Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.würde, und gebot ihm, des Freitags zu fasten, worin G. ihm Der fromme Wahn des G. war nun zum vollen Ausbruch wuͤrde, und gebot ihm, des Freitags zu faſten, worin G. ihm Der fromme Wahn des G. war nun zum vollen Ausbruch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0200" n="192"/> wuͤrde, und gebot ihm, des Freitags zu faſten, worin G. ihm<lb/> auch bereitwillig folgte. Auch veranlaßte er ihn, ſich ein ge¬<lb/> wirktes Bild von Chriſtus zu kaufen, und daſſelbe auf Leder<lb/> befeſtigt an einer Schnur auf der Bruſt zu tragen, welches<lb/> er auch that, bis ihm das Bild in der Charité abgenommen<lb/> wurde. Endlich forderte er ihn auf, den Armen ſo reichlich<lb/> Almoſen zu geben, als er irgend koͤnne, daher denn G. meh¬<lb/> rere Sachen von Werth wegſchenkte, einige Bilder, welche<lb/> ihm als heidniſch bezeichnet wurden, fremden Kindern gab, und<lb/> ſich darin durch den Widerſpruch ſeiner Frau nicht irre machen<lb/> ließ, indem er ihr erwiederte, das gehe ſie nichts an, ſie werde<lb/> ſchon ſehen, wenn die Zeit komme. Durch gehaͤſſige Einfluͤſte¬<lb/> rungen des H. entſtand zuletzt eine ſolche Zwietracht zwiſchen<lb/> beiden Ehegatten, daß die Frau waͤhrend der letzten Monate<lb/> mit ihren Kindern eine andere Zufluchtsſtaͤtte aufſuchte. Un¬<lb/> ter anderen hatte er ihr auch geſagt, er werde von jetzt an<lb/> alle ſinnliche Gemeinſchaft mit ihr abbrechen, und nur im<lb/> Geiſte mit ihr leben, um dem Heilande ganz aͤhnlich zu wer¬<lb/> den. Denn nach dem Ausſpruche deſſelben, daß Niemand das<lb/> Himmelreich ererben koͤnne, es ſei denn, daß er von neuem<lb/> geboren werde, muͤſſe ſich der Menſch aller Fleiſchesluſt erweh¬<lb/> ren, durch welche er zum Thier herabgewuͤrdigt werde.</p><lb/> <p>Der fromme Wahn des G. war nun zum vollen Ausbruch<lb/> gekommen in der Ueberzeugung, daß er der Prophet Elias ſei.<lb/> Bethoͤrt durch die Faſeleien des H. hielt er es fuͤr nothwen¬<lb/> dig, fuͤr die Feier des Gottesdienſtes ein weißes Kleid anzu¬<lb/> legen, zum Unterſchiede von den ſchwarzen Kleidern, welche<lb/> die Weltkinder ſowohl in der Kirche als bei ihren Trinkgela¬<lb/> gen und anderen noch ſchlimmeren Vergnuͤgungen tragen, und<lb/> dadurch beſudeln; dagegen das beim Gottesdienſte benutzte Ge¬<lb/> wand zu keinem anderen Gebrauch dienen ſolle. Er ließ ſich<lb/> deshalb von weißem Kattun Rock, Beinkleider und Weſte ver¬<lb/> fertigen, ſchaffte ſich einen weißen Hut an, und beſuchte in<lb/> dieſem Aufzuge mehrmals die Kirche. Nach ſeiner Verſiche¬<lb/> rung zog er zwar in letzterer die Aufmerkſamkeit der Verſamm¬<lb/> lung auf ſich, ohne indeß eine Stoͤrung zu veranlaſſen, dage¬<lb/> gen er auf der Straße oft von Gaſſenbuben verfolgt wurde,<lb/> welche ihn ſpottend ein Geſpenſt nannten. Mit jedem Sonn¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [192/0200]
wuͤrde, und gebot ihm, des Freitags zu faſten, worin G. ihm
auch bereitwillig folgte. Auch veranlaßte er ihn, ſich ein ge¬
wirktes Bild von Chriſtus zu kaufen, und daſſelbe auf Leder
befeſtigt an einer Schnur auf der Bruſt zu tragen, welches
er auch that, bis ihm das Bild in der Charité abgenommen
wurde. Endlich forderte er ihn auf, den Armen ſo reichlich
Almoſen zu geben, als er irgend koͤnne, daher denn G. meh¬
rere Sachen von Werth wegſchenkte, einige Bilder, welche
ihm als heidniſch bezeichnet wurden, fremden Kindern gab, und
ſich darin durch den Widerſpruch ſeiner Frau nicht irre machen
ließ, indem er ihr erwiederte, das gehe ſie nichts an, ſie werde
ſchon ſehen, wenn die Zeit komme. Durch gehaͤſſige Einfluͤſte¬
rungen des H. entſtand zuletzt eine ſolche Zwietracht zwiſchen
beiden Ehegatten, daß die Frau waͤhrend der letzten Monate
mit ihren Kindern eine andere Zufluchtsſtaͤtte aufſuchte. Un¬
ter anderen hatte er ihr auch geſagt, er werde von jetzt an
alle ſinnliche Gemeinſchaft mit ihr abbrechen, und nur im
Geiſte mit ihr leben, um dem Heilande ganz aͤhnlich zu wer¬
den. Denn nach dem Ausſpruche deſſelben, daß Niemand das
Himmelreich ererben koͤnne, es ſei denn, daß er von neuem
geboren werde, muͤſſe ſich der Menſch aller Fleiſchesluſt erweh¬
ren, durch welche er zum Thier herabgewuͤrdigt werde.
Der fromme Wahn des G. war nun zum vollen Ausbruch
gekommen in der Ueberzeugung, daß er der Prophet Elias ſei.
Bethoͤrt durch die Faſeleien des H. hielt er es fuͤr nothwen¬
dig, fuͤr die Feier des Gottesdienſtes ein weißes Kleid anzu¬
legen, zum Unterſchiede von den ſchwarzen Kleidern, welche
die Weltkinder ſowohl in der Kirche als bei ihren Trinkgela¬
gen und anderen noch ſchlimmeren Vergnuͤgungen tragen, und
dadurch beſudeln; dagegen das beim Gottesdienſte benutzte Ge¬
wand zu keinem anderen Gebrauch dienen ſolle. Er ließ ſich
deshalb von weißem Kattun Rock, Beinkleider und Weſte ver¬
fertigen, ſchaffte ſich einen weißen Hut an, und beſuchte in
dieſem Aufzuge mehrmals die Kirche. Nach ſeiner Verſiche¬
rung zog er zwar in letzterer die Aufmerkſamkeit der Verſamm¬
lung auf ſich, ohne indeß eine Stoͤrung zu veranlaſſen, dage¬
gen er auf der Straße oft von Gaſſenbuben verfolgt wurde,
welche ihn ſpottend ein Geſpenſt nannten. Mit jedem Sonn¬
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