Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

meinsam objektiven Bildungsbesitzes ist, an dem
sie sich entfalten kann.

Der weibliche Einfluß auf die Mädchenbildung
ist hingegen erwünscht und nötig, weil der er-
zieherische Einfluß der Frau auf das heran-
wachsende Mädchen ein viel wertvollerer und
größerer als der des Mannes ist und sie ein viel
feineres Verständnis für die Psyche des jungen
Mädchens besitzt.

Auch die Regierung ging von dieser Ansicht aus
bei der Festlegung der Richtlinien in der
Ministerialkonferenz 1906, die auf eine gleich-
mäßige Verteilung der Stunden und Ordinariate
zwischen männlichen und weiblichen Lehrern ab-
zielte. Aber es kam ganz anders, weil die männ-
lichen Lehrer sich gegen diesen Einfluß und speziell
gegen die weibliche Leitung heftig wehrten, mit
Boykott gegen sie arbeiteten usw., und das Resultat
ist, daß seither keine Frau mehr als Direktorin
eines städtischen Lyzeums angestellt wurde. Außer-
dem stellt sich die Verteilung der Lehrer und Lehre-
rinnen auf den Unterrichtsanstalten so dar, daß
der weibliche Einfluß auf der Unterstufe über-
wiegt, auf der Mittelstufe der gleiche wie der
männliche ist, aber gerade auf der Oberstufe, wo er
am wichtigsten ist, überraschend sinkt.

Während wir gegenwärtig trotz der Fort-
schritte der Reform immer noch an den Folgen der

9 Jchenhaeuser, Frauenziele.

meinsam objektiven Bildungsbesitzes ist, an dem
sie sich entfalten kann.

Der weibliche Einfluß auf die Mädchenbildung
ist hingegen erwünscht und nötig, weil der er-
zieherische Einfluß der Frau auf das heran-
wachsende Mädchen ein viel wertvollerer und
größerer als der des Mannes ist und sie ein viel
feineres Verständnis für die Psyche des jungen
Mädchens besitzt.

Auch die Regierung ging von dieser Ansicht aus
bei der Festlegung der Richtlinien in der
Ministerialkonferenz 1906, die auf eine gleich-
mäßige Verteilung der Stunden und Ordinariate
zwischen männlichen und weiblichen Lehrern ab-
zielte. Aber es kam ganz anders, weil die männ-
lichen Lehrer sich gegen diesen Einfluß und speziell
gegen die weibliche Leitung heftig wehrten, mit
Boykott gegen sie arbeiteten usw., und das Resultat
ist, daß seither keine Frau mehr als Direktorin
eines städtischen Lyzeums angestellt wurde. Außer-
dem stellt sich die Verteilung der Lehrer und Lehre-
rinnen auf den Unterrichtsanstalten so dar, daß
der weibliche Einfluß auf der Unterstufe über-
wiegt, auf der Mittelstufe der gleiche wie der
männliche ist, aber gerade auf der Oberstufe, wo er
am wichtigsten ist, überraschend sinkt.

Während wir gegenwärtig trotz der Fort-
schritte der Reform immer noch an den Folgen der

9 Jchenhaeuser, Frauenziele.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="129"/>
meinsam objektiven Bildungsbesitzes ist, an dem<lb/>
sie sich entfalten kann.</p><lb/>
          <p>Der weibliche Einfluß auf die Mädchenbildung<lb/>
ist hingegen erwünscht und nötig, weil der er-<lb/>
zieherische Einfluß der Frau auf das heran-<lb/>
wachsende Mädchen ein viel wertvollerer und<lb/>
größerer als der des Mannes ist und sie ein viel<lb/>
feineres Verständnis für die Psyche des jungen<lb/>
Mädchens besitzt.</p><lb/>
          <p>Auch die Regierung ging von dieser Ansicht aus<lb/>
bei der Festlegung der Richtlinien in der<lb/>
Ministerialkonferenz 1906, die auf eine gleich-<lb/>
mäßige Verteilung der Stunden und Ordinariate<lb/>
zwischen männlichen und weiblichen Lehrern ab-<lb/>
zielte. Aber es kam ganz anders, weil die männ-<lb/>
lichen Lehrer sich gegen diesen Einfluß und speziell<lb/>
gegen die weibliche Leitung heftig wehrten, mit<lb/>
Boykott gegen sie arbeiteten usw., und das Resultat<lb/>
ist, daß seither keine Frau mehr als Direktorin<lb/>
eines städtischen Lyzeums angestellt wurde. Außer-<lb/>
dem stellt sich die Verteilung der Lehrer und Lehre-<lb/>
rinnen auf den Unterrichtsanstalten so dar, daß<lb/>
der weibliche Einfluß auf der Unterstufe über-<lb/>
wiegt, auf der Mittelstufe der gleiche wie der<lb/>
männliche ist, aber gerade auf der Oberstufe, wo er<lb/>
am wichtigsten ist, überraschend sinkt.</p><lb/>
          <p>Während wir gegenwärtig trotz der Fort-<lb/>
schritte der Reform immer noch an den Folgen der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 Jchenhaeuser, Frauenziele.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0133] meinsam objektiven Bildungsbesitzes ist, an dem sie sich entfalten kann. Der weibliche Einfluß auf die Mädchenbildung ist hingegen erwünscht und nötig, weil der er- zieherische Einfluß der Frau auf das heran- wachsende Mädchen ein viel wertvollerer und größerer als der des Mannes ist und sie ein viel feineres Verständnis für die Psyche des jungen Mädchens besitzt. Auch die Regierung ging von dieser Ansicht aus bei der Festlegung der Richtlinien in der Ministerialkonferenz 1906, die auf eine gleich- mäßige Verteilung der Stunden und Ordinariate zwischen männlichen und weiblichen Lehrern ab- zielte. Aber es kam ganz anders, weil die männ- lichen Lehrer sich gegen diesen Einfluß und speziell gegen die weibliche Leitung heftig wehrten, mit Boykott gegen sie arbeiteten usw., und das Resultat ist, daß seither keine Frau mehr als Direktorin eines städtischen Lyzeums angestellt wurde. Außer- dem stellt sich die Verteilung der Lehrer und Lehre- rinnen auf den Unterrichtsanstalten so dar, daß der weibliche Einfluß auf der Unterstufe über- wiegt, auf der Mittelstufe der gleiche wie der männliche ist, aber gerade auf der Oberstufe, wo er am wichtigsten ist, überraschend sinkt. Während wir gegenwärtig trotz der Fort- schritte der Reform immer noch an den Folgen der 9 Jchenhaeuser, Frauenziele.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-12-07T10:34:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/133
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/133>, abgerufen am 26.11.2024.