Es ist deshalb sehr begreiflich, daß man die Dienstbotennot in der Neuen Welt sehr un- angenehm empfindet, und daß die Zahl der Familien, die um dieser Zustände willen zum Boardinghouse Zuflucht nehmen, in den letzten Jahren ganz bedeutend gewachsen ist.
Ob wir nun ähnlichen Zuständen zusteuern?
Zum Teil haben wir sie bereits. Die Ab- neigung gegen den Dienstbotenberuf wird auch bei uns immer größer. Große Städte, wie bei- spielsweise Berlin, können ihren Dienstboten- bedarf nur noch aus der Einwanderung aus den Provinzen bestreiten, unter denen Schlesien die erste Stelle einnimmt. Eine Berlinerin geht zehn- mal lieber in die Fabrik als in den Dienst, und wenn die Provinzmädchen längere Zeit in Berlin sind, hohe Gehälter, gute Behandlung und viel Freiheit haben, so ist ihr Sinnen auf nichts an- deres gerichtet, als auf einen Wechsel des Berufs. Sie wollen Schneiderinnen, Serviererinnen, Plätterinnen oder Kochfrauen werden, weil ihnen jeder andere Beruf lieber ist als der eigene. Wo- ran das wohl liegt?
Vor allem wohl auch, wie in Amerika, an dem stetig um sich greifenden demokratischen Gefühl, das ihnen das ständig Zubefehlstehenmüssen, die ungeregelte Arbeitszeit, der Mangel an persön-
Es ist deshalb sehr begreiflich, daß man die Dienstbotennot in der Neuen Welt sehr un- angenehm empfindet, und daß die Zahl der Familien, die um dieser Zustände willen zum Boardinghouse Zuflucht nehmen, in den letzten Jahren ganz bedeutend gewachsen ist.
Ob wir nun ähnlichen Zuständen zusteuern?
Zum Teil haben wir sie bereits. Die Ab- neigung gegen den Dienstbotenberuf wird auch bei uns immer größer. Große Städte, wie bei- spielsweise Berlin, können ihren Dienstboten- bedarf nur noch aus der Einwanderung aus den Provinzen bestreiten, unter denen Schlesien die erste Stelle einnimmt. Eine Berlinerin geht zehn- mal lieber in die Fabrik als in den Dienst, und wenn die Provinzmädchen längere Zeit in Berlin sind, hohe Gehälter, gute Behandlung und viel Freiheit haben, so ist ihr Sinnen auf nichts an- deres gerichtet, als auf einen Wechsel des Berufs. Sie wollen Schneiderinnen, Serviererinnen, Plätterinnen oder Kochfrauen werden, weil ihnen jeder andere Beruf lieber ist als der eigene. Wo- ran das wohl liegt?
Vor allem wohl auch, wie in Amerika, an dem stetig um sich greifenden demokratischen Gefühl, das ihnen das ständig Zubefehlstehenmüssen, die ungeregelte Arbeitszeit, der Mangel an persön-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0091"n="87"/><p>Es ist deshalb sehr begreiflich, daß man die<lb/>
Dienstbotennot in der Neuen Welt sehr un-<lb/>
angenehm empfindet, und daß die Zahl der<lb/>
Familien, die um dieser Zustände willen zum<lb/>
Boardinghouse Zuflucht nehmen, in den letzten<lb/>
Jahren ganz bedeutend gewachsen ist.</p><lb/><p>Ob wir nun ähnlichen Zuständen zusteuern?</p><lb/><p>Zum Teil haben wir sie bereits. Die Ab-<lb/>
neigung gegen den Dienstbotenberuf wird auch<lb/>
bei uns immer größer. Große Städte, wie bei-<lb/>
spielsweise Berlin, können ihren Dienstboten-<lb/>
bedarf nur noch aus der Einwanderung aus den<lb/>
Provinzen bestreiten, unter denen Schlesien die<lb/>
erste Stelle einnimmt. Eine Berlinerin geht zehn-<lb/>
mal lieber in die Fabrik als in den Dienst, und<lb/>
wenn die Provinzmädchen längere Zeit in Berlin<lb/>
sind, hohe Gehälter, gute Behandlung und viel<lb/>
Freiheit haben, so ist ihr Sinnen auf nichts an-<lb/>
deres gerichtet, als auf einen Wechsel des Berufs.<lb/>
Sie wollen Schneiderinnen, Serviererinnen,<lb/>
Plätterinnen oder Kochfrauen werden, weil ihnen<lb/>
jeder andere Beruf lieber ist als der eigene. Wo-<lb/>
ran das wohl liegt?</p><lb/><p>Vor allem wohl auch, wie in Amerika, an dem<lb/>
stetig um sich greifenden demokratischen Gefühl,<lb/>
das ihnen das ständig Zubefehlstehenmüssen, die<lb/>
ungeregelte Arbeitszeit, der Mangel an persön-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[87/0091]
Es ist deshalb sehr begreiflich, daß man die
Dienstbotennot in der Neuen Welt sehr un-
angenehm empfindet, und daß die Zahl der
Familien, die um dieser Zustände willen zum
Boardinghouse Zuflucht nehmen, in den letzten
Jahren ganz bedeutend gewachsen ist.
Ob wir nun ähnlichen Zuständen zusteuern?
Zum Teil haben wir sie bereits. Die Ab-
neigung gegen den Dienstbotenberuf wird auch
bei uns immer größer. Große Städte, wie bei-
spielsweise Berlin, können ihren Dienstboten-
bedarf nur noch aus der Einwanderung aus den
Provinzen bestreiten, unter denen Schlesien die
erste Stelle einnimmt. Eine Berlinerin geht zehn-
mal lieber in die Fabrik als in den Dienst, und
wenn die Provinzmädchen längere Zeit in Berlin
sind, hohe Gehälter, gute Behandlung und viel
Freiheit haben, so ist ihr Sinnen auf nichts an-
deres gerichtet, als auf einen Wechsel des Berufs.
Sie wollen Schneiderinnen, Serviererinnen,
Plätterinnen oder Kochfrauen werden, weil ihnen
jeder andere Beruf lieber ist als der eigene. Wo-
ran das wohl liegt?
Vor allem wohl auch, wie in Amerika, an dem
stetig um sich greifenden demokratischen Gefühl,
das ihnen das ständig Zubefehlstehenmüssen, die
ungeregelte Arbeitszeit, der Mangel an persön-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: gekennzeichnet;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/91>, abgerufen am 17.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.