchen Glauben erfuͤllte und beſtaͤtigte, aber Moha¬
med, verwandt mit den alten Propheten, Chriſtum und Mo¬
ſen fuͤr wahrhaftige Apoſtel anerkennt, und nur ihre von den
Menſchen verfaͤlſchte Lehre verdammt hat; ſo iſt ſehr einleuch¬
tend, daß Juden, Chriſten und Mohamedaner, wenn ſie wie
ihre Propheten, den einzigen Allmaͤchtigen im Geiſt und in
der Wahrheit anbeten, eben ſo unter einander eines Glaubens
leben und unter einander gleiche Bruͤder ſind, wie Moſes,
Chriſtus und Mohamed ſelbſt die Kinder des einzig wahren
Allmaͤchtigen ſind, und in koͤniglich-goͤttlich-bruͤderlicher
Liebe ewig vereinigt ſein werden. Wer wollte ſich zum Rich¬
ter des Allerhoͤchſten, welcher in ſeinem ewigen Lichte war,
iſt und ſein wird, aufwerfen, welchen von dieſen drei maͤchti¬
gen Fuͤrſten und Erdenſoͤhnen, die das Menſchengeſchlecht als
ein dreiſeitiges Ganzes beſchreiben, er lieber haben wollte?
Obgleich nun Juden, Chriſten und Mohamedaner Eins waͤ¬
ren, wenn ihre Propheten nicht zu verſchiedenen Zeiten gelebt
haͤtten, ſo giebt es doch unter ihnen Menſchen, welche durch
den Fanatismus nur Eiferer ihres Glaubens der Aeußerlichkeit
wegen, in der Wahrheit aber nur Goͤtzendiener ſind. Nach
ihnen ſoll man der Verehrung des einen oder anderen Pro¬
pheten und ihres geſtifteten Glaubens entſagen, wenn man
ſich der Ordnung und des Eingeborenen und Hergebrachten
wegen zu dem Andern bekennt. Solche Leute wiſſen nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0223" n="215"/>
be&#x017F;&#x017F;eren Natur des Men&#x017F;chen wa&#x0364;re. Auf den Grund die&#x017F;es<lb/>
wahren, men&#x017F;chlichen Gefu&#x0364;hls wage ich im Namen aller mei¬<lb/>
ner Landsleute, welche &#x017F;ich ru&#x0364;hmen, nicht &#x017F;owohl im Blute,<lb/>
als in der Liebe fu&#x0364;r Wahrheit und Recht mit den Osmanen<lb/>
verwandt zu &#x017F;ein, Ew. Hoheit durch die Zueignung die&#x017F;er<lb/>
Schrift un&#x017F;ere außerordentliche Ehrfurcht zu bezeugen, welche<lb/>
Sich Allerho&#x0364;ch&#x017F;tdie&#x017F;elben in &#x017F;o &#x017F;chwierigen Um&#x017F;ta&#x0364;nden des Staats,<lb/>
des Rechts und der Politik, der Kirche und Philo&#x017F;ophie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
im Verha&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e erworben, und klar an den Tag gelegt ha¬<lb/>
ben, was es heißt, ein wu&#x0364;rdiger Nachkomme des Propheten<lb/>
zu &#x017F;ein. Aus dem Inhalte die&#x017F;er Schrift thut &#x017F;ich mein Glau¬<lb/>
bensbekenntniß kund, de&#x017F;&#x017F;en Idealita&#x0364;t ein politi&#x017F;ches, religio&#x0364;¬<lb/>
&#x017F;es und philo&#x017F;ophi&#x017F;ches in &#x017F;ich begreift, welches ich mit Ver¬<lb/>
gnu&#x0364;gen zur o&#x0364;ffentlichen Beurtheilung darlege. Da Chri&#x017F;tus<lb/>
den mo&#x017F;ai&#x017F;chen Glauben erfu&#x0364;llte und be&#x017F;ta&#x0364;tigte, aber Moha¬<lb/>
med, verwandt mit den alten Propheten, Chri&#x017F;tum und Mo¬<lb/>
&#x017F;en fu&#x0364;r wahrhaftige Apo&#x017F;tel anerkennt, und nur ihre von den<lb/>
Men&#x017F;chen verfa&#x0364;l&#x017F;chte Lehre verdammt hat; &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ehr einleuch¬<lb/>
tend, daß Juden, Chri&#x017F;ten und Mohamedaner, wenn &#x017F;ie wie<lb/>
ihre Propheten, den einzigen Allma&#x0364;chtigen im Gei&#x017F;t und in<lb/>
der Wahrheit anbeten, eben &#x017F;o unter einander eines Glaubens<lb/>
leben und unter einander gleiche Bru&#x0364;der &#x017F;ind, wie Mo&#x017F;es,<lb/>
Chri&#x017F;tus und Mohamed &#x017F;elb&#x017F;t die Kinder des einzig wahren<lb/>
Allma&#x0364;chtigen &#x017F;ind, und in ko&#x0364;niglich-go&#x0364;ttlich-bru&#x0364;derlicher<lb/>
