und fand nur in der Vorstellung endlich Beruhigung, daß Gott auf ihr Flehen die Höllenstrafe, welche Heulen und Zähn¬ klappen bewirke, abkürzen werde. Dieser letzten Ankündigung des Gerichts war eine dritte Höllenfahrt in der Nacht voran¬ gegangen, welche sie schlaflos unter namenloser Quaal zu¬ brachte, so daß sie sich dem Tode nahe glaubte, ohne jedoch von Sinnestäuschungen heimgesucht zu werden. Erst nachdem sie ein Gebet an den Heiland um Verleihung des Sieges ge¬ richtet hatte, wurde ihr wohler.
Am 28. Mai 1845 in die Charite aufgenommen hat sie nicht die geringste Veränderung in ihrem Zustande wahrneh¬ men lassen. Ihre Verstandesbethörung grenzte schon an Gei¬ stesverwirrung, so daß sich nur mit Mühe der bisher geschil¬ derte Zusammenhang ihrer schwärmerischen Grillen auffinden ließ. Ob sie sich als zweiter Messias, als Landesmutter eine höhere Sanction beilegte, konnte nicht bestimmt ermittelt wer¬ den; denn obgleich dies einerseits aus ihren Worten zu folgen schien, so widersprach dem theils ihre anderweitige Behauptung, daß alle Menschen auf gleiche Weise Kinder Gottes seien, theils ihre demüthig harmlose Freundlichkeit und Anspruchslosig¬ keit, welche den absoluten Gegensatz zu dem kolossalen Hoch¬ muth fanatischer Theomanen bildet. Schon früher habe ich ihren sittlich vortrefflichen Charakter geschildert, als dessen Haupt¬ zug eine liebevolle Sorgfalt für alle Nothleidenden angesehen werden muß. Ueberzeugt, daß alle Krankheiten Liebesruthen sind, mit welchen Gott alle Menschen zu ihrer Besserung züchtige, beklagt sie es vornämlich sehr, daß so viele Kranke ihr Loos nicht in diesem Sinne ansehen, nicht Buße thun, nicht im häufigen Morgengebet sich heiligen, sondern mit leichtfer¬ tigem Gemüth in ihre früheren Verhältnisse zurückkehren. Ins¬ besondere verabscheut sie aus tiefster Seele das Fluchen, wel¬ ches sie eine Versuchung des Teufels zum Abfall von Gott, eine Sündfluth nennt, in welche versenkt die Menschen ihre Besinnung verlieren. Gewöhnlich verhält sie sich ruhig und harmlos, nur bei der erwähnten Gelegenheit gerieth sie in eine heftige Angst, welche nur mit Mühe beschwichtigt werden konnte.
und fand nur in der Vorſtellung endlich Beruhigung, daß Gott auf ihr Flehen die Hoͤllenſtrafe, welche Heulen und Zaͤhn¬ klappen bewirke, abkuͤrzen werde. Dieſer letzten Ankuͤndigung des Gerichts war eine dritte Hoͤllenfahrt in der Nacht voran¬ gegangen, welche ſie ſchlaflos unter namenloſer Quaal zu¬ brachte, ſo daß ſie ſich dem Tode nahe glaubte, ohne jedoch von Sinnestaͤuſchungen heimgeſucht zu werden. Erſt nachdem ſie ein Gebet an den Heiland um Verleihung des Sieges ge¬ richtet hatte, wurde ihr wohler.
