er die Feuchtigkeit für zuträglich, bis ihm in einer Nacht ein azurblaues Schild mit einem Dreizack als ein Zeichen Neptuns erschien, daß nun des Wassers genug sei. -- Indem ich eine Reihe von Tagen überschlage, an denen Z. eine Menge von excentrischen Handlungen, jedoch ohne gefährlichen Charakter beging, bemerke ich, daß zuletzt seine Aufregung wieder bis zum Ausbruch von Wuth sich steigerte, wobei er die Fenster¬ scheiben zerschlug, die Anwesenden aus dem Zimmer trieb, in¬ dem er nach ihnen warf, und dadurch seine Aufnahme in die Charite nothwendig machte. Dort angelangt betrachtete er mit¬ leidig die Kranken, denen er zur Hülfe gerufen zu sein glaubte, daher er denn an einem Bette niederkniete und betete. Hier¬ auf wurde er wieder ungestümer bis zur Wildheit, sang, pfiff, betete, predigte. In dieser während mehrerer Tage und Nächte fortdauernden Aufregung entwickelte sich das Bilderspiel einer zügellosen Phantasie, welche gleichsam alle Kräfte der Seele in sich zusammenfaßt, und deshalb ihren Dichtungen die volle Klar¬ heit, Lebendigkeit und Stärke sinnlicher Anschauungen verleiht, weil die übrigen Seelenvermögen bei dieser Gährung im Be¬ wußtsein nicht zu einem stetigen Wirken gelangen können. So erblickte er einen Mohren mit einem Turban auf dem Kopfe in sitzender Stellung, ein Kameel an einem Halfter¬ bande haltend. In einem neben ihm liegenden Manne mit einer weißen Kopfbedeckung glaubte er seine Mutter, in einem anderen jüngeren seinen Bruder zu sehen. In dem Bade widersetzte er sich mit Heftigkeit, gab sich für Jesus Christus aus, und hierüber zur Rede gestellt nannte er sich Judas Ischarioth. Dabei erwartete er noch immer eine baldige Um¬ wälzung der Dinge, welche dann vor sich gehen werde, wenn der König ihn besuche. In einer späteren Nacht sah er sei¬ nen Bruder nebst einem seiner Schüler am Fenster stehend in eine mondhelle Landschaft hinausblickend. Vor ihnen stand eine Gestalt in Form eines Kreuzes, welches sich langsam umdrehte, und an welchem einige Menschen im bunten Co¬ stüm ihre Kunstfertigkeit im Turnen zeigten. Ueber grüne Felder hinweg sah er am Horizont einen mäßigen Hügel, auf welchem in nebelhaften Umrissen die Trümmer einer Burg standen. Ein andermal erblickte er einen aus der Wand her¬
er die Feuchtigkeit fuͤr zutraͤglich, bis ihm in einer Nacht ein azurblaues Schild mit einem Dreizack als ein Zeichen Neptuns erſchien, daß nun des Waſſers genug ſei. — Indem ich eine Reihe von Tagen uͤberſchlage, an denen Z. eine Menge von excentriſchen Handlungen, jedoch ohne gefaͤhrlichen Charakter beging, bemerke ich, daß zuletzt ſeine Aufregung wieder bis zum Ausbruch von Wuth ſich ſteigerte, wobei er die Fenſter¬ ſcheiben zerſchlug, die Anweſenden aus dem Zimmer trieb, in¬ dem er nach ihnen warf, und dadurch ſeine Aufnahme in die Charité nothwendig machte. Dort angelangt betrachtete er mit¬ leidig die Kranken, denen er zur Huͤlfe gerufen zu ſein glaubte, daher er denn an einem Bette niederkniete und betete. Hier¬ auf wurde er wieder ungeſtuͤmer bis zur Wildheit, ſang, pfiff, betete, predigte. In dieſer waͤhrend mehrerer Tage und Naͤchte fortdauernden Aufregung entwickelte ſich das Bilderſpiel einer zuͤgelloſen Phantaſie, welche gleichſam alle Kraͤfte der Seele in ſich zuſammenfaßt, und deshalb ihren Dichtungen die volle Klar¬ heit, Lebendigkeit und Staͤrke ſinnlicher Anſchauungen verleiht, weil die uͤbrigen Seelenvermoͤgen bei dieſer Gaͤhrung im Be¬ wußtſein nicht zu einem ſtetigen Wirken gelangen koͤnnen. So erblickte er einen Mohren mit