Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Eliza Ichenhaeuser.
Mann. Es giebt Männer, die den Frauen sehr überlegen
sind, es giebt aber auch Frauen, die vielen Männern über-
legen sind. Die Art und die Befähigung schwankt unter
den Männern ebenso wie unter den Frauen. Frau und Mann
sind gleichmässig berufen zur Antheilnahme am Staatsleben,
es giebt keinen Unterschied zwischen ihnen in dieser Be-
ziehung. Wenn zwischen den Geschlechtern der Unter-
schied besteht, dass das Männchen zeugt und das Weibchen
gebiert, so besteht in ihren sonstigen Fähigkeiten kein
Unterschied und wird mich das nicht hindern zu glauben,
dass Frauen und Männer dieselben Functionen ausüben
müssen. Es giebt mithin in keinem Staate Functionen, die
nur dem Mann oder nur der Frau zukommen, sondern
beide Geschlechter theilen dieselben Fähigkeiten. Die
öffentlichen Aemter müssen auch beiden Geschlechtern zu-
gänglich sein. Diese Institution ist nicht nur möglich, sondern
auch sehr einträglich, denn es giebt für keinen Staat einen
grösseren Vortheil als möglichst viele ausgezeichnete
Bürger sowohl des einen als auch des anderen Geschlechts
zu besitzen". Vier Jahrhunderte später folgte den schönen
Principien des griechischen Philosophen der römische
Redner und Staatsmann Cicero. Er verurtheilt die nur
im Interesse der Männer gemachten Gesetze und spricht
sich gegen die Bevormundung der Frauen aus.*)

Seneca erklärte, dass die Stellung der Frau die
Ursache der Rettung oder des Unterganges eines Staates
sei: Mulier reipublicae damnum est aut salus.

*) Cicero, De Republica Buch IV, Kapitel VI.

Eliza Ichenhaeuser.
Mann. Es giebt Männer, die den Frauen sehr überlegen
sind, es giebt aber auch Frauen, die vielen Männern über-
legen sind. Die Art und die Befähigung schwankt unter
den Männern ebenso wie unter den Frauen. Frau und Mann
sind gleichmässig berufen zur Antheilnahme am Staatsleben,
es giebt keinen Unterschied zwischen ihnen in dieser Be-
ziehung. Wenn zwischen den Geschlechtern der Unter-
schied besteht, dass das Männchen zeugt und das Weibchen
gebiert, so besteht in ihren sonstigen Fähigkeiten kein
Unterschied und wird mich das nicht hindern zu glauben,
dass Frauen und Männer dieselben Functionen ausüben
müssen. Es giebt mithin in keinem Staate Functionen, die
nur dem Mann oder nur der Frau zukommen, sondern
beide Geschlechter theilen dieselben Fähigkeiten. Die
öffentlichen Aemter müssen auch beiden Geschlechtern zu-
gänglich sein. Diese Institution ist nicht nur möglich, sondern
auch sehr einträglich, denn es giebt für keinen Staat einen
grösseren Vortheil als möglichst viele ausgezeichnete
Bürger sowohl des einen als auch des anderen Geschlechts
zu besitzen«. Vier Jahrhunderte später folgte den schönen
Principien des griechischen Philosophen der römische
Redner und Staatsmann Cicero. Er verurtheilt die nur
im Interesse der Männer gemachten Gesetze und spricht
sich gegen die Bevormundung der Frauen aus.*)

Seneca erklärte, dass die Stellung der Frau die
Ursache der Rettung oder des Unterganges eines Staates
sei: Mulier reipublicae damnum est aut salus.

