das Stillschweigen der Gesetzestexte entgegenstellen, nach dem Rechtssprichwort: "expressa nocent, non ex- pressa non nocent" (um ein ausdrückliches Verbot kommt man nicht herum; Stillschweigen des Gesetzes steht nicht im Wege). Und wenn diese Regel, die überall, wo es sich um die Rechte der Individuen in der Gesellschaft handelt, so sehr am Platze ist, einem höheren Princip weichen soll, welches ist dieses Princip, das das Urtheil des Gerichtshofs zu halten vermöchte?"
Die grelle Beleuchtung, die der Mangel an Logik des gerichtlichen Urtheils durch Ostrogorski erfährt, die scharfe Kritik, der er dasselbe unterzieht, sind um so objectiver, als der Verfasser des ausgezeichneten Buches über "die Frau im öffentlichen Recht" durch einen merk- würdigen Irrthum trotz alledem und alledem doch der Ansicht ist, dass die Forderungen der französischen Frauen, in die Wahllisten eingetragen zu werden, unzu- lässig seien. Ostrogorski hält nämlich fälschlicherweise die Beziehungen des Individuums zum Staate, der ihm einerseits den Genuss seiner persönlichen Rechte, seiner individuellen Freiheit sichert und ihn andererseits an seiner Regierung theilnehmen lässt, scharf auseinander, das erstere Recht erklärt er für ein absolutes und wenn die Frau nicht ausdrücklich beschränkend als ein ihr zu- kommendes Recht, das letztere nur für ein relatives und da ihr nicht ausdrücklich verliehenes Recht so für ein ihr eo ipso nicht zukommendes, während thatsächlich beide Rechte in einander fliessen; die persönlichen Rechte,
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Die politische Gleichberechtigung der Frau.
das Stillschweigen der Gesetzestexte entgegenstellen, nach dem Rechtssprichwort: »expressa nocent, non ex- pressa non nocent« (um ein ausdrückliches Verbot kommt man nicht herum; Stillschweigen des Gesetzes steht nicht im Wege). Und wenn diese Regel, die überall, wo es sich um die Rechte der Individuen in der Gesellschaft handelt, so sehr am Platze ist, einem höheren Princip weichen soll, welches ist dieses Princip, das das Urtheil des Gerichtshofs zu halten vermöchte?«
Die grelle Beleuchtung, die der Mangel an Logik des gerichtlichen Urtheils durch Ostrogorski erfährt, die scharfe Kritik, der er dasselbe unterzieht, sind um so objectiver, als der Verfasser des ausgezeichneten Buches über »die Frau im öffentlichen Recht« durch einen merk- würdigen Irrthum trotz alledem und alledem doch der Ansicht ist, dass die Forderungen der französischen Frauen, in die Wahllisten eingetragen zu werden, unzu- lässig seien. Ostrogorski hält nämlich fälschlicherweise die Beziehungen des Individuums zum Staate, der ihm einerseits den Genuss seiner persönlichen Rechte, seiner individuellen Freiheit sichert und ihn andererseits an seiner Regierung theilnehmen lässt, scharf auseinander, das erstere Recht erklärt er für ein absolutes und wenn die Frau nicht ausdrücklich beschränkend als ein ihr zu- kommendes Recht, das letztere nur für ein relatives und da ihr nicht ausdrücklich verliehenes Recht so für ein ihr eo ipso nicht zukommendes, während thatsächlich beide Rechte in einander fliessen; die persönlichen Rechte,
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Die politische Gleichberechtigung der Frau.
das Stillschweigen der Gesetzestexte entgegenstellen,
nach dem Rechtssprichwort: »expressa nocent, non ex-
pressa non nocent« (um ein ausdrückliches Verbot kommt
man nicht herum; Stillschweigen des Gesetzes steht nicht
im Wege). Und wenn diese Regel, die überall, wo es
sich um die Rechte der Individuen in der Gesellschaft
handelt, so sehr am Platze ist, einem höheren Princip
weichen soll, welches ist dieses Princip, das das Urtheil
des Gerichtshofs zu halten vermöchte?«
Die grelle Beleuchtung, die der Mangel an Logik
des gerichtlichen Urtheils durch Ostrogorski erfährt, die
scharfe Kritik, der er dasselbe unterzieht, sind um so
objectiver, als der Verfasser des ausgezeichneten Buches
über »die Frau im öffentlichen Recht« durch einen merk-
würdigen Irrthum trotz alledem und alledem doch der
Ansicht ist, dass die Forderungen der französischen
Frauen, in die Wahllisten eingetragen zu werden, unzu-
lässig seien. Ostrogorski hält nämlich fälschlicherweise
die Beziehungen des Individuums zum Staate, der ihm
einerseits den Genuss seiner persönlichen Rechte, seiner
individuellen Freiheit sichert und ihn andererseits an
seiner Regierung theilnehmen lässt, scharf auseinander,
das erstere Recht erklärt er für ein absolutes und wenn
die Frau nicht ausdrücklich beschränkend als ein ihr zu-
kommendes Recht, das letztere nur für ein relatives und
da ihr nicht ausdrücklich verliehenes Recht so für ein
ihr eo ipso nicht zukommendes, während thatsächlich
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Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/32>, abgerufen am 19.02.2025.
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