Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

Welt zuerst dazu geschritten, besondere Jugend-
gerichte zu schaffen. Der amerikanische Jugend-
richter läßt durch einen Bewährungshelfer, "Pro-
bation Officer", die Verhältnisse des Jugendlichen
feststellen, sendet den Schuldigbefundenen nicht ins
Gefängnis, sondern überweist ihn, falls nötig,
einer Erziehungsanstalt, viel öfter jedoch stellt er
ihn unter Beobachtung des Bewährungshelfers.
Dieses System zeitigte so günstige Resultate, daß es
sich in ganz Nordamerika verbreitete, in England,
Schottland, Jrland, Frankreich, Österreich, und
schließlich seit dem 1. Januar 1908 innerhalb des
Rahmens der bestehenden Einrichtungen auch in
Deutschland Nachahmung fand.

Als Hauptzüge der Ausgestaltung deutscher
Jugendgerichte bezeichnen die Mitteilungen der
Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge die folgen-
den: "Die Bearbeitung von Strafsachen gegen
Jugendliche, welche zur Zuständigkeit des Schöffen-
gerichts oder des Amtsgerichts gehören, einschließ-
lich des Vorverfahrens und der Strafvollstreckung,
obliegt einem besonderen Richter, welcher auch die
Verrichtungen des Vormundschaftsrichters gegen-
über dem betreffenden Minderjährigen auszuüben
hat, so daß er neben der Strafe oder bei Frei-
sprechung ohne strafrechtliche Bestimmung vor-
mundschaftsgerichtliche Maßnahmen zum Schutze
des Minderjährigen gegebenenfalls anordnen

Welt zuerst dazu geschritten, besondere Jugend-
gerichte zu schaffen. Der amerikanische Jugend-
richter läßt durch einen Bewährungshelfer, „Pro-
bation Officer“, die Verhältnisse des Jugendlichen
feststellen, sendet den Schuldigbefundenen nicht ins
Gefängnis, sondern überweist ihn, falls nötig,
einer Erziehungsanstalt, viel öfter jedoch stellt er
ihn unter Beobachtung des Bewährungshelfers.
Dieses System zeitigte so günstige Resultate, daß es
sich in ganz Nordamerika verbreitete, in England,
Schottland, Jrland, Frankreich, Österreich, und
schließlich seit dem 1. Januar 1908 innerhalb des
Rahmens der bestehenden Einrichtungen auch in
Deutschland Nachahmung fand.

Als Hauptzüge der Ausgestaltung deutscher
Jugendgerichte bezeichnen die Mitteilungen der
Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge die folgen-
den: „Die Bearbeitung von Strafsachen gegen
Jugendliche, welche zur Zuständigkeit des Schöffen-
gerichts oder des Amtsgerichts gehören, einschließ-
lich des Vorverfahrens und der Strafvollstreckung,
obliegt einem besonderen Richter, welcher auch die
Verrichtungen des Vormundschaftsrichters gegen-
über dem betreffenden Minderjährigen auszuüben
hat, so daß er neben der Strafe oder bei Frei-
sprechung ohne strafrechtliche Bestimmung vor-
mundschaftsgerichtliche Maßnahmen zum Schutze
des Minderjährigen gegebenenfalls anordnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0230" n="226"/>
Welt zuerst dazu geschritten, besondere Jugend-<lb/>
gerichte zu schaffen. Der amerikanische Jugend-<lb/>
richter läßt durch einen Bewährungshelfer, &#x201E;Pro-<lb/>
bation Officer&#x201C;, die Verhältnisse des Jugendlichen<lb/>
feststellen, sendet den Schuldigbefundenen nicht ins<lb/>
Gefängnis, sondern überweist ihn, falls nötig,<lb/>
einer Erziehungsanstalt, viel öfter jedoch stellt er<lb/>
ihn unter Beobachtung des Bewährungshelfers.<lb/>
Dieses System zeitigte so günstige Resultate, daß es<lb/>
sich in ganz Nordamerika verbreitete, in England,<lb/>
Schottland, Jrland, Frankreich, Österreich, und<lb/>
schließlich seit dem 1. Januar 1908 innerhalb des<lb/>
Rahmens der bestehenden Einrichtungen auch in<lb/>
Deutschland Nachahmung fand.</p><lb/>
          <p>Als Hauptzüge der Ausgestaltung deutscher<lb/>
Jugendgerichte bezeichnen die Mitteilungen der<lb/>
Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge die folgen-<lb/>
den: &#x201E;Die Bearbeitung von Strafsachen gegen<lb/>
Jugendliche, welche zur Zuständigkeit des Schöffen-<lb/>
gerichts oder des Amtsgerichts gehören, einschließ-<lb/>
lich des Vorverfahrens und der Strafvollstreckung,<lb/>
obliegt einem besonderen Richter, welcher auch die<lb/>
Verrichtungen des Vormundschaftsrichters gegen-<lb/>
über dem betreffenden Minderjährigen auszuüben<lb/>
hat, so daß er neben der Strafe oder bei Frei-<lb/>
sprechung ohne strafrechtliche Bestimmung vor-<lb/>
mundschaftsgerichtliche Maßnahmen zum Schutze<lb/>
des Minderjährigen gegebenenfalls anordnen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0230] Welt zuerst dazu geschritten, besondere Jugend- gerichte zu schaffen. Der amerikanische Jugend- richter läßt durch einen Bewährungshelfer, „Pro- bation Officer“, die Verhältnisse des Jugendlichen feststellen, sendet den Schuldigbefundenen nicht ins Gefängnis, sondern überweist ihn, falls nötig, einer Erziehungsanstalt, viel öfter jedoch stellt er ihn unter Beobachtung des Bewährungshelfers. Dieses System zeitigte so günstige Resultate, daß es sich in ganz Nordamerika verbreitete, in England, Schottland, Jrland, Frankreich, Österreich, und schließlich seit dem 1. Januar 1908 innerhalb des Rahmens der bestehenden Einrichtungen auch in Deutschland Nachahmung fand. Als Hauptzüge der Ausgestaltung deutscher Jugendgerichte bezeichnen die Mitteilungen der Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge die folgen- den: „Die Bearbeitung von Strafsachen gegen Jugendliche, welche zur Zuständigkeit des Schöffen- gerichts oder des Amtsgerichts gehören, einschließ- lich des Vorverfahrens und der Strafvollstreckung, obliegt einem besonderen Richter, welcher auch die Verrichtungen des Vormundschaftsrichters gegen- über dem betreffenden Minderjährigen auszuüben hat, so daß er neben der Strafe oder bei Frei- sprechung ohne strafrechtliche Bestimmung vor- mundschaftsgerichtliche Maßnahmen zum Schutze des Minderjährigen gegebenenfalls anordnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-12-07T10:34:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/230
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/230>, abgerufen am 23.11.2024.