*) Cicero, De Republica Buch IV, Kapitel VI.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0037" n="24"/><fw place="top" type="header">Eliza Ichenhaeuser.</fw><lb/>
Mann. Es giebt Männer, die den Frauen sehr überlegen<lb/>
sind, es giebt aber auch Frauen, die vielen Männern über-<lb/>
legen sind. Die Art und die Befähigung schwankt unter<lb/>
den Männern ebenso wie unter den Frauen. Frau und Mann<lb/>
sind gleichmässig berufen zur Antheilnahme am Staatsleben,<lb/>
es giebt keinen Unterschied zwischen ihnen in dieser Be-<lb/>
ziehung. Wenn zwischen den Geschlechtern der Unter-<lb/>
schied besteht, dass das Männchen zeugt und das Weibchen<lb/>
gebiert, so besteht in ihren sonstigen Fähigkeiten kein<lb/>
Unterschied und wird mich das nicht hindern zu glauben,<lb/>
dass Frauen und Männer dieselben Functionen ausüben<lb/>
müssen. Es giebt mithin in keinem Staate Functionen, die<lb/>
nur dem Mann oder nur der Frau zukommen, sondern<lb/>
beide Geschlechter theilen dieselben Fähigkeiten. Die<lb/>
öffentlichen Aemter müssen auch beiden Geschlechtern zu-<lb/>
gänglich sein. Diese Institution ist nicht nur möglich, sondern<lb/>
auch sehr einträglich, denn es giebt für keinen Staat einen<lb/>
grösseren Vortheil als möglichst viele ausgezeichnete<lb/>
Bürger sowohl des einen als auch des anderen Geschlechts<lb/>
zu besitzen«. Vier Jahrhunderte später folgte den schönen<lb/>
Principien des griechischen Philosophen der römische<lb/>
Redner und Staatsmann Cicero. Er verurtheilt die nur<lb/>
im Interesse der Männer gemachten Gesetze und spricht<lb/>
sich gegen die Bevormundung der Frauen aus.<note place="foot" n="*)">Cicero, De Republica Buch IV, Kapitel VI.</note></p><lb/>
      <p>Seneca erklärte, dass die Stellung der Frau die<lb/>
Ursache der Rettung oder des Unterganges eines Staates<lb/>
sei: Mulier reipublicae damnum est aut salus.</p><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0037] Eliza Ichenhaeuser. Mann. Es giebt Männer, die den Frauen sehr überlegen sind, es giebt aber auch Frauen, die vielen Männern über- legen sind. Die Art und die Befähigung schwankt unter den Männern ebenso wie unter den Frauen. Frau und Mann sind gleichmässig berufen zur Antheilnahme am Staatsleben, es giebt keinen Unterschied zwischen ihnen in dieser Be- ziehung. Wenn zwischen den Geschlechtern der Unter- schied besteht, dass das Männchen zeugt und das Weibchen gebiert, so besteht in ihren sonstigen Fähigkeiten kein Unterschied und wird mich das nicht hindern zu glauben, dass Frauen und Männer dieselben Functionen ausüben müssen. Es giebt mithin in keinem Staate Functionen, die nur dem Mann oder nur der Frau zukommen, sondern beide Geschlechter theilen dieselben Fähigkeiten. Die öffentlichen Aemter müssen auch beiden Geschlechtern zu- gänglich sein. Diese Institution ist nicht nur möglich, sondern auch sehr einträglich, denn es giebt für keinen Staat einen grösseren Vortheil als möglichst viele ausgezeichnete Bürger sowohl des einen als auch des anderen Geschlechts zu besitzen«. Vier Jahrhunderte später folgte den schönen Principien des griechischen Philosophen der römische Redner und Staatsmann Cicero. Er verurtheilt die nur im Interesse der Männer gemachten Gesetze und spricht sich gegen die Bevormundung der Frauen aus. *) Seneca erklärte, dass die Stellung der Frau die Ursache der Rettung oder des Unterganges eines Staates sei: Mulier reipublicae damnum est aut salus. *) Cicero, De Republica Buch IV, Kapitel VI.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-02-20T18:11:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-02-20T18:11:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/37
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/37>, abgerufen am 24.11.2024.