luxuriös ausgestattet hatte. G. glaubte, daß durch jenen Mann, welcher ihn zu seinem Mißfallen in ein Missionshaus geführt hatte, die Aechtheit seines Glaubens geprüft werden solle, und da er sich in seinen Zweifeln nicht zurecht zu finden wußte, bat er einen angesehenen Geistlichen brieflich um Aufklärung hierüber. Dieser soll gleichfalls ein ungünstiges Urtheil über den Fremden geäußert, und den G. ermahnt haben, sich allein an den Herrn zu halten. In seiner schon begonnenen religiösen Aufregung machten diese Worte einen tiefen Eindruck auf ihn, denn es kam ihm vor, als ob er in der Nachfolge Christi noch nicht eifrig genug gewesen sei; besonders wurden seine Scrupel lebhafter während einer leichten Unpäßlichkeit, welche ihm das Bild des Todes vor Augen stellte, und ihm dadurch die Furcht einflößte, daß er das ewige Leben nicht erwerben werde, wenn er dem Heilande nicht ähnlich genug geworden sei, ihn nicht immer im Herzen getragen habe. Schon war es mit ihm so weit gekommen, daß diese Vorstellungen ihn fast keinen Augen¬ blick mehr bei der übrigens sehr eifrig betriebenen Arbeit ver¬ ließen, und wenn er sie auch noch vor seinen Mitarbeitern ver¬ hehlte, so fühlte er sich doch gedrungen, sein Herz gegen seine Frau auszuschütten.
Aber durch die Gespräche mit dem Fremden wurde noch eine andere schwärmerische Vorstellungsweise in G. erregt. In ihren mystischen Disputationen war die Rede davon gewesen, daß außer dem Zerubabel, für welchen jener sich erklärte, noch ein Anderer im Auftrage Gottes auf Erden erscheinen solle. Wenn den Erinnerungen des G. Glauben beizumessen ist, so soll jener, wie es die Art dunkelglühender Köpfe ist, sich ge¬ heimnißvoll geäußert haben: jener Zweite ist und ist nicht, er war nicht, und ist doch, indem er hinzufügte, G. habe nicht das Recht, sich für diesen Gottgesandten zu halten, da er nicht gleich ihm dem Glauben bedeutende Summen geopfert habe. G., welcher sich bewußt war, aus seinen dürftigen Mit¬ teln den Armen beigestanden, und überhaupt einen frommen Lebenswandel geführt zu haben, wurde hierdurch zum Wider¬ spruch herausgefordert, und durch der unklaren Rede dunklen Sinn noch mehr irre geleitet, maaßte er sich im frommen Eifer an, jene zweite Person zu sein, welche als Elias ins Leben
luxurioͤs ausgeſtattet hatte. G. glaubte, daß durch jenen Mann, welcher ihn zu ſeinem Mißfallen in ein Miſſionshaus gefuͤhrt hatte, die Aechtheit ſeines Glaubens gepruͤft werden ſolle, und da er ſich in ſeinen Zweifeln nicht zurecht zu finden wußte, bat er einen angeſehenen Geiſtlichen brieflich um Aufklaͤrung hieruͤber. Dieſer ſoll gleichfalls ein unguͤnſtiges Urtheil uͤber den Fremden geaͤußert, und den G. ermahnt haben, ſich allein an den Herrn zu halten. In ſeiner ſchon begonnenen religioͤſen Aufregung machten dieſe Worte einen tiefen Eindruck auf ihn, denn es kam ihm vor, als ob er in der Nachfolge Chriſti noch nicht eifrig genug geweſen ſei; beſonders wurden ſeine Scrupel lebhafter waͤhrend einer leichten Unpaͤßlichkeit, welche ihm das Bild des Todes vor Augen ſtellte, und ihm dadurch die Furcht einfloͤßte, daß er das ewige Leben nicht erwerben werde, wenn er dem Heilande nicht aͤhnlich genug geworden ſei, ihn nicht immer im Herzen getragen habe. Schon war es mit ihm ſo weit gekommen, daß dieſe Vorſtellungen ihn faſt keinen Augen¬ blick mehr bei der uͤbrigens ſehr eifrig betriebenen Arbeit ver¬ ließen, und wenn er ſie auch noch vor ſeinen Mitarbeitern ver¬ hehlte, ſo fuͤhlte er ſich doch gedrungen, ſein Herz gegen ſeine Frau auszuſchuͤtten.
