erschien zuletzt noch Christus auf einem weißen Pferde reitend, und von einer strahlenden Sonne umgeben. Diese nächtliche Vision, von deren himmlischem Ursprunge er fest überzeugt ist, wurde ihm deshalb zum göttlichen Befehl, das der Stadt Ber¬ lin bevorstehende Strafgericht prophetisch anzukündigen, und er hielt es daher für seine heilige Pflicht, den Königl. Behörden davon Anzeige zu machen, um das drohende Verderben mög¬ lichst abzuwenden. Da er seinen Zweck nicht erreichen konnte, und sich doch im Geiste unwiderstehlich getrieben fühlte, so versuchte er es seiner Angabe nach, sich bei mehreren hiesigen Geistlichen Gehör zu verschaffen, welche natürlich seine Mit¬ theilungen ignorirten. Deshalb nennt er sie Lügner, da sie wohl von ihm und seiner prophetischen Sendung wissen mü߬ ten, weil davon in den Zeitungen die Rede gewesen sei. End¬ lich als ihm jede Gelegenheit abgeschnitten war, seiner Her¬ zensbedrängniß Luft zu machen, entschloß er sich, öffentlich in der Domkirche während des Gottesdienstes seinen Weheruf ge¬ gen Berlin zu erheben, weil er auf Befehl Gottes reden müßte. Denn er wurde bei Tag und Nacht durch eine un¬ aufhörliche Quaal dazu angetrieben, weil, wenn er nicht ge¬ hört werde, die Strafe Gottes nicht ausbleiben könne. Ja er scheint sogar eine Donnerstimme, welche in einer Nacht ihm dreimal zurief, daß Gott im Fleische offenbart sei, auf seine Person zu beziehen, und er war fest davon überzeugt, daß er Alles im Namen des Herrn thue. Deshalb fügte er auch die bestimmte Versicherung hinzu, daß er unfehlbar nach Berlin zurückkehren werde, wenn man ihn auch nach seiner Heimath zurückgebracht habe, da es sich auf Befehl Gottes um die Rettung des Menschengeschlechts handle.
Unstreitig hat seine ununterbrochene schwärmerische Auf¬ regung in Verbindung mit peinlichen körperlichen Entbehrun¬ gen ihn in einen sehr qualvollen Zustand versetzt, welchen er sich aus der Nichtbefriedigung seines prophetischen Dranges er¬ klärte. In der letzten Zeit, zu Anfang des Märzes, muß diese Quaal einen besonders hohen Grad erreicht haben, da er mehrere Nächte von Teufelserscheinungen gefoltert wurde. Er wurde seiner Aussage nach dergestalt gemartert, daß er vor Schwäche am Tage nicht arbeiten konnte, denn während
erſchien zuletzt noch Chriſtus auf einem weißen Pferde reitend, und von einer ſtrahlenden Sonne umgeben. Dieſe naͤchtliche Viſion, von deren himmliſchem Urſprunge er feſt uͤberzeugt iſt, wurde ihm deshalb zum goͤttlichen Befehl, das der Stadt Ber¬ lin bevorſtehende Strafgericht prophetiſch anzukuͤndigen, und er hielt es daher fuͤr ſeine heilige Pflicht, den Koͤnigl. Behoͤrden davon Anzeige zu machen, um das drohende Verderben moͤg¬ lichſt abzuwenden. Da er ſeinen Zweck nicht erreichen konnte, und ſich doch im Geiſte unwiderſtehlich getrieben fuͤhlte, ſo verſuchte er es ſeiner Angabe nach, ſich bei mehreren hieſigen Geiſtlichen Gehoͤr zu verſchaffen, welche natuͤrlich ſeine Mit¬ theilungen ignorirten. Deshalb nennt er ſie Luͤgner, da ſie wohl von ihm und ſeiner prophetiſchen Sendung wiſſen muͤ߬ ten, weil davon in den Zeitungen die Rede geweſen ſei. End¬ lich als ihm jede Gelegenheit abgeſchnitten war, ſeiner Her¬ zensbedraͤngniß Luft zu machen, entſchloß er ſich, oͤffentlich in der Domkirche waͤhrend des Gottesdienſtes ſeinen Weheruf ge¬ gen Berlin zu erheben, weil er auf Befehl Gottes reden muͤßte. Denn er wurde bei Tag und Nacht durch eine un¬ aufhoͤrliche Quaal dazu angetrieben, weil, wenn er nicht ge¬ hoͤrt werde, die Strafe Gottes nicht ausbleiben koͤnne. Ja er ſcheint ſogar eine Donnerſtimme, welche in einer Nacht ihm dreimal zurief, daß Gott im Fleiſche offenbart ſei, auf ſeine Perſon zu beziehen, und er war feſt davon uͤberzeugt, daß er Alles im Namen des Herrn thue. Deshalb fuͤgte er auch die beſtimmte Verſicherung hinzu, daß er unfehlbar nach Berlin zuruͤckkehren werde, wenn man ihn auch nach ſeiner Heimath zuruͤckgebracht habe, da es ſich auf Befehl Gottes um die Rettung des Menſchengeſchlechts handle.
