Hunold, Christian Friedrich: Die Edle Bemühung müssiger Stunden. Hamburg, 1702.und Galante Gedichte Ich bin von Fleisch und Blut/ und du bist wunderschön/Dein Wesen und dein Thun besteht in Seltenheiten/ Und will mein Auge recht waß ungemeines sehn/ So ist dein Mund ein Ort von tausend Lieblichkeiten: Ich weiß das Orpheus hier die Lehre niederlegt/ Ob er die Bäume gleich und Steine tantzend machet: Manch Hertz ist Felsen-Art/ doch wird es leicht bewegt/ Wenn nur die Anmuht singt/ und deine Schönheit lachet. Was halb erstorben ist/ steigt lebend wieder auff/ Und was sich sonsten regt/ erstarrt durch deine Hände: Der Adern kaltes Blut kriegt den erhitzten Lauff/ Wenn du mir Feuer giebst/ und ich dir Blicke sende. Ja wie vermögend ist nicht sanffter Saiten-Thon? Er fesselt Thetis Reich/ das Schuppen Heer der Wellen/ Die Harffen klinget kaum/ so schertzt ein Delphin schon/ Und muß sich gantz verliebt in seine Netze stellen. Es fällt die Grausamkeit der Crocodillen hin/ Music kan mit der Wuth der Elephanten streiten/ Und ist Gewalt und List nicht die Bezwingerin/ Bestehn die Stricke doch in angenehmen Saiten. Den Thieren bleibt der Grim/ wie Tauben Gall bewust/ Cameel und Hirsche sind der Unvernunfft zu wider/ Und der vernünfftge Klang erquickt die wilde Brust: Wie binden mich nun auch nicht deine schönen Lieder. Ach Schönste _ _ _ ich bin kein Unmensch nicht/ Es regt sich die Vernunfft in Augen/ Hertz und Ohren/ Indem dein süsser Mund von solcher Würckung spricht/ Dabey die Laute hat die edle Krafft verlohren. Sirene/ dieser Zeit! du schöne Zauberin! Wer kan Ulysses seyn bey deinen Lieblichkeiten? Europens gröster Held wirfft Stahl und Eisen hin/ Und reines Singen kan den Fünfften Carl bestreiten. Dort konnte diese Macht das gröste Theil der Welt Auch vor der kleinsten Theil mit holder Reitzung bücken: Wie solte nicht ein Knecht/ der dir zu Fusse fält/ Vor Venus gantzes Reich mit höchster Freude rücken? Ach _ _ _ schau dich nur einmahl selber an/ Wie Glut und Flammen dir aus schönen Augen dringen. Und B 4
und Galante Gedichte Ich bin von Fleiſch und Blut/ und du biſt wunderſchoͤn/Dein Weſen und dein Thun beſteht in Seltenheiten/ Und will mein Auge recht waß ungemeines ſehn/ So iſt dein Mund ein Ort von tauſend Lieblichkeiten: Ich weiß das Orpheus hier die Lehre niederlegt/ Ob er die Baͤume gleich und Steine tantzend machet: Manch Hertz iſt Felſen-Art/ doch wird es leicht bewegt/ Wenn nur die Anmuht ſingt/ und deine Schoͤnheit lachet. Was halb erſtorben iſt/ ſteigt lebend wieder auff/ Und was ſich ſonſten regt/ erſtarrt durch deine Haͤnde: Der Adern kaltes Blut kriegt den erhitzten Lauff/ Wenn du mir Feuer giebſt/ und ich dir Blicke ſende. Ja wie vermoͤgend iſt nicht ſanffter Saiten-Thon? Er feſſelt Thetis Reich/ das Schuppen Heer der Wellen/ Die Harffen klinget kaum/ ſo ſchertzt ein Delphin ſchon/ Und muß ſich gantz verliebt in ſeine Netze ſtellen. Es faͤllt die Grauſamkeit der Crocodillen hin/ Muſic kan mit der Wuth der Elephanten ſtreiten/ Und iſt Gewalt und Liſt nicht die Bezwingerin/ Beſtehn die Stricke doch in angenehmen Saiten. Den Thieren bleibt der Grim/ wie Tauben Gall bewuſt/ Cameel und