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Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898.

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Die politische Gleichberechtigung der Frau.
Willen des Volkes darstellen. Dabei ist vieles fictiv, da
die Wahlen unter dem Hochdruck der Regierung, der
Kirche oder anderer Machthaber stehen; das Schema
aber ist richtig gedacht. Bis auf eine Kleinigkeit. Ob-
wohl niemand an den oben ausgeführten Wahrheiten
ernstlich zweifelt, ist eine Fiction doch immer aufrecht
erhalten worden, die nämlich, dass die Männer zugleich
die Interessen der Frauen wahren. Musste man auch zu-
geben, dass die Gesetzgebung in ihren Resultaten die
Ansicht der stärksten parlamentarischen Parteien repräsen-
tirte, so verschloss man sich der höchst einfachen Wahr-
heit, dass alle Gesetzgebungen in ihren Gesammtresultaten
die Auffassung der Männer repräsentiren und nach dem
oben erörterten Grundsatz nie die wirklichen Interessen
der Frauen berücksichtigen, sondern nur auf Nutzen und
Frommen der Männer berechnet sein konnten."

Erscheint dieses Urtheil auch hart, so ist es leider
doch all zu gerecht und entspricht durchaus den That-
sachen. Man sehe sich unsere heutige Gesetzgebung an,
man sehe sich unsere socialen Zustände an, alles ist auf
den Mann zugeschnitten. Und es berührt förmlich pein-
lich, beschämend für die deutsche Nation, wenn deutsche
Männer, Academiker, die Frauenfrage in Deutschland zu
ihrem Studium machen und statt wie ihre französischen
und englischen Collegen sich auch wirklich in dasselbe
weit genug zu vertiefen, um ein objectives Urtheil zu
gewinnen, mit vorgefasster Meinung an die Arbeit gehen
und die unmöglichsten logischen Sprünge machen, um

Die politische Gleichberechtigung der Frau.
Willen des Volkes darstellen. Dabei ist vieles fictiv, da
die Wahlen unter dem Hochdruck der Regierung, der
Kirche oder anderer Machthaber stehen; das Schema
aber ist richtig gedacht. Bis auf eine Kleinigkeit. Ob-
wohl niemand an den oben ausgeführten Wahrheiten
ernstlich zweifelt, ist eine Fiction doch immer aufrecht
erhalten worden, die nämlich, dass die Männer zugleich
die Interessen der Frauen wahren. Musste man auch zu-
geben, dass die Gesetzgebung in ihren Resultaten die
Ansicht der stärksten parlamentarischen Parteien repräsen-
tirte, so verschloss man sich der höchst einfachen Wahr-
heit, dass alle Gesetzgebungen in ihren Gesammtresultaten
die Auffassung der Männer repräsentiren und nach dem
oben erörterten Grundsatz nie die wirklichen Interessen
der Frauen berücksichtigen, sondern nur auf Nutzen und
Frommen der Männer berechnet sein konnten.«

Erscheint dieses Urtheil auch hart, so ist es leider
doch all zu gerecht und entspricht durchaus den That-
sachen. Man sehe sich unsere heutige Gesetzgebung an,
man sehe sich unsere socialen Zustände an, alles ist auf
den Mann zugeschnitten. Und es berührt förmlich pein-
lich, beschämend für die deutsche Nation, wenn deutsche
Männer, Academiker, die Frauenfrage in Deutschland zu
ihrem Studium machen und statt wie ihre französischen
und englischen Collegen sich auch wirklich in dasselbe
weit genug zu vertiefen, um ein objectives Urtheil zu
gewinnen, mit vorgefasster Meinung an die Arbeit gehen
und die unmöglichsten logischen Sprünge machen, um

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[79/0092] Die politische Gleichberechtigung der Frau. Willen des Volkes darstellen. Dabei ist vieles fictiv, da die Wahlen unter dem Hochdruck der Regierung, der Kirche oder anderer Machthaber stehen; das Schema aber ist richtig gedacht. Bis auf eine Kleinigkeit. Ob- wohl niemand an den oben ausgeführten Wahrheiten ernstlich zweifelt, ist eine Fiction doch immer aufrecht erhalten worden, die nämlich, dass die Männer zugleich die Interessen der Frauen wahren. Musste man auch zu- geben, dass die Gesetzgebung in ihren Resultaten die Ansicht der stärksten parlamentarischen Parteien repräsen- tirte, so verschloss man sich der höchst einfachen Wahr- heit, dass alle Gesetzgebungen in ihren Gesammtresultaten die Auffassung der Männer repräsentiren und nach dem oben erörterten Grundsatz nie die wirklichen Interessen der Frauen berücksichtigen, sondern nur auf Nutzen und Frommen der Männer berechnet sein konnten.« Erscheint dieses Urtheil auch hart, so ist es leider doch all zu gerecht und entspricht durchaus den That- sachen. Man sehe sich unsere heutige Gesetzgebung an, man sehe sich unsere socialen Zustände an, alles ist auf den Mann zugeschnitten. Und es berührt förmlich pein- lich, beschämend für die deutsche Nation, wenn deutsche Männer, Academiker, die Frauenfrage in Deutschland zu ihrem Studium machen und statt wie ihre französischen und englischen Collegen sich auch wirklich in dasselbe weit genug zu vertiefen, um ein objectives Urtheil zu gewinnen, mit vorgefasster Meinung an die Arbeit gehen und die unmöglichsten logischen Sprünge machen, um

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/92>, abgerufen am 22.11.2024.