Aber durch die Geſpraͤche mit dem Fremden wurde noch eine andere ſchwaͤrmeriſche Vorſtellungsweiſe in G. erregt. In ihren myſtiſchen Disputationen war die Rede davon geweſen, daß außer dem Zerubabel, fuͤr welchen jener ſich erklaͤrte, noch ein Anderer im Auftrage Gottes auf Erden erſcheinen ſolle. Wenn den Erinnerungen des G. Glauben beizumeſſen iſt, ſo ſoll jener, wie es die Art dunkelgluͤhender Koͤpfe iſt, ſich ge¬ heimnißvoll geaͤußert haben: jener Zweite iſt und iſt nicht, er war nicht, und iſt doch, indem er hinzufuͤgte, G. habe nicht das Recht, ſich fuͤr dieſen Gottgeſandten zu halten, da er nicht gleich ihm dem Glauben bedeutende Summen geopfert habe. G., welcher ſich bewußt war, aus ſeinen duͤrftigen Mit¬ teln den Armen beigeſtanden, und uͤberhaupt einen frommen Lebenswandel gefuͤhrt zu haben, wurde hierdurch zum Wider¬ ſpruch herausgefordert, und durch der unklaren Rede dunklen Sinn noch mehr irre geleitet, maaßte er ſich im frommen Eifer an, jene zweite Perſon zu ſein, welche als Elias ins Leben
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luxurioͤs ausgeſtattet hatte. G. glaubte, daß durch jenen Mann,
welcher ihn zu ſeinem Mißfallen in ein Miſſionshaus gefuͤhrt
hatte, die Aechtheit ſeines Glaubens gepruͤft werden ſolle, und
da er ſich in ſeinen Zweifeln nicht zurecht zu finden wußte,
bat er einen angeſehenen Geiſtlichen brieflich um Aufklaͤrung
hieruͤber. Dieſer ſoll gleichfalls ein unguͤnſtiges Urtheil uͤber
den Fremden geaͤußert, und den G. ermahnt haben, ſich allein
an den Herrn zu halten. In ſeiner ſchon begonnenen religioͤſen
Aufregung machten dieſe Worte einen tiefen Eindruck auf ihn,
denn es kam ihm vor, als ob er in der Nachfolge Chriſti noch
nicht eifrig genug geweſen ſei; beſonders wurden ſeine Scrupel
lebhafter waͤhrend einer leichten Unpaͤßlichkeit, welche ihm das
Bild des Todes vor Augen ſtellte, und ihm dadurch die Furcht
einfloͤßte, daß er das ewige Leben nicht erwerben werde, wenn
er dem Heilande nicht aͤhnlich genug geworden ſei, ihn nicht
immer im Herzen getragen habe. Schon war es mit ihm ſo
weit gekommen, daß dieſe Vorſtellungen ihn faſt keinen Augen¬
blick mehr bei der uͤbrigens ſehr eifrig betriebenen Arbeit ver¬
ließen, und wenn er ſie auch noch vor ſeinen Mitarbeitern ver¬
hehlte, ſo fuͤhlte er ſich doch gedrungen, ſein Herz gegen ſeine
Frau auszuſchuͤtten.
Aber durch die Geſpraͤche mit dem Fremden wurde noch
eine andere ſchwaͤrmeriſche Vorſtellungsweiſe in G. erregt. In
ihren myſtiſchen Disputationen war die Rede davon geweſen,
daß außer dem Zerubabel, fuͤr welchen jener ſich erklaͤrte, noch
ein Anderer im Auftrage Gottes auf Erden erſcheinen ſolle.
Wenn den Erinnerungen des G. Glauben beizumeſſen iſt, ſo
ſoll jener, wie es die Art dunkelgluͤhender Koͤpfe iſt, ſich ge¬
heimnißvoll geaͤußert haben: jener Zweite iſt und iſt nicht, er
war nicht, und iſt doch, indem er hinzufuͤgte, G. habe nicht
das Recht, ſich fuͤr dieſen Gottgeſandten zu halten, da er
nicht gleich ihm dem Glauben bedeutende Summen geopfert
habe. G., welcher ſich bewußt war, aus ſeinen duͤrftigen Mit¬
teln den Armen beigeſtanden, und uͤberhaupt einen frommen
Lebenswandel gefuͤhrt zu haben, wurde hierdurch zum Wider¬
ſpruch herausgefordert, und durch der unklaren Rede dunklen
Sinn noch mehr irre geleitet, maaßte er ſich im frommen Eifer
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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/198>, abgerufen am 26.07.2024.
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