einem Turban auf dem Kopfe in ſitzender Stellung, ein Kameel an einem Halfter¬ bande haltend. In einem neben ihm liegenden Manne mit einer weißen Kopfbedeckung glaubte er ſeine Mutter, in einem anderen juͤngeren ſeinen Bruder zu ſehen. In dem Bade widerſetzte er ſich mit Heftigkeit, gab ſich fuͤr Jeſus Chriſtus aus, und hieruͤber zur Rede geſtellt nannte er ſich Judas Iſcharioth. Dabei erwartete er noch immer eine baldige Um¬ waͤlzung der Dinge, welche dann vor ſich gehen werde, wenn der Koͤnig ihn beſuche. In einer ſpaͤteren Nacht ſah er ſei¬ nen Bruder nebſt einem ſeiner Schuͤler am Fenſter ſtehend in eine mondhelle Landſchaft hinausblickend. Vor ihnen ſtand eine Geſtalt in Form eines Kreuzes, welches ſich langſam umdrehte, und an welchem einige Menſchen im bunten Co¬ ſtuͤm ihre Kunſtfertigkeit im Turnen zeigten. Ueber gruͤne Felder hinweg ſah er am Horizont einen maͤßigen Huͤgel, auf welchem in nebelhaften Umriſſen die Truͤmmer einer Burg ſtanden. Ein andermal erblickte er einen aus der Wand her¬
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er die Feuchtigkeit fuͤr zutraͤglich, bis ihm in einer Nacht ein
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erſchien, daß nun des Waſſers genug ſei. — Indem ich eine
Reihe von Tagen uͤberſchlage, an denen Z. eine Menge von
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beging, bemerke ich, daß zuletzt ſeine Aufregung wieder bis
zum Ausbruch von Wuth ſich ſteigerte, wobei er die Fenſter¬
ſcheiben zerſchlug, die Anweſenden aus dem Zimmer trieb, in¬
dem er nach ihnen warf, und dadurch ſeine Aufnahme in die
Charité nothwendig machte. Dort angelangt betrachtete er mit¬
leidig die Kranken, denen er zur Huͤlfe gerufen zu ſein glaubte,
daher er denn an einem Bette niederkniete und betete. Hier¬
auf wurde er wieder ungeſtuͤmer bis zur Wildheit, ſang, pfiff,
betete, predigte. In dieſer waͤhrend mehrerer Tage und Naͤchte
fortdauernden Aufregung entwickelte ſich das Bilderſpiel einer
zuͤgelloſen Phantaſie, welche gleichſam alle Kraͤfte der Seele in
ſich zuſammenfaßt, und deshalb ihren Dichtungen die volle Klar¬
heit, Lebendigkeit und Staͤrke ſinnlicher Anſchauungen verleiht,
weil die uͤbrigen Seelenvermoͤgen bei dieſer Gaͤhrung im Be¬
wußtſein nicht zu einem ſtetigen Wirken gelangen koͤnnen.
So erblickte er einen Mohren mit einem Turban auf dem
Kopfe in ſitzender Stellung, ein Kameel an einem Halfter¬
bande haltend. In einem neben ihm liegenden Manne mit
einer weißen Kopfbedeckung glaubte er ſeine Mutter, in einem
anderen juͤngeren ſeinen Bruder zu ſehen. In dem Bade
widerſetzte er ſich mit Heftigkeit, gab ſich fuͤr Jeſus Chriſtus
aus, und hieruͤber zur Rede geſtellt nannte er ſich Judas
Iſcharioth. Dabei erwartete er noch immer eine baldige Um¬
waͤlzung der Dinge, welche dann vor ſich gehen werde, wenn
der Koͤnig ihn beſuche. In einer ſpaͤteren Nacht ſah er ſei¬
nen Bruder nebſt einem ſeiner Schuͤler am Fenſter ſtehend in
eine mondhelle Landſchaft hinausblickend. Vor ihnen ſtand
eine Geſtalt in Form eines Kreuzes, welches ſich langſam
umdrehte, und an welchem einige Menſchen im bunten Co¬
ſtuͤm ihre Kunſtfertigkeit im Turnen zeigten. Ueber gruͤne
Felder hinweg ſah er am Horizont einen maͤßigen Huͤgel, auf
welchem in nebelhaften Umriſſen die Truͤmmer einer Burg
ſtanden. Ein andermal erblickte er einen aus der Wand her¬
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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/216>, abgerufen am 05.07.2024.
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