Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.Ende derselben in ihr auftauchte, und sie quälte. Unter an¬ Die Rückkehr zu den Ihrigen, nach denen sie eine große Ende derſelben in ihr auftauchte, und ſie quaͤlte. Unter an¬ Die Ruͤckkehr zu den Ihrigen, nach denen ſie eine große <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0166" n="158"/> Ende derſelben in ihr auftauchte, und ſie quaͤlte. Unter an¬<lb/> derem gab ſie auch an, daß ſie im Herbſte 1840, als gerade<lb/> ihre Menſtruation im Fluſſe begriffen war, von einem ſtarken<lb/> Regen ganz durchnaͤßt worden ſei, und ſich heftig erkaͤltet habe,<lb/> und daß danach Schmerzen in der rechten Seite zuruͤckgeblie¬<lb/> ben waͤren, von denen ſie ſtets geplagt und in große Unruhe<lb/> verſetzt worden ſei. Die gewoͤhnlichen Unterleibsbeſchwerden<lb/> bei der Melancholie abgerechnet, war indeß keine eigenthuͤmliche<lb/> Functionsſtoͤrung bei ihr wahrzunehmen. Im Laufe der beiden<lb/> naͤchſten Monate trat wenigſtens eine theilweiſe Beſſerung ein,<lb/> ſo daß ſie koͤrperlich ganz wohl ſich befand, auch eine groͤßere<lb/> Ruhe und Klarheit des Geiſtes wiedergewonnen hatte, nament¬<lb/> lich nicht mehr ſo haͤufig daruͤber jammerte, daß ſie gefehlt<lb/> habe. Aber eine weſentliche Umgeſtaltung ihres Zuſtandes war<lb/> nicht erfolgt, als ſie am 21. Mai auf Verlangen ihres Va¬<lb/> ters aus der Anſtalt entlaſſen werden mußte.</p><lb/> <p>Die Ruͤckkehr zu den Ihrigen, nach denen ſie eine große<lb/> Sehnſucht empfunden hatte, gewaͤhrte ihr allerdings einigen<lb/> Troſt, und da wenigſtens die heftigſten Ausbruͤche ihrer Krank¬<lb/> heit beſchwichtigt waren, ſo ſah ſie ſich im Stande, weibliche<lb/> Arbeiten zu verrichten, und dem aͤußeren Anſchein nach ſich<lb/> beſonnen zu betragen. Aber voͤllig unaufgeklaͤrt geblieben uͤber<lb/> den Nachtheil, welchen die ſchwaͤrmeriſche Richtung ihrer Froͤm¬<lb/> migkeit auf ſie ausgeuͤbt hatte, folgte ſie bald wieder dem<lb/> Zuge derſelben, und ſuchte daher ſowohl den Betſaal der Miſ¬<lb/> ſionsgeſellſchaft, als jenen Prediger auf, dem ſie noch immer<lb/> mit inniger Neigung zugethan war. Stets bewegte ſie ſich<lb/> in dem engen Kreiſe finſterer Gruͤbeleien uͤber die vornehmſte<lb/> Pflicht, das Kreuz Chriſti auf ſich zu nehmen, uͤber den bal¬<lb/> digen Untergang der Welt und das Strafgericht Gottes gegen<lb/> diejenigen, welche derſelben nicht entſagt haͤtten. Wenn viel¬<lb/> leicht auch in den gehoͤrten Predigten Worte des Troſtes und<lb/> des freudigen Glaubens ausgeſprochen wurden; ſo hatte ſie<lb/> doch alle Empfaͤnglichkeit dafuͤr verloren. Nicht damit zufrie¬<lb/> den, jenen ascetiſchen Andachtsuͤbungen an den Sonntagen und<lb/> an mehreren Wochenabenden beizuwohnen, vertiefte ſie ſich<lb/> noch in die Lectuͤre der Bibel und jener ſchon oft genannten<lb/> Tractaͤtlein, durch welche ſchon ſo manche ſchwache Intelligenz<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [158/0166]
Ende derſelben in ihr auftauchte, und ſie quaͤlte. Unter an¬
derem gab ſie auch an, daß ſie im Herbſte 1840, als gerade
ihre Menſtruation im Fluſſe begriffen war, von einem ſtarken
Regen ganz durchnaͤßt worden ſei, und ſich heftig erkaͤltet habe,
und daß danach Schmerzen in der rechten Seite zuruͤckgeblie¬
ben waͤren, von denen ſie ſtets geplagt und in große Unruhe
verſetzt worden ſei. Die gewoͤhnlichen Unterleibsbeſchwerden
bei der Melancholie abgerechnet, war indeß keine eigenthuͤmliche
Functionsſtoͤrung bei ihr wahrzunehmen. Im Laufe der beiden
naͤchſten Monate trat wenigſtens eine theilweiſe Beſſerung ein,
ſo daß ſie koͤrperlich ganz wohl ſich befand, auch eine groͤßere
Ruhe und Klarheit des Geiſtes wiedergewonnen hatte, nament¬
lich nicht mehr ſo haͤufig daruͤber jammerte, daß ſie gefehlt
habe. Aber eine weſentliche Umgeſtaltung ihres Zuſtandes war
nicht erfolgt, als ſie am 21. Mai auf Verlangen ihres Va¬
ters aus der Anſtalt entlaſſen werden mußte.
Die Ruͤckkehr zu den Ihrigen, nach denen ſie eine große
Sehnſucht empfunden hatte, gewaͤhrte ihr allerdings einigen
Troſt, und da wenigſtens die heftigſten Ausbruͤche ihrer Krank¬
heit beſchwichtigt waren, ſo ſah ſie ſich im Stande, weibliche
Arbeiten zu verrichten, und dem aͤußeren Anſchein nach ſich
beſonnen zu betragen. Aber voͤllig unaufgeklaͤrt geblieben uͤber
den Nachtheil, welchen die ſchwaͤrmeriſche Richtung ihrer Froͤm¬
migkeit auf ſie ausgeuͤbt hatte, folgte ſie bald wieder dem
Zuge derſelben, und ſuchte daher ſowohl den Betſaal der Miſ¬
ſionsgeſellſchaft, als jenen Prediger auf, dem ſie noch immer
mit inniger Neigung zugethan war. Stets bewegte ſie ſich
in dem engen Kreiſe finſterer Gruͤbeleien uͤber die vornehmſte
Pflicht, das Kreuz Chriſti auf ſich zu nehmen, uͤber den bal¬
digen Untergang der Welt und das Strafgericht Gottes gegen
diejenigen, welche derſelben nicht entſagt haͤtten. Wenn viel¬
leicht auch in den gehoͤrten Predigten Worte des Troſtes und
des freudigen Glaubens ausgeſprochen wurden; ſo hatte ſie
doch alle Empfaͤnglichkeit dafuͤr verloren. Nicht damit zufrie¬
den, jenen ascetiſchen Andachtsuͤbungen an den Sonntagen und
an mehreren Wochenabenden beizuwohnen, vertiefte ſie ſich
noch in die Lectuͤre der Bibel und jener ſchon oft genannten
Tractaͤtlein, durch welche ſchon ſo manche ſchwache Intelligenz
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