Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

einem Jnstrument der Unzucht und zu einer recht-
lichen Ausnahmestellung von Parias herab-
drückte." Sie zeigten, wie erniedrigend die Regle-
mentierung nicht allein für die Prostituierten selbst
ist, die sich periodisch von einem beamteten Arzt
untersuchen lassen müssen, denen bestimmte
Straßen, Lokale, Theater verboten sind, die
von der Polizei aus ihren Wohnungen vertrieben
werden können usw., sondern wie durch die
Zwangsuntersuchung und Einschreibung das ganze
Geschlecht gefährdet, dem Denunziantentum Tür
und Tor geöffnet ist, weil jedes Mädchen und jede
Frau verdächtigt werden und dadurch in die ent-
setzlichste Situation kommen kann, ja, wie oft un-
schuldige Mädchen, denen trotz ihres Flehens kein
Glauben geschenkt wird, durch die Einschreibung
gewaltsam auf die Bahn des Lasters gedrängt
werden, und wie jeder, die diesen Boden einmal be-
treten, eine Umkehr unmöglich gemacht ist, denn
sie ist infamiert und gebrandmarkt, alle Brücken
sind hinter ihr abgebrochen. Sie zeigten, daß das
Reglementierungssystem auch als hygienische Maß-
regel zwecklos ist, weil, wie das Flugblatt des
Deutsch-Evangelischen Frauenbundes dies sehr
richtig motiviert, die Reglementierung nur einen
verschwindend kleinen Teil der Prostitution erfaßt,
weil die ärztlichen Untersuchungen völlig un-
genügend sind, da bei der Einseitigkeit der Kon-

18 Jchenhaeuser, Frauenziele.

einem Jnstrument der Unzucht und zu einer recht-
lichen Ausnahmestellung von Parias herab-
drückte.“ Sie zeigten, wie erniedrigend die Regle-
mentierung nicht allein für die Prostituierten selbst
ist, die sich periodisch von einem beamteten Arzt
untersuchen lassen müssen, denen bestimmte
Straßen, Lokale, Theater verboten sind, die
von der Polizei aus ihren Wohnungen vertrieben
werden können usw., sondern wie durch die
Zwangsuntersuchung und Einschreibung das ganze
Geschlecht gefährdet, dem Denunziantentum Tür
und Tor geöffnet ist, weil jedes Mädchen und jede
Frau verdächtigt werden und dadurch in die ent-
setzlichste Situation kommen kann, ja, wie oft un-
schuldige Mädchen, denen trotz ihres Flehens kein
Glauben geschenkt wird, durch die Einschreibung
gewaltsam auf die Bahn des Lasters gedrängt
werden, und wie jeder, die diesen Boden einmal be-
treten, eine Umkehr unmöglich gemacht ist, denn
sie ist infamiert und gebrandmarkt, alle Brücken
sind hinter ihr abgebrochen. Sie zeigten, daß das
Reglementierungssystem auch als hygienische Maß-
regel zwecklos ist, weil, wie das Flugblatt des
Deutsch-Evangelischen Frauenbundes dies sehr
richtig motiviert, die Reglementierung nur einen
verschwindend kleinen Teil der Prostitution erfaßt,
weil die ärztlichen Untersuchungen völlig un-
genügend sind, da bei der Einseitigkeit der Kon-

18 Jchenhaeuser, Frauenziele.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0277" n="273"/>
einem Jnstrument der Unzucht und zu einer recht-<lb/>
lichen Ausnahmestellung von Parias herab-<lb/>
drückte.&#x201C; Sie zeigten, wie erniedrigend die Regle-<lb/>
mentierung nicht allein für die Prostituierten selbst<lb/>
ist, die sich periodisch von einem beamteten Arzt<lb/>
untersuchen lassen müssen, denen bestimmte<lb/>
Straßen, Lokale, Theater verboten sind, die<lb/>
von der Polizei aus ihren Wohnungen vertrieben<lb/>
werden können usw., sondern wie durch die<lb/>
Zwangsuntersuchung und Einschreibung das ganze<lb/>
Geschlecht gefährdet, dem Denunziantentum Tür<lb/>
und Tor geöffnet ist, weil jedes Mädchen und jede<lb/>
Frau verdächtigt werden und dadurch in die ent-<lb/>
setzlichste Situation kommen kann, ja, wie oft un-<lb/>
schuldige Mädchen, denen trotz ihres Flehens kein<lb/>
Glauben geschenkt wird, durch die Einschreibung<lb/>
gewaltsam auf die Bahn des Lasters gedrängt<lb/>
werden, und wie jeder, die diesen Boden einmal be-<lb/>
treten, eine Umkehr unmöglich gemacht ist, denn<lb/>
sie ist infamiert und gebrandmarkt, alle Brücken<lb/>
sind hinter ihr abgebrochen. Sie zeigten, daß das<lb/>
Reglementierungssystem auch als hygienische Maß-<lb/>
regel zwecklos ist, weil, wie das Flugblatt des<lb/>
Deutsch-Evangelischen Frauenbundes dies sehr<lb/>
richtig motiviert, die Reglementierung nur einen<lb/>
verschwindend kleinen Teil der Prostitution erfaßt,<lb/>
weil die ärztlichen Untersuchungen völlig un-<lb/>
genügend sind, da bei der Einseitigkeit der Kon-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18 Jchenhaeuser, Frauenziele.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0277] einem Jnstrument der Unzucht und zu einer recht- lichen Ausnahmestellung von Parias herab- drückte.“ Sie zeigten, wie erniedrigend die Regle- mentierung nicht allein für die Prostituierten selbst ist, die sich periodisch von einem beamteten Arzt untersuchen lassen müssen, denen bestimmte Straßen, Lokale, Theater verboten sind, die von der Polizei aus ihren Wohnungen vertrieben werden können usw., sondern wie durch die Zwangsuntersuchung und Einschreibung das ganze Geschlecht gefährdet, dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet ist, weil jedes Mädchen und jede Frau verdächtigt werden und dadurch in die ent- setzlichste Situation kommen kann, ja, wie oft un- schuldige Mädchen, denen trotz ihres Flehens kein Glauben geschenkt wird, durch die Einschreibung gewaltsam auf die Bahn des Lasters gedrängt werden, und wie jeder, die diesen Boden einmal be- treten, eine Umkehr unmöglich gemacht ist, denn sie ist infamiert und gebrandmarkt, alle Brücken sind hinter ihr abgebrochen. Sie zeigten, daß das Reglementierungssystem auch als hygienische Maß- regel zwecklos ist, weil, wie das Flugblatt des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes dies sehr richtig motiviert, die Reglementierung nur einen verschwindend kleinen Teil der Prostitution erfaßt, weil die ärztlichen Untersuchungen völlig un- genügend sind, da bei der Einseitigkeit der Kon- 18 Jchenhaeuser, Frauenziele.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-12-07T10:34:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/277
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/277>, abgerufen am 23.11.2024.