Liebe ewig vereinigt &#x017F;ein werden. Wer wollte &#x017F;ich zum Rich¬<lb/>
ter des Allerho&#x0364;ch&#x017F;ten, welcher in &#x017F;einem ewigen Lichte war,<lb/>
i&#x017F;t und &#x017F;ein wird, aufwerfen, welchen von die&#x017F;en drei ma&#x0364;chti¬<lb/>
gen Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Erden&#x017F;o&#x0364;hnen, die das Men&#x017F;chenge&#x017F;chlecht als<lb/>
ein drei&#x017F;eitiges Ganzes be&#x017F;chreiben, er lieber haben wollte?<lb/>
Obgleich nun Juden, Chri&#x017F;ten und Mohamedaner Eins wa&#x0364;¬<lb/>
ren, wenn ihre Propheten nicht zu ver&#x017F;chiedenen Zeiten gelebt<lb/>
ha&#x0364;tten, &#x017F;o giebt es doch unter ihnen Men&#x017F;chen, welche durch<lb/>
den Fanatismus nur Eiferer ihres Glaubens der Aeußerlichkeit<lb/>
wegen, in der Wahrheit aber nur Go&#x0364;tzendiener &#x017F;ind. Nach<lb/>
ihnen &#x017F;oll man der Verehrung des einen oder anderen Pro¬<lb/>
pheten und ihres ge&#x017F;tifteten Glaubens ent&#x017F;agen, wenn man<lb/>
&#x017F;ich der Ordnung und des Eingeborenen und Hergebrachten<lb/>
wegen zu dem Andern bekennt. Solche Leute wi&#x017F;&#x017F;en nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0223] beſſeren Natur des Menſchen waͤre. Auf den Grund dieſes wahren, menſchlichen Gefuͤhls wage ich im Namen aller mei¬ ner Landsleute, welche ſich ruͤhmen, nicht ſowohl im Blute, als in der Liebe fuͤr Wahrheit und Recht mit den Osmanen verwandt zu ſein, Ew. Hoheit durch die Zueignung dieſer Schrift unſere außerordentliche Ehrfurcht zu bezeugen, welche Sich Allerhoͤchſtdieſelben in ſo ſchwierigen Umſtaͤnden des Staats, des Rechts und der Politik, der Kirche und Philoſophie ſelbſt im Verhaͤngniſſe erworben, und klar an den Tag gelegt ha¬ ben, was es heißt, ein wuͤrdiger Nachkomme des Propheten zu ſein. Aus dem Inhalte dieſer Schrift thut ſich mein Glau¬ bensbekenntniß kund, deſſen Idealitaͤt ein politiſches, religioͤ¬ ſes und philoſophiſches in ſich begreift, welches ich mit Ver¬ gnuͤgen zur oͤffentlichen Beurtheilung darlege. Da Chriſtus den moſaiſchen Glauben erfuͤllte und beſtaͤtigte, aber Moha¬ med, verwandt mit den alten Propheten, Chriſtum und Mo¬ ſen fuͤr wahrhaftige Apoſtel anerkennt, und nur ihre von den Menſchen verfaͤlſchte Lehre verdammt hat; ſo iſt ſehr einleuch¬ tend, daß Juden, Chriſten und Mohamedaner, wenn ſie wie ihre Propheten, den einzigen Allmaͤchtigen im Geiſt und in der Wahrheit anbeten, eben ſo unter einander eines Glaubens leben und unter einander gleiche Bruͤder ſind, wie Moſes, Chriſtus und Mohamed ſelbſt die Kinder des einzig wahren Allmaͤchtigen ſind, und in koͤniglich-goͤttlich-bruͤderlicher Liebe ewig vereinigt ſein werden. Wer wollte ſich zum Rich¬ ter des Allerhoͤchſten, welcher in ſeinem ewigen Lichte war, iſt und ſein wird, aufwerfen, welchen von dieſen drei maͤchti¬ gen Fuͤrſten und Erdenſoͤhnen, die das Menſchengeſchlecht als ein dreiſeitiges Ganzes beſchreiben, er lieber haben wollte? Obgleich nun Juden, Chriſten und Mohamedaner Eins waͤ¬ ren, wenn ihre Propheten nicht zu verſchiedenen Zeiten gelebt haͤtten, ſo giebt es doch unter ihnen Menſchen, welche durch den Fanatismus nur Eiferer ihres Glaubens der Aeußerlichkeit wegen, in der Wahrheit aber nur Goͤtzendiener ſind. Nach ihnen ſoll man der Verehrung des einen oder anderen Pro¬ pheten und ihres geſtifteten Glaubens entſagen, wenn man ſich der Ordnung und des Eingeborenen und Hergebrachten wegen zu dem Andern bekennt. Solche Leute wiſſen nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/223
Zitationshilfe: Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/223>, abgerufen am 25.11.2024.