Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.des wirkte daher erschütternd auf ihn, noch mehr aber der Im Herbste 1844 trat das Seelenleiden des Z. zuerst des wirkte daher erſchuͤtternd auf ihn, noch mehr aber der Im Herbſte 1844 trat das Seelenleiden des Z. zuerſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0174" n="166"/> des wirkte daher erſchuͤtternd auf ihn, noch mehr aber der<lb/> Tod eines jungen ſchoͤnen Maͤdchens, zu welchem er zwar in<lb/> keiner naͤheren Beziehung ſtand, da ſie ſchon die Geliebte ei¬<lb/> nes Andern war, zu welcher er aber doch eine ſtarke Neigung<lb/> empfunden haben muß, da er ſeine Faſſung ganz verlor.</p><lb/> <p>Im Herbſte 1844 trat das Seelenleiden des Z. zuerſt<lb/> unter den bei ſo vielen Geiſteskranken vorkommenden Erſchei¬<lb/> nungen des Argwohns auf, welcher ſich hinreichend aus dem<lb/> Widerſpruch erklaͤrt, worin ſie ſich mit der ganzen Welt ver¬<lb/> ſetzt ſehen, und welcher bei ihm eigentlich nur die verſtaͤrkte<lb/> Wirkung ſeiner ſchon ſeit lange vorherrſchenden Geſinnung war.<lb/> Er behauptete, man gehe damit um, ihn ins Gefaͤngniß zu<lb/> werfen, womit ein Feſtungscommandant beauftragt ſei; ſehr<lb/> bald ſprang er aber von dieſer Vorſtellung zu der entgegen¬<lb/> geſetzten uͤber: er ſei unverletzlich, und keine Gewalt, Dolch,<lb/> Gift u. ſ. w. waͤre im Stande, ihm das Leben zu rauben, er<lb/> koͤnne trockenen Fußes uͤber Seen und Fluͤſſe gehen, da er ein<lb/> auserwaͤhltes Werkzeug Gottes ſei. Dieſe Behauptungen ſind<lb/> nur ein Wiederſchein ſeines uͤberſpannten Selbſtgefuͤhls, wel¬<lb/> ches ſich gegen die Furcht vor Verfolgung anſtemmte, und wel¬<lb/> ches auch bald Veranlaſſung zum Ausbruch einer heftigen Tob¬<lb/> ſucht gab, da ihm die durch ſeine Aufregung nothwendig<lb/> erheiſchte Beſchraͤnkung und die im falſch verſtandenen Eifer ver¬<lb/> ſuchte Bekaͤmpfung ſeiner Aeußerungen unertraͤglich waren. Er<lb/> mußte deshalb gebunden in ein ſtaͤdtiſches Krankenhaus gebracht<lb/> werden, welches ihn dergeſtalt erbitterte, daß er kurz darauf<lb/> die Eiſenſtaͤbe eines Fenſters verbog, und ſich an zerriſſenen<lb/> und zuſammengeknuͤpften Bettlaken auf die Erde herabließ,<lb/> um zu entfliehen. In ſein Zimmer zuruͤckgefuͤhrt und ſorgfaͤl¬<lb/> tiger bewacht, beruhigte er ſich unter der Anwendung von Sturz¬<lb/> baͤdern nach einiger Zeit ſo ſehr, daß er auf ſein dringendes<lb/> Bitten entlaſſen in das vaͤterliche Haus zuruͤckkehrte. Hier<lb/> verhielt er ſich mehrere Wochen ruhig, fuͤhrte keine irren Re¬<lb/> den mehr, arbeitete ſogar wieder, und forderte die Fortſetzung<lb/> der Sturzbaͤder; indeß die fleißige Lectuͤre der Bibel, in wel¬<lb/> cher beſonders die Offenbarung Johannis ihn wegen ihres my¬<lb/> ſtiſchen Inhalts anzog, trug unſtreitig dazu bei, ſeine immer<lb/> noch aufgeregte Phantaſie im hoͤchſten Grade zu erhitzen, und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0174]
des wirkte daher erſchuͤtternd auf ihn, noch mehr aber der
Tod eines jungen ſchoͤnen Maͤdchens, zu welchem er zwar in
keiner naͤheren Beziehung ſtand, da ſie ſchon die Geliebte ei¬
nes Andern war, zu welcher er aber doch eine ſtarke Neigung
empfunden haben muß, da er ſeine Faſſung ganz verlor.
Im Herbſte 1844 trat das Seelenleiden des Z. zuerſt
unter den bei ſo vielen Geiſteskranken vorkommenden Erſchei¬
nungen des Argwohns auf, welcher ſich hinreichend aus dem
Widerſpruch erklaͤrt, worin ſie ſich mit der ganzen Welt ver¬
ſetzt ſehen, und welcher bei ihm eigentlich nur die verſtaͤrkte
Wirkung ſeiner ſchon ſeit lange vorherrſchenden Geſinnung war.
Er behauptete, man gehe damit um, ihn ins Gefaͤngniß zu
werfen, womit ein Feſtungscommandant beauftragt ſei; ſehr
bald ſprang er aber von dieſer Vorſtellung zu der entgegen¬
geſetzten uͤber: er ſei unverletzlich, und keine Gewalt, Dolch,
Gift u. ſ. w. waͤre im Stande, ihm das Leben zu rauben, er
koͤnne trockenen Fußes uͤber Seen und Fluͤſſe gehen, da er ein
auserwaͤhltes Werkzeug Gottes ſei. Dieſe Behauptungen ſind
nur ein Wiederſchein ſeines uͤberſpannten Selbſtgefuͤhls, wel¬
ches ſich gegen die Furcht vor Verfolgung anſtemmte, und wel¬
ches auch bald Veranlaſſung zum Ausbruch einer heftigen Tob¬
ſucht gab, da ihm die durch ſeine Aufregung nothwendig
erheiſchte Beſchraͤnkung und die im falſch verſtandenen Eifer ver¬
ſuchte Bekaͤmpfung ſeiner Aeußerungen unertraͤglich waren. Er
mußte deshalb gebunden in ein ſtaͤdtiſches Krankenhaus gebracht
werden, welches ihn dergeſtalt erbitterte, daß er kurz darauf
die Eiſenſtaͤbe eines Fenſters verbog, und ſich an zerriſſenen
und zuſammengeknuͤpften Bettlaken auf die Erde herabließ,
um zu entfliehen. In ſein Zimmer zuruͤckgefuͤhrt und ſorgfaͤl¬
tiger bewacht, beruhigte er ſich unter der Anwendung von Sturz¬
baͤdern nach einiger Zeit ſo ſehr, daß er auf ſein dringendes
Bitten entlaſſen in das vaͤterliche Haus zuruͤckkehrte. Hier
verhielt er ſich mehrere Wochen ruhig, fuͤhrte keine irren Re¬
den mehr, arbeitete ſogar wieder, und forderte die Fortſetzung
der Sturzbaͤder; indeß die fleißige Lectuͤre der Bibel, in wel¬
cher beſonders die Offenbarung Johannis ihn wegen ihres my¬
ſtiſchen Inhalts anzog, trug unſtreitig dazu bei, ſeine immer
noch aufgeregte Phantaſie im hoͤchſten Grade zu erhitzen, und
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