Hirſche ſind der Unvernunfft zu wider/ Und der vernuͤnfftge Klang erquickt die wilde Bruſt: Wie binden mich nun auch nicht deine ſchoͤnen Lieder. Ach Schoͤnſte _ _ _ ich bin kein Unmenſch nicht/ Es regt ſich die Vernunfft in Augen/ Hertz und Ohren/ Indem dein ſuͤſſer Mund von ſolcher Wuͤrckung ſpricht/ Dabey die Laute hat die edle Krafft verlohren. Sirene/ dieſer Zeit! du ſchoͤne Zauberin! Wer kan Ulyſſes ſeyn bey deinen Lieblichkeiten? Europens groͤſter Held wirfft Stahl und Eiſen hin/ Und reines Singen kan den Fuͤnfften Carl beſtreiten. Dort konnte dieſe Macht das groͤſte Theil der Welt Auch vor der kleinſten Theil mit holder Reitzung buͤcken: Wie ſolte nicht ein Knecht/ der dir zu Fuſſe faͤlt/ Vor Venus gantzes Reich mit hoͤchſter Freude ruͤcken? Ach _ _ _ ſchau dich nur einmahl ſelber an/ Wie Glut und Flammen dir aus ſchoͤnen Augen dringen. Und B 4
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und Galante Gedichte
Ich bin von Fleiſch und Blut/ und du biſt wunderſchoͤn/
Dein Weſen und dein Thun beſteht in Seltenheiten/
Und will mein Auge recht waß ungemeines ſehn/
So iſt dein Mund ein Ort von tauſend Lieblichkeiten:
Ich weiß das Orpheus hier die Lehre niederlegt/
Ob er die Baͤume gleich und Steine tantzend machet:
Manch Hertz iſt Felſen-Art/ doch wird es leicht bewegt/
Wenn nur die Anmuht ſingt/ und deine Schoͤnheit lachet.
Was halb erſtorben iſt/ ſteigt lebend wieder auff/
Und was ſich ſonſten regt/ erſtarrt durch deine Haͤnde:
Der Adern kaltes Blut kriegt den erhitzten Lauff/
Wenn du mir Feuer giebſt/ und ich dir Blicke ſende.
Ja wie vermoͤgend iſt nicht ſanffter Saiten-Thon?
Er feſſelt Thetis Reich/ das Schuppen Heer der Wellen/
Die Harffen klinget kaum/ ſo ſchertzt ein Delphin ſchon/
Und muß ſich gantz verliebt in ſeine Netze ſtellen.
Es faͤllt die Grauſamkeit der Crocodillen hin/
Muſic kan mit der Wuth der Elephanten ſtreiten/
Und iſt Gewalt und Liſt nicht die Bezwingerin/
Beſtehn die Stricke doch in angenehmen Saiten.
Den Thieren bleibt der Grim/ wie Tauben Gall bewuſt/
Cameel und Hirſche ſind der Unvernunfft zu wider/
Und der vernuͤnfftge Klang erquickt die wilde Bruſt:
Wie binden mich nun auch nicht deine ſchoͤnen Lieder.
Ach Schoͤnſte _ _ _ ich bin kein Unmenſch nicht/
Es regt ſich die Vernunfft in Augen/ Hertz und Ohren/
Indem dein ſuͤſſer Mund von ſolcher Wuͤrckung ſpricht/
Dabey die Laute hat die edle Krafft verlohren.
Sirene/ dieſer Zeit! du ſchoͤne Zauberin!
Wer kan Ulyſſes ſeyn bey deinen Lieblichkeiten?
Europens groͤſter Held wirfft Stahl und Eiſen hin/
Und reines Singen kan den Fuͤnfften Carl beſtreiten.
Dort konnte dieſe Macht das groͤſte Theil der Welt
Auch vor der kleinſten Theil mit holder Reitzung buͤcken:
Wie ſolte nicht ein Knecht/ der dir zu Fuſſe faͤlt/
Vor Venus gantzes Reich mit hoͤchſter Freude ruͤcken?
Ach _ _ _ ſchau dich nur einmahl ſelber an/
Wie Glut und Flammen dir aus ſchoͤnen Augen dringen.
Und
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Zitationshilfe: | Hunold, Christian Friedrich: Die Edle Bemühung müssiger Stunden. Hamburg, 1702, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hunold_gedichte_1702/33>, abgerufen am 02.03.2025. |