Am 28. Mai 1845 in die Charité aufgenommen hat ſie nicht die geringſte Veraͤnderung in ihrem Zuſtande wahrneh¬ men laſſen. Ihre Verſtandesbethoͤrung grenzte ſchon an Gei¬ ſtesverwirrung, ſo daß ſich nur mit Muͤhe der bisher geſchil¬ derte Zuſammenhang ihrer ſchwaͤrmeriſchen Grillen auffinden ließ. Ob ſie ſich als zweiter Meſſias, als Landesmutter eine hoͤhere Sanction beilegte, konnte nicht beſtimmt ermittelt wer¬ den; denn obgleich dies einerſeits aus ihren Worten zu folgen ſchien, ſo widerſprach dem theils ihre anderweitige Behauptung, daß alle Menſchen auf gleiche Weiſe Kinder Gottes ſeien, theils ihre demuͤthig harmloſe Freundlichkeit und Anſpruchsloſig¬ keit, welche den abſoluten Gegenſatz zu dem koloſſalen Hoch¬ muth fanatiſcher Theomanen bildet. Schon fruͤher habe ich ihren ſittlich vortrefflichen Charakter geſchildert, als deſſen Haupt¬ zug eine liebevolle Sorgfalt fuͤr alle Nothleidenden angeſehen werden muß. Ueberzeugt, daß alle Krankheiten Liebesruthen ſind, mit welchen Gott alle Menſchen zu ihrer Beſſerung zuͤchtige, beklagt ſie es vornaͤmlich ſehr, daß ſo viele Kranke ihr Loos nicht in dieſem Sinne anſehen, nicht Buße thun, nicht im haͤufigen Morgengebet ſich heiligen, ſondern mit leichtfer¬ tigem Gemuͤth in ihre fruͤheren Verhaͤltniſſe zuruͤckkehren. Ins¬ beſondere verabſcheut ſie aus tiefſter Seele das Fluchen, wel¬ ches ſie eine Verſuchung des Teufels zum Abfall von Gott, eine Suͤndfluth nennt, in welche verſenkt die Menſchen ihre Beſinnung verlieren. Gewoͤhnlich verhaͤlt ſie ſich ruhig und harmlos, nur bei der erwaͤhnten Gelegenheit gerieth ſie in eine heftige Angſt, welche nur mit Muͤhe beſchwichtigt werden konnte.
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und fand nur in der Vorſtellung endlich Beruhigung, daß
Gott auf ihr Flehen die Hoͤllenſtrafe, welche Heulen und Zaͤhn¬
klappen bewirke, abkuͤrzen werde. Dieſer letzten Ankuͤndigung
des Gerichts war eine dritte Hoͤllenfahrt in der Nacht voran¬
gegangen, welche ſie ſchlaflos unter namenloſer Quaal zu¬
brachte, ſo daß ſie ſich dem Tode nahe glaubte, ohne jedoch
von Sinnestaͤuſchungen heimgeſucht zu werden. Erſt nachdem
ſie ein Gebet an den Heiland um Verleihung des Sieges ge¬
richtet hatte, wurde ihr wohler.
Am 28. Mai 1845 in die Charité aufgenommen hat ſie
nicht die geringſte Veraͤnderung in ihrem Zuſtande wahrneh¬
men laſſen. Ihre Verſtandesbethoͤrung grenzte ſchon an Gei¬
ſtesverwirrung, ſo daß ſich nur mit Muͤhe der bisher geſchil¬
derte Zuſammenhang ihrer ſchwaͤrmeriſchen Grillen auffinden
ließ. Ob ſie ſich als zweiter Meſſias, als Landesmutter eine
hoͤhere Sanction beilegte, konnte nicht beſtimmt ermittelt wer¬
den; denn obgleich dies einerſeits aus ihren Worten zu folgen
ſchien, ſo widerſprach dem theils ihre anderweitige Behauptung,
daß alle Menſchen auf gleiche Weiſe Kinder Gottes ſeien,
theils ihre demuͤthig harmloſe Freundlichkeit und Anſpruchsloſig¬
keit, welche den abſoluten Gegenſatz zu dem koloſſalen Hoch¬
muth fanatiſcher Theomanen bildet. Schon fruͤher habe ich
ihren ſittlich vortrefflichen Charakter geſchildert, als deſſen Haupt¬
zug eine liebevolle Sorgfalt fuͤr alle Nothleidenden angeſehen
werden muß. Ueberzeugt, daß alle Krankheiten Liebesruthen
ſind, mit welchen Gott alle Menſchen zu ihrer Beſſerung
zuͤchtige, beklagt ſie es vornaͤmlich ſehr, daß ſo viele Kranke ihr
Loos nicht in dieſem Sinne anſehen, nicht Buße thun, nicht
im haͤufigen Morgengebet ſich heiligen, ſondern mit leichtfer¬
tigem Gemuͤth in ihre fruͤheren Verhaͤltniſſe zuruͤckkehren. Ins¬
beſondere verabſcheut ſie aus tiefſter Seele das Fluchen, wel¬
ches ſie eine Verſuchung des Teufels zum Abfall von Gott,
eine Suͤndfluth nennt, in welche verſenkt die Menſchen ihre
Beſinnung verlieren. Gewoͤhnlich verhaͤlt ſie ſich ruhig und
harmlos, nur bei der erwaͤhnten Gelegenheit gerieth ſie in eine
heftige Angſt, welche nur mit Muͤhe beſchwichtigt werden konnte.
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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/126>, abgerufen am 05.07.2024.
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