Unſtreitig hat ſeine ununterbrochene ſchwaͤrmeriſche Auf¬ regung in Verbindung mit peinlichen koͤrperlichen Entbehrun¬ gen ihn in einen ſehr qualvollen Zuſtand verſetzt, welchen er ſich aus der Nichtbefriedigung ſeines prophetiſchen Dranges er¬ klaͤrte. In der letzten Zeit, zu Anfang des Maͤrzes, muß dieſe Quaal einen beſonders hohen Grad erreicht haben, da er mehrere Naͤchte von Teufelserſcheinungen gefoltert wurde. Er wurde ſeiner Ausſage nach dergeſtalt gemartert, daß er vor Schwaͤche am Tage nicht arbeiten konnte, denn waͤhrend
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[104/0112]
erſchien zuletzt noch Chriſtus auf einem weißen Pferde reitend,
und von einer ſtrahlenden Sonne umgeben. Dieſe naͤchtliche
Viſion, von deren himmliſchem Urſprunge er feſt uͤberzeugt iſt,
wurde ihm deshalb zum goͤttlichen Befehl, das der Stadt Ber¬
lin bevorſtehende Strafgericht prophetiſch anzukuͤndigen, und er
hielt es daher fuͤr ſeine heilige Pflicht, den Koͤnigl. Behoͤrden
davon Anzeige zu machen, um das drohende Verderben moͤg¬
lichſt abzuwenden. Da er ſeinen Zweck nicht erreichen konnte,
und ſich doch im Geiſte unwiderſtehlich getrieben fuͤhlte, ſo
verſuchte er es ſeiner Angabe nach, ſich bei mehreren hieſigen
Geiſtlichen Gehoͤr zu verſchaffen, welche natuͤrlich ſeine Mit¬
theilungen ignorirten. Deshalb nennt er ſie Luͤgner, da ſie
wohl von ihm und ſeiner prophetiſchen Sendung wiſſen muͤ߬
ten, weil davon in den Zeitungen die Rede geweſen ſei. End¬
lich als ihm jede Gelegenheit abgeſchnitten war, ſeiner Her¬
zensbedraͤngniß Luft zu machen, entſchloß er ſich, oͤffentlich in
der Domkirche waͤhrend des Gottesdienſtes ſeinen Weheruf ge¬
gen Berlin zu erheben, weil er auf Befehl Gottes reden
muͤßte. Denn er wurde bei Tag und Nacht durch eine un¬
aufhoͤrliche Quaal dazu angetrieben, weil, wenn er nicht ge¬
hoͤrt werde, die Strafe Gottes nicht ausbleiben koͤnne. Ja er
ſcheint ſogar eine Donnerſtimme, welche in einer Nacht ihm
dreimal zurief, daß Gott im Fleiſche offenbart ſei, auf ſeine
Perſon zu beziehen, und er war feſt davon uͤberzeugt, daß er
Alles im Namen des Herrn thue. Deshalb fuͤgte er auch die
beſtimmte Verſicherung hinzu, daß er unfehlbar nach Berlin
zuruͤckkehren werde, wenn man ihn auch nach ſeiner Heimath
zuruͤckgebracht habe, da es ſich auf Befehl Gottes um die Rettung
des Menſchengeſchlechts handle.
Unſtreitig hat ſeine ununterbrochene ſchwaͤrmeriſche Auf¬
regung in Verbindung mit peinlichen koͤrperlichen Entbehrun¬
gen ihn in einen ſehr qualvollen Zuſtand verſetzt, welchen er
ſich aus der Nichtbefriedigung ſeines prophetiſchen Dranges er¬
klaͤrte. In der letzten Zeit, zu Anfang des Maͤrzes, muß
dieſe Quaal einen beſonders hohen Grad erreicht haben, da
er mehrere Naͤchte von Teufelserſcheinungen gefoltert wurde.
Er wurde ſeiner Ausſage nach dergeſtalt gemartert, daß er
vor Schwaͤche am Tage nicht arbeiten konnte, denn waͤhrend
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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/112>, abgerufen am 05.